Besigheim Margit Stäbler-Nicolai will auch an weitere Opfer desnationalsozialistischen Terrors in der Stadt erinnern. Von Ralf Recklies

Besigheim Margit Stäbler-Nicolai will auch an weitere Opfer desnationalsozialistischen Terrors in der Stadt erinnern. Von Ralf Recklies

Ein Stolperstein des Kölner Künstlers Gunter Demnig wird künftig in der Besigheimer Bahnhofstraße vor dem Haus mit der Nummer 17 an die Ermordung von Ruprecht Villinger erinnern. Am 18. Juni 1940 war der Sohn des Besigheimer Medizinalrats Eberhard Villinger in Grafeneck durch die Nationalsozialisten (NS) ermordet worden. Demnig wird den Stolperstein heute um 11 Uhr im Beisein zahlreicher Verwandter vor dem einstigen Elternhaus des NS-Opfers verlegen.

Die Besigheimer Künstlerin Margit Stäbler-Nicolai war zufällig auf Ruprecht Villinger und dessen Geschichte aufmerksam geworden. In Fragmenten eines Tagebuchs der Stiefmutter Ruprecht Villingers fand sie Anfang dieses Jahres erste Hinweise auf den unnatürlichen Tod des am 12. November 1914 in Besigheim Geborenen und recherchierte dessen Geschichte.

Zahlreiche Zufälle spielten Stäbler-Nicolai immer neue Zeitzeugen, Informationen und Unterlagen zu. Sie hat zudem Briefe und Fotos von Verwandten erhalten. Auf diese Weise war es ihr möglich, das Leben Ruprecht Villingers nachzuzeichnen - von seiner zu frühen Geburt mit Handicap als Sieben-Monats-Embryo bis zum Tod mit 25 Jahren. Der vierte Sohn des Stadtapothekers war von 1931 bis 1933 in der Anstalt Stetten untergebracht, anschließend - bis zur Vergasung in Grafeneck - war er in der Nervenheilanstalt Schussenried. Den Eltern wurde in einem Brief mitgeteilt, dass Ruprecht in Folge eines Mandelabszesses mit nachfolgender Sepsis am 16. Juli 1940 verstorben sei.

Margit Stäbler-Nicolai hat die Nachforschungen nicht nur aus persönlichem Interesse gemacht. Sie hält es auch für wichtig, "die Vergangenheit Besigheims während der Zeit des Nationalsozialismus" aufzuarbeiten. "Das ist bisher nicht passiert." Nicht nur ein Stolperstein wird daher gesetzt. Auch eine Ausstellung und eine Begleitbroschüre hat die Künstlerin erarbeitet und dabei auch Unterstützung von Schülern der Klasse 9 d der Realschule gehabt. Das Ergebnis ist von Sonntag an im Bahnhof zu sehen. Eröffnung: 14.30 Uhr.

Viel Arbeit und 7000 Euro wurden in das Projekt samt Begleitprogramm investiert. So finden von heute an auch Stadtrundgänge auf Familie Villingers Spuren, Vorträge und ein Zeitzeugen-Café statt.

Mit dem vorläufigen Ende des Projektes steht Margit Stäbler-Nicolai bereits am Anfang einer neuen Herausforderung. Auf vier weitere bislang unbekannte Opfer des Nationalsozialismus aus Besigheim ist die Künstlerin gestoßen. Sie will, dass auch an diese mit Stolpersteinen erinnert wird. Denn die Taten der Nationalsozialisten dürfen laut Stäbler-Nicolai "nie in Vergessenheit geraten". Und die Stadtverwaltung wird sie auch vor eine Herausforderung stellen. Sie will erreichen, dass der Todestag Ruprecht Villingers nun auch in den amtlichen Dokumenten vom 16. Juli auf den 18. Juni 1940 korrigiert wird.