Die Öffentlich-Rechtlichen haben eine Reform nötig. Foto: Arno Burgi

ARD und ZDF müssen sich reformieren, sonst droht ihnen die Abschaffung. In einem offenen Brief plädieren Wissenschaftler für einen Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Tatsächlich soll es eine Strukturreform geben, doch eine Revolution ist nicht zu erwarten.

Stuttgart - Rund fünfzig Wissenschaftler haben sich kürzlich in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten für einen „starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ eingesetzt. Wenn es ihn nicht gäbe, „müsste man ihn gerade jetzt erfinden“, heißt es in dem Schreiben, denn ARD und ZDF seien „wichtiger denn je“. Die Unterzeichner fordern eine Reform, die „nicht in erster Linie von Einsparmöglichkeiten getrieben sein“ dürfe.

Das ist ein frommer Wunsch: Am kommenden Montag legen ARD, ZDF und Deutschlandradio ein Papier vor, in dem sie ihre Überlegungen für eine Strukturreform beschreiben. Selbstverständlich erwarten die Medienpolitiker Reformvorschläge, mit denen sich Gebührengelder sparen lassen, schließlich soll der Rundfunkbeitrag nach Möglichkeit stabil bleiben.

Eine Revolution wird es allerdings nicht geben, nicht einmal eine kleine; das läge auch gar nicht in der Macht der Sender. Einzelne Anstalten können der Politik zwar mitteilen, dass sie beispielsweise zu einer Fusion bereit wären, aber die Entscheidung liegt bei den Landesparlamenten der betroffenen Bundesländer. Deshalb ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich der Saarländische Rundfunk dem SWR anschließen wird oder Radio Bremen dem NDR, wie immer wieder mal gefordert wird. Zum einen hat sich herausgestellt, dass die Spareffekte längst nicht so groß waren wie erhofft, zum anderen wären Fusionen auch gar nicht im Sinn der jeweiligen Landespolitiker; neben den regionalen Tageszeitungen sind die Angebote der Landesrundfunkanstalten die einzigen Plattformen, auf denen sie sich zeigen können.

Ein überschaubares Sparpotenzial

An der Zahl von sieben Regionalprogrammen würde sich ohnehin nichts ändern. Die Idee, für alle Dritten einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, in den die landesspezifischen Sendungen gebettet werden, hat zwar einen gewissen Charme, aber nur ein überschaubares Sparpotenzial: Bei den Fernsehfilmen, mit denen die Landessender ihr Programm auffüllen, handelt es sich in der Regel um Produktionen, für die nach ihrer Erstausstrahlung im Ersten keine Wiederholungshonorare fällig werden. Außerdem würden die einzelnen ARD-Mitglieder zu Recht auf ihre Eigenständigkeit pochen, zumal ein Programmschema wie das des WDR mit seinen vielen Reportagen und Magazinen gar nicht kompatibel mit den anderen wäre.

Der größte Spareffekt ließe sich derzeit vermutlich mit Kooperationen innerhalb des Senderverbunds erzielen, aber hier setzt das Kartellrecht gewisse Grenzen, wie WDR-Intendant Tom Buhrow kürzlich vor seinem Rundfunkrat feststellte; dies erschwere die geforderten Strukturreformen. Trotzdem kündigte er das „weitreichendste Reformprojekt“ an, das die ARD je unternommen habe. Es umfasse sechs Projektfelder und stelle einen „echten Richtungswechsel“ im öffentlich-rechtlichen System dar. Auch MDR-Intendantin Karola Wille, noch bis Ende des Jahres ARD-Vorsitzende, spricht von einem „tief greifenden Reformprogramm“. Die ARD wolle „die Chancen des technologischen Wandels“ nutzen und „auf strategisch wichtigen Feldern noch arbeitsteiliger werden“; dabei nennt sie Stichworte wie „die IT-Landschaft der Zukunft“ oder „ein gemeinsames crossmediales Datensystem“. Der ARD-Verbund solle „noch stärker kooperativ und auch mediengattungsübergreifend arbeiten und eine technische Infrastruktur für die digitale Produktentwicklung nutzen“. Im Klartext heißt das: Die Mitarbeiter der einzelnen Sparten Fernsehen, Hörfunk und Internet sollen nicht länger jeder für sich werkeln, sondern vernetzt denken. Viele Mitgliedssender beherzigen dieses von Wille sogenannte Grundprinzip „Arbeitsteiligkeit und stärkere Kooperation“ zwar längst, aber bislang vor allem innerhalb der jeweiligen Häuser. Es sei jedoch „eine Illusion, dass so auf einen Schlag Milliarden Euro Einsparungen zusammenkommen“.

Unvermeidliche Reformen

Ein weiterer Punkt, der bei Reformüberlegungen immer wieder zur Sprache kommt, ist die Anzahl der TV-Programme. ARD und ZDF betreiben insgesamt 18 Kanäle. Politisch ausdrücklich gewollte Angebote wie der deutsch-französische Kulturkanal Arte oder das deutsch-schweizerisch-österreichische Gemeinschaftsprojekt 3 Sat sind unantastbar, ebenso der Kinderkanal. Gerade die Zahl der Digitalangebote mit ihren zum Teil winzigen Marktanteilen könnte allerdings reduziert werden, zumal One (ARD) und ZDF Neo größtenteils aus Wiederholungen bestehen. Beide richten sich an ein jüngeres Publikum; hier wäre ein gemeinsame Gestaltung ebenso vorstellbar wie bei Tagesschau 24 und ZDF Info. Während Phoenix dank seiner Live-Übertragungen aus Bundestag und Europaparlament seine Berechtigung hat, könnte aus den beiden Info-Angeboten ein echter Nachrichtensender werden.

Bleibt noch das Programm, bei dem Einsparungen jedoch zwangsläufig zulasten der Qualität gingen. Am ehesten böte sich der Bereich Sport an, weil Übertragungsrechte von Fußballturnieren oder Olympischen Spielen nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch in Relation etwa zu Fernsehfilmen und Serien richtig teuer sind: Während fiktionale Produktionen vielfach wiederholt werden können, sind Sportwettbewerbe singuläre Ereignisse. Andererseits haben sie eine große Bedeutung für die gesellschaftliche Akzeptanz der Sender.

ARD und ZDF dürfen nicht kaputtgespart werden

Gemessen an den Gesamteinnahmen von über acht Milliarden Euro sind die Ausgaben jedoch vergleichsweise bescheiden; die ARD zum Beispiel hat zwischen 2013 und 2016 im Schnitt 250 Millionen Euro pro Jahr für Sportrechte ausgegeben. Das ZDF wiederum spart ab Sommer 2018 gut 50 Millionen Euro für die Champions League, die nun im Bezahlfernsehen verschwindet; das ist selbst für jene Fußballfans, die gern über „Zwangsgebühren“ schimpfen, eine schlechte Nachricht.

Wie auch immer die unvermeidlichen Reformen aussehen werden: ARD und ZDF dürfen nicht kaputtgespart werden. Mittelfristig gibt es ohnehin ein viel wichtigeres Ziel. Der Altersdurchschnitt des Publikums der Hauptprogramme liegt bei gut sechzig Jahren. Die beiden Flaggschiffe müssen dringend ihre Akzeptanz bei Zuschauern zwischen dreißig und fünfzig Jahren erhöhen. In dieser Altersgruppe ist RTL seit 1992 ununterbrochen Marktführer. Wenn es ARD und ZDF nicht gelingt, dieses Segment zu erobern, erledigt sich die Zukunftsfrage langfristig von selbst.