Die russischen Luftangriffe in Syrien reißen nicht ab. Foto: Hadi Al-Abdallah

Seit Mittwoch bombardieren auch russische Jets Ziele in Syrien. Moskau will damit nach eigenen Angaben den IS bekämpfen. Damaskus feindlich gesonnene Aktivisten melden jedoch Angriffen auf gemäßigte Kräfte und getötete Zivilisten.

Paris/Damaskus - Deutschland, die USA und weitere Verbündete haben die russischen Luftangriffe in Syrien kritisiert. Die Staaten drückten ihre „tiefe Sorge“ über Angriffe in Hama, Homs und Idlib aus: Diese hätten zu zivilen Opfern geführt und nicht der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gegolten, heißt es in der am Freitag verbreiteten Erklärung. „Diese Militäraktionen stellen eine weitere Eskalation dar und werden nur noch mehr Extremismus und Radikalisierung schüren.“

Auch Frankreich, Großbritannien, Katar, Saudi-Arabien und die Türkei stehen nach Angaben des Auswärtigen Amtes hinter der Stellungnahme. „Wir rufen die Russische Föderation auf, ihre Attacken auf die syrische Opposition und Zivilisten sofort einzustellen und ihre Anstrengungen auf den Kampf gegen den IS zu konzentrieren.“

Beim ersten Angriff der russischen Luftwaffe auf die nordsyrische IS-Hochburg Al-Rakka starben am Freitag mindestens zwölf Anhänger der Extremisten, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, russische Jets hätten eine IS-Kommandozentrale südwestlich von Al-Rakka zerstört. In den vergangene 24 Stunden habe Russland bei 18 Luftangriffen in Syrien zwölf IS-Stellungen bombardiert.

Den syrischen Menschenrechtsbeobachtern zufolge waren bei den russischen Luftangriffen am Donnerstag mindestens sieben Zivilisten getötet worden. Unter den Toten in der nordsyrischen Provinz Idlib seien auch ein Kind und zwei Frauen gewesen. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete hingegen westliche Berichte über den Tod von Zivilisten bei den Angriffen als feindliche Propaganda.

Clinton spricht sich für Flugverbotszone aus

Russland hatte am Mittwoch mit Luftangriffen in Syrien begonnen. Moskau will damit nach eigenen Angaben den IS und andere Terroristen bekämpfen. Neben dem Westen werfen jedoch auch syrische Aktivisten Moskau vor, moderate Gegner des Machthabers Baschar al-Assad angegriffen zu haben.

Die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte sitzt in England und stützt sich bei ihren Meldungen über den syrischen Bürgerkrieg auf eine Netz von Informanten in Syrien. Ihre Informationen haben sich in der Vergangenheit immer wieder als sehr zuverlässig erwiesen.

Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärte, Russland unterscheide bei seinen Angriffen nicht zwischen den verschiedenen Regimegegnern. Die ersten Luftschläge hätten nicht den IS, sondern andere Rebellen getroffen, darunter den syrischen Al-Kaida-Ableger, sagte er dem Deutschlandfunk. Russlands Verlautbarungen, es gehe um den IS, seien eine „glatte Lüge“.

Nach Einschätzung von Emile Hokayem vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) nutzt Putin Anti-IS-Rhetorik, um Verwirrung zu stiften. „Es ist kein Verdacht: Russland will zuallererst das Überleben von Machthaber Baschar al-Assad sichern“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die demokratische US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton sprach sich unterdessen abweichend von der bisherigen US-Politik für eine Flugverbotszone und einen humanitären Korridor in Syrien aus. So würde sie als Präsidentin versuchen, das Blutbad am Boden und aus der Luft zu stoppen, sagte sie dem Sender WHDH. Die US-Regierung lehnt eine Flugverbotszone, die auch die Türkei fordert, bisher ab. Sie würde für syrische Flugzeuge gelten; die USA und ihre Verbündeten fliegen selbst Luftangriffe und Aufklärungseinsätze in Syrien.