Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich in Berlin mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Nato-Staaten getroffen. Generalsekretär Jens Stoltenberg, der mit dem Coronavirus infiziert ist, war per Video zugeschaltet. Foto: AFP/Kevin Lamarque

In der Phase zwischen dem Beitrittsantrag der beiden Länder und dem Beginn ihrer Mitgliedschaft könnte das Militärbündnis verstärkt Truppen nach Nordeuropa schicken und so Russland auf Distanz halten.

Die Nato will Finnland und Schweden vor möglichen russischen Aggressionen schützen, noch bevor die beiden Länder überhaupt formal Mitglieder des Verteidigungsbündnisses werden. Das machte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Sonntag nach Beratungen der Nato-Außenminister in Berlin deutlich.

Die Allianz sei sich bewusst darüber, dass beide Länder Sorgen haben mit Blick auf die Übergangsphase zwischen einem Beitrittsantrag und der Ratifizierung des Beitrittsprotokolls durch die 30 Nato-Mitglieder, sagte Stoltenberg. „Wir sind bereit, uns mit Finnland und Schweden hinzusetzen und dieses Problem anzugehen.“ Dazu könne eine verstärkte Präsenz von Nato-Streitkräften im Ostseeraum sowie in beiden und um beide Ländern herum gehören. Das gelte zu Land, zu Wasser und in der Luft. Bei Themen wie hybriden Bedrohungen und Cyberrisiken arbeite die Nato ohnehin eng mit Finnland und Schweden zusammen, so Stoltenberg.

Anträge könnten in Kürze erfolgen

Die beiden Länder sind bislang zwar Mitglieder der Europäischen Union, nicht aber der Nato. Unter dem Eindruck von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine streben sie jetzt in das westliche Verteidigungsbündnis. Die finnische Regierung teilte am Sonntag offiziell mit, dass sie einen Beitrittsantrag stellen will. Finnland hat eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland. In Schweden sprachen sich die Sozialdemokraten, die die Minderheitsregierung stellen, am Sonntag ebenfalls für einen Nato-Beitritt aus. In beiden Ländern müssen die Parlamente noch zustimmen, was aber als sicher gilt.

Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und die schwedische Chefdiplomatin Ann Linde nahmen am Wochenende teilweise an den Nato-Beratungen in Berlin teil. Zusammen könnten beide Länder bereits in den kommenden Tagen den offiziellen Antrag einreichen. Da sie auch in militärischen Belangen schon seit vielen Jahren sehr intensiv mit der Nato zusammenarbeiten, könnte das Beitrittsprotokoll binnen weniger Wochen unterzeichnet werden.

Danach würde jedoch der Ratifizierungsprozess beginnen, der sich unter Umständen viele Monate hinziehen könnte. So lange würden Finnland und Schweden formal nicht unter dem Schutz des Artikels 5 des Nato-Vertrags stehen, laut dem die Verbündeten einen bewaffneten Angriff gegen einen von ihnen als Angriff gegen alle betrachten. Russland hatte beiden Ländern für den Fall eines Nato-Beitritts mit Konsequenzen gedroht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte nach dem Berliner Treffen mit Blick auf die beiden nordischen Länder: „Die Türen der Nato sind für sie geöffnet. Und wenn sie sich entscheiden, durch diese Tür zu gehen, dann werden wir sie mit offenen Armen empfangen.“ Die Zwischenphase bis zum formalen Beitritt solle so kurz wie möglich gehalten werden.

Die Türkei hat noch Vorbehalte

„Deshalb werden wir als Bundesrepublik in einem Fast-Track-Verfahren vorgehen“, so Baerbock weiter. Sie stellte einen Beschluss des Bundeskabinetts „in kürzester Zeit“ in Aussicht. Es solle zudem eine Sondersitzung des Bundestages geben. Die Regierung hat nach eigenen Angaben bereits Kontakt zur Opposition aufgenommen. Baerbock sagte, Ziel sei, „dass wir als eines der ersten Länder ratifizieren können“. Man wolle „Zugkraft“ entwickeln für andere Nato-Partner.

Vorbehalte gegen die Erweiterung gibt es bislang lediglich in der Türkei. Deren Außenminister Mevlüt Cavusoglu verlangte bei dem Treffen in Berlin Unterstützung im Kampf gegen die militante Kurdenorganisation PKK sowie die Kurdenmiliz YPG in Syrien. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits am Freitag gesagt, skandinavische Länder seien geradezu „Gasthäuser für Terrororganisationen“.

US-Außenminister Antony Blinken sagte, er sei „sehr zuversichtlich“, dass in dieser Frage ein Konsens erreicht werde. Ähnlich äußerte sich Jens Stoltenberg: „Alle Verbündeten fühlen die historische Bedeutung des Moments. Das ist eine historische Gelegenheit, die wir ergreifen müssen.“