Wir fahren für die Region – am Donnerstag aber wurden die S-Bahnen im Berufsverkehr ausgebremst Foto: Peter Petsch

Wieder einmal haben technische Problemen den S-Bahn-Verkehr im Berufsverkehr ausgebremst. Das Chaos vom Donnerstag wirft erneut die Frage auf, wann und wie die alte Stellwerktechnik modernisiert wird.

Stuttgart - Gleich zweimal haben Signalstörungen am Donnerstagmorgen den kompletten S-Bahn-Verkehr durcheinandergebracht. Im morgendlichen Berufspendlerverkehr kam es zu Zugausfällen und Verspätungen von über einer halben Stunde. Der Infarkt im Innenstadttunnel zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße hatte Auswirkungen ins gesamte S-Bahn-Netz. Die Folgen waren bis zum Nachmittag zu spüren.

„Letztlich war es ein defektes Relais im Stellwerk am Hauptbahnhof“, sagt ein Bahnsprecher. Gleich zweimal, um 6.45 und 8.52 Uhr, kam es zu einem Infarkt des sogenannten Selbststellbetriebs. Erst wurde eine Sicherung ausgetauscht, dann die eigentliche Ursache in einem Relais gefunden.

Der sogenannte Selbststellbetrieb bedeutet, dass der Zug vollautomatisch vom System erkannt und dessen Fahrweg zeitsparend auf Grün geschaltet wird. „Die Fahrweg-Freigabe musste während der Störung manuell erfolgen“, so der Bahnsprecher, „dadurch war die Tunnelstrecke weniger leistungsfähig.“ Um diese zu entlasten, mussten Fahrgäste in Zuffenhausen und Bad Cannstatt aus- und umsteigen.

Alte Stellwerktechnik

Das Chaos vom Donnerstag, verschärft durch eine Signalstörung in Gärtringen (Kreis Böblingen) und einen Zugdefekt in Plochingen (Kreis Esslingen), wirft wieder die Frage auf, wann und wie die alte Stellwerktechnik modernisiert wird. Verantwortliche der Bahn verweisen in diesem Zusammenhang auf Stuttgart 21: Im Verkehrsausschuss der Regionalversammlung ließen sie jüngst wissen, dass mit dem Bau von S 21 auch der S-Bahn-Innenstadttunnel überholt werde. So soll ein neues Stellwerk mit elektronischer Signaltechnik gebaut werden. Noch unklar ist allerdings, nach welchem Standard die Signale künftig funktionieren. „Bis Ende des Jahres liegt die Studie darüber vor, welche Vorteile die Signaltechnik ETCS für die S-Bahn hat“, sagte der S-21-Projektleiter Ali-Akbar Elahwiesy.

ETCS, kurz für European Train Control System, wird von Experten wie Professor Ullrich Martin vom Verkehrswissenschaftlichen Institut der Universität Stuttgart für die einzig realistische technische Lösung gehalten, um die unpünktliche S-Bahn wieder zu stabilisieren. Mit ihr könnte die Zahl der Züge von 24 auf 32 je Stunde und Richtung erhöht werden. Und auch bei der bisherigen Maßzahl von 24 könnten die Abstände zwischen den S-Bahnen so verkürzt werden, dass zumindest gewisse Verspätungen nicht ins Gewicht fallen.

Die Unzuverlässigkeit des Systems begründete die Bahn indes stets damit, dass die Abfertigung der Züge alle zweieinhalb Minuten stocke, weil so viele Menschen aus- und einsteigen. Elahwiesy hält das System ETCS für nicht unbedingt notwendig. Anfang des Jahres erklärt er, dass die vertraglich fixierte Anzahl von 24 Zügen pro Stunde auch ohne ETCS eingehalten werden könne. Das habe eine Betriebssimulation bestätigt. In der Regionalversammlung betonte er, dass die S-Bahnen bei einer Sperrung des Innenstadttunnels auch ohne ETCS über die Ferngleise etwa des Fildertunnels umgeleitet werden könnten. Sein Chef Peter Sturm stellte in Aussicht, dass die Ergebnisse der Studie bis Weihnachten vorliegen: „Dann kann man immer noch die Entscheidung treffen, ob man das bauen will.“

Nadelöhr Innenstadttunnel

Vonseiten des Verbands Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn hieß es stets, das System sei eher zweitrangig, Hauptsache die 24 Züge kommen pünktlich durchs Nadelöhr Innenstadttunnel. Kein Wunder: Die Finanzierung des modernen Signalsystems, das es bisher noch in keinem deutschen S-Bahn-System gibt, ist ungeklärt. Nach Ansicht von Verkehrsexperten geht es um rund 50 Millionen Euro.

Florian Bitzer von der DB Projekt Stuttgart–Ulm äußerte sich in der Regionalversammlung zufrieden über die Planungen zum neuen S-Bahn-Halt Mittnachtstraße am Rande des künftigen Rosensteinviertels. Der Halt werde in einem offenen Trog 12,5 Meter tiefer als die Umgebung liegen, Gesamtlänge 262 Meter, Bahnsteig 208 Meter lang. Von dort aus sollen die S-Bahnen in den Tunnel in Richtung Hauptbahnhof fahren. „Ein sehr komfortabler Bahnsteig“ werde das, so Bitzer. Zum Planungsprozess sagte er: „Wir liegen sehr gut in der Zeit.“