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Turbulenzen um die Wahl des neuen SWR-Verwaltungsratschefs - Stechl nun neuer Chef.

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung ist seit einem halben Jahr gewählt, aber das selbst bestimmte Bild von der Traumhochzeit bekommt immer wieder Risse - zum Beispiel wegen des Streits um Stuttgart 21 oder wegen der Sparpläne für den Landeshaushalt. Auf einem anderen Gebiet mag man sich freilich nicht länger angreifbar machen. Am Freitag wurde Hans-Albert Stechl, Anwalt aus Freiburg, zum neuen Verwaltungsratschef des Südwestrundfunks (SWR) und damit zum obersten Kontrolleur des gebührenfinanzierten Senders gewählt. Der 62-Jährige tritt damit die Nachfolge von Ex-Minister Ulrich Müller (CDU) an, den Grün-Rot im Frühsommer kurz vor der Intendantenwahl von seinem Posten abberufen hatte. Dies hatte zu großer Unruhe im Sender geführt und den Verdacht genährt, die neue Regierung wolle den öffentlich-rechtlichen Sender für ihre Zwecke missbrauchen.

Am Freitag beteuerten Vertreter von Grünen und SPD, mit der Wahl von Stechl an die Spitze des prestigeträchtigen Verwaltungsrats - er wacht über die Finanzen und Personalentscheidungen des zweitgrößten ARD-Senders - sei dies endgültig widerlegt. Nach Recherchen unserer Zeitung hatte es im Vorfeld aber sehr wohl heftige Auseinandersetzungen um den Posten gegeben. Denn lange Zeit galt es quasi als ausgemacht, dass Wolfgang Drexler (SPD) den Job erhält. Der 65-Jährige gehört den SWR-Aufsichtsgremien seit 1998 an. Doch die Grünen winkten ab. Für sie ist Drexler ein rotes Tuch. Immerhin hatte er sich in seiner Zeit als Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart 21 immer wieder für das Milliardenprojekt starkgemacht - auch im SWR.

Das hatte der neue Koalitionspartner offenbar im Hinterkopf, als Drexler jüngst signalisierte, er würde gerne Chef des SWR-Kontrollgremiums werden. Nach Recherchen unserer Zeitung soll Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) - selbst Mitglied im Verwaltungsrat und enge Vertraute von Ministerpräsident Winfried Kretschmann - dem SPD-Lager in den SWR-Aufsichtsgremien klargemacht haben, dass man Drexler nicht wählen werde. Offizielle Begründung: Der Top-Posten solle staatsfern besetzt werden. Das beteuerte auch der Kunststaatssekretär und Medienexperte der Grünen, Jürgen Walter, am Freitag gegenüber unserer Zeitung. "Herr Drexler hätte mit seiner Erfahrung die Aufgabe sicher gut gemacht", so Walter, "aber wir wollten bewusst jemanden, der nicht so regierungsnah ist."

Deshalb, so Walter, habe man sich im Vorfeld der Wahl für Stechl als neuen Verwaltungsratschef ausgesprochen. Eine Rechnung, die aufging. Drexler trat erst gar nicht an. Und Stechl, der gelernte Journalist, der für die Gewerkschaft Verdi in den SWR-Gremien sitzt, erhielt am Freitag im Verwaltungsrat zehn von 14 Stimmen. Angesichts des Hickhacks hatte das CDU-nahe Lager erst gar keinen Gegenkandidaten aufgestellt. Stechls Fachkenntnis wird quer über alle Lager hinweg geschätzt. Das pikante Detail: Auch er ist SPD-Mitglied. Kein Wunder, dass mancher im SWR die Nichtnominierung von Drexler deshalb als eine Retourkutsche sieht: "Das war die späte Rache der Grünen", so ein Insider.