Im Petrovsky-Markt treffen sich russische Einwanderer. Foto: red

Der US-Präsident will jungen Migranten das Bleiberecht nehmen. Viele ältere russische Einwanderer heißen das gut. Ein Besuch beim Petrovsky Market, der ein Treffpunkt für die russischsprachigen Einwanderer in Philadelphia ist.

Philadelphia - Die schmalen Glastüren zum Petrovsky Market öffnen sich wie Tore zu einer anderen Welt. Draußen amerikanisches Vorstadtidyll mit akkurat gestutztem Rasen vor den flachen Einfamilienhäusern und US-Fähnchen im Blumenbeet. Drinnen Kaviar aus Russland, Torten aus der Ukraine, salziges Mineralwasser aus Georgien, rundes Fladenbrot aus Usbekistan. Aus den Lautsprechern im Supermarkt tönt die Werbebotschaft einer Migrationsanwältin. Dillduft weht aus der Gemüseecke in Kundennasen. Willkommen an der Bustleton Avenue im Nordosten Philadelphias, wo das russische Leben in den Vereinigten Staaten besonders sichtbar ist. Apotheker, Schuhhändler oder Friseure werben mit kyrillischen Schildern um Kundschaft. Die Bustleton Avenue ist die Adresse für alle in Amerika, die einst aus dem Osten kamen, um ihr Glück im Westen zu finden — und die sich trotzdem nach einem Stück alter Heimat sehnen.

Die Zuwanderer aus Russland rücken in den Fokus

Die Menschen stammen keineswegs allein aus Russland, sondern auch aus der Ukraine, Moldau, Georgien und anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Sie verbindet das historische Erbe — und die gemeinsame Sprache, was sie kurzerhand zu den Russen in Amerika macht. In Philadelphia macht die russischsprachige Gemeinde in einigen Bezirken bis zu einem Drittel der Bevölkerung aus, mehrere Zehntausend leben in Philadelphia und dem Umland, mit wachsender Tendenz. Mehr als vier Millionen Amerikaner haben familiäre Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion.

Seitdem Donald Trump im Weißen Haus regiert und laufend neue Details in der Affäre rund um die mögliche Einmischung des Kremls in die US-Wahl sowie Kontakte zwischen dem Trump-Lager und Moskau ans Tageslicht kommen, rücken diese Zuwanderer in den Fokus. Andrej Voloshin ist in den Petrovsky Market gekommen, um zwischen den Theken mit geräuchertem Fisch und Schaschlikspießen ein paar schnelle Einkäufe zu erledigen. Der 35-Jährige mit rundlichem Gesicht und Zahnlücke ist vor zehn Jahren aus Kiew nach Philadelphia ausgewandert. Heute betreibt er ein Fliesengeschäft gleich neben dem Supermarkt. Seinen richtigen Namen möchte er nicht verraten, wie so viele hier. An der Bustleton Avenue bleibt man gerne unter sich.

Viele setzen die Demokraten gleich mit Sozialisten

„Trump ist nicht gut für Amerika“, findet Voloshin. „Der sagt einmal dies, einmal das.“ Der junge Geschäftsmann erwartet in den kommenden Jahren keine Fortschritte für sein Land. Gleichzeitig fürchtet er sich vor einer zu großen Nähe zwischen Trump und Putin — selbst wenn sich deren Verhältnis zuletzt weniger freundschaftlich entwickelt hat, als viele erwartet hatten. Voloshin ist sicher, dass der Kreml hinter den Cyberattacken zur Wahlbeeinflussung stecken muss. Eine Meinung, mit der Voloshin rund um den Petrovsky Market eher die Ausnahme ist. Ungewöhnlich für das demokratisch dominierte Philadelphia: Die Sympathien der russischsprachigen Amerikaner liegen in der Mehrheit bei den Republikanern. Die Demokraten setzen viele gleich mit Sozialisten, vor denen die Einwanderer zu Sowjetzeiten flohen.

Nur ein paar Schritte vom Petrovsky Market, im Hinterraum eines Parfümgeschäftes, sitzt Gary Vulakh, breiter grauer Schnauzbart, kurz rasierter Haarkranz. Auch er kam aus Kiew nach Philadelphia, allerdings schon vor fast 40 Jahren, als Moskau den Eisernen Vorhang für Juden in der Sowjetunion ein wenig anhob. Vulakh betreibt heute eine winzige Werkstatt, in der er Schmuck repariert. Dass Russland auch nur irgendeinen Einfluss auf die Wahl in seinem Land genommen hat, glaubt er nicht: „Könnten die so etwas überhaupt?“

Kritik an angeblich unnötigen Staatsausgaben

Der 57-Jährige unterstützt Trump voll und ganz. Gewählt hat er nicht – weil er nicht glaubte, dass seine Stimme einen Unterschied mache –, aber er hat sich „gefreut, dass Trump gewonnen hat“. Für den Amtsvorgänger hat Vulakh weniger übrig. Die Demokraten würden die USA bestehlen, klagt er und meint vor allem unnötige Staatsausgaben wie etwa den, in seinen Augen zu großen, Mitarbeiterstab der früheren First Lady Michelle Obama. Trump hingegen habe sein eigenes Vermögen und gebe nicht das Geld der Steuerzahler aus.

Vulakh versteht nicht, „wie man gegen Trump sein kann“: „Zehn Monate sind seit der Wahl vergangen, und er versucht seinen Job zu machen.“ Die Sympathien für Trump sind dabei keineswegs gleichzusetzen mit einer Unterstützung für Putin, den viele in der russischsprachigen Gemeinde ablehnen. Sie sind aber grundsätzlich für freundschaftliche Beziehungen, damit es nicht zum Krieg kommt. Vulakh etwa hofft, dass Trump in der Außenpolitik auf seine Berater hört. Für Putin hat er wenig übrig, „Terrorist“ ist nur eine seiner Bezeichnungen.

Eine eigene Zeitung für die russischsprachige Gemeinde

„Trump will das Beste für das Land“, glaubt auch Malvina Yakobi, die aus der georgischen Hauptstadt Tiflis nach Amerika kam. Vor mehr als zwanzig Jahren hat sie die Zeitung „Philadelphia News“ mitgegründet, so etwas wie das Zentralorgan der russischsprachigen Gemeinde vor Ort. Ihre kleine Redaktion befindet sich in einem schmucklosen Bürobungalow an einer breiten Ausfallstraße gleich hinter der Stadtgrenze.

„Viele Amerikaner fühlten sich von der Politik vergessen, viele sind von Obama enttäuscht“, erklärt Yakobi, wieso so viele hier Trump unterstützen, selbst wenn dessen Politik zum Teil bisweilen eher an die Nachfolgestaaten der Sowjetunion erinnerte als an das bekannte Demokratieverständnis der USA — vom Umgang mit den Medien bis hin zum Nepotismus. Die Vorgängerregierung sei korrupt gewesen, ist die 57-Jährige mit den blonden Haaren und der dick gerahmten Brille überzeugt. Die Berichterstattung der „Mainstream-Medien“ erinnere sie an die Propaganda, die sie nur zu gut aus der Sowjetunion kenne.

Putin sei „nicht so mächtig, wie ihn die Medien darstellen“

In der Russlandaffäre werde eine Schuld Trumps nur vermutet – und nun versuche man, einen Beweis zu finden. Die Anschuldigungen nennt Diane Glikman einen „Witz“. Die 45-Jährige kam im Alter von fünf Jahren aus Kiew in die USA. Sie moderiert eine russischsprachige Sendung im Internet, für die sie mit den Zeitungskolleginnen zusammenarbeitet. Die angeblichen Verstrickungen Russlands mit den USA ließen Putin als „den Größten der Welt“ erscheinen, findet Yakobi: „Dabei ist er nicht so mächtig, wie ihn die Medien darstellen.“ Sie kann sich nicht vorstellen, dass Russland die Wahl beeinflusst haben könnte – vielmehr handele es sich um ein Ablenkungsmanöver der Demokraten und der Medien, an dessen Ende Trumps Amtsenthebung stehen solle. Auch sie verlangt, dass man dem Präsidenten und seiner Politik zunächst eine Chance geben müsse – auch in der Zuwanderungsfrage.

Lieber einen Geschäftsmann als einen Politiker als Präsidenten

„Wir haben fünf, sechs Jahre gewartet, bis wir die Staatsbürgerschaft bekommen haben“, sagt Glikman, weswegen sie heute selbst für strengere Kontrollen und Gesetze ist, ganz in Trumps Sinne. Der Präsident habe nichts gegen Einwanderer, glaubt sie, solange diese bereit seien zu arbeiten und den legalen und langwierigen Einwanderungsprozess zu durchlaufen — so wie die Zuwanderer im Nordosten Philadelphias. Yakobi und Ratnovsky gingen zunächst putzen, bevor sie ihre Zeitung gründeten. Sie erinnern sich an die Anstrengungen, die sie auf sich nahmen, um etwas zu erreichen, ohne Hilfe des Staates in Anspruch zu nehmen. Obama hingegen habe jeden einfach so ins Land gelassen, kritisieren sie.

Trump passe vielleicht nicht optimal ins Weiße Haus, aber er wisse, was die Menschen im Land wollen, findet Glikman. Ihr sei ein Geschäftsmann als Präsident lieber als viele andere Politiker. Trump habe bereits „mehr geschafft, als andere Politiker versprochen haben“, sagt sie mit Blick etwa auf die Arbeitslosenzahlen seit seinem Amtsantritt. Dass die Erholung des US-Arbeitsmarktes schon lange vor der Präsidentschaft Trumps eingesetzt hat, nimmt Glikman nicht wahr.

So manifestiert sich, dass es vielen Trump-Anhängern eigentlich um die Vorstellungen und Werte geht, die er verkörpert. Die Jüngeren der russischsprachigen Zuwanderer sagen gerne: Viele der Älteren hätten ein Stück der Sowjetunion mit in die USA gebracht. Sie meinen den Wunsch der Menschen nach einem starken Anführer. Die Bewunderung für einen, der es in den USA zu etwas gebracht hat. Für sie ist Trump die Personifizierung ihrer konservativen Ideale.