Muhammad Ali (re.) zermürbt George Foreman – und dann schlägt er zu Foto: dpa

1974 tragen Muhammad Ali und George Foreman beim Rumble in the Jungle auf Einladung von Zaires Diktator Mobuto den bis dato bekanntesten Boxkampf aus. Es konnte nur einen Sieger geben – es ist erstaunlicher, dass er Ali heißt.

Stuttgart - Mehr als zehn Jahre liegen zwischen dem 25. Februar 1964, dem Tag, an dem sich der junge Cassius Clay gegen Sonny Liston zum ersten Mal zur Krone des Weltmeisters im Schwergewicht boxt, und dem 30. Oktober 1974, dem Tag, an dem er als Muhammad Ali auf den Thron steigen will. Fünf Wochen hat er wegen einer Verletzung seines Gegners mit seiner Entourage in Zaire warten müssen, nun kommt es im Stade du 20 Mai schließlich zum Kampf. Als Ali gegen Weltmeister George Foreman in den Ring steigt, ist es vier Uhr nachts. Sein Gegner: der ungeschlagene Champ mit mörderischem Punch. „Ein Monster“, wie Ali sagt. Und er, „der Größte“, wird er wieder „wie ein Schmetterling schweben und wie eine Biene stechen“? Die Boxwelt ist sich einig: mit 32 Jahren ist Ali nur Außenseiter. Eine Biene ohne Stachel.

Sportlich gesehen ist der Kampf eine klare Sache: der Herausforderer hat sich das Recht erboxt, den Titelverteidiger zu fordern. Foreman ist in 40 Profikämpfen ungeschlagen, 37 Mal hat er seine Gegner mit Knockouts gebrochen. Zwei Jahre zuvor hat er sich den Titel geholt, als er Joe Frazier in zwei Runden gleich sechs Mal niederschlägt. Das ist Foreman: ein Schläger. Ali hingegen hat seinen Titel 1967 kampflos verloren, weil er sich weigerte, in den Vietnamkrieg zu ziehen. Er polarisiert, benutzt den Mund wie ein Maschinengewehr, schießt gegen Rassentrennung und predigt den Islam. Mit seiner Zunge ist er noch schneller als mit den Füßen, die ihn mit dem „Ali Shuffle“ durch den Ring fliegen lassen. Wird der Clown, für den viele ihn halten, vor den Schlägen weglaufen können? „Ali boma he“ schreien die Kinder Zaires, die ihn so gerne würden siegen sehen: „Ali, töte ihn.“ Doch Ali weiß: Wenn ihn Foreman nur ein Mal richtig trifft, wird das sein eigener Sekundentod sein.

So kommt es, wie es kommen muss. Sieben Runden lang drischt Foreman auf den Herausforderer ein. Die brutale Wucht von 220 Pfund Lebendgewicht entlädt sich in endlosen Bombardements gegen Alis Körper. Das sonst leichtfüßige Großmaul zeigt keine schmetterlingsgleiche Eleganz. Ali tänzelt nicht, er hängt in den Seilen. Die Taktik wird man Rope-A-Dope nennen: Zeitweise liegt er so weit im Seil, dass er, würde er sich noch ein wenig weiter zurücklehnen, in der ersten Reihe Platz nehmen müsste.

Doch nur so entkommt er Foremans Schlägen. Und auch das ungestüme Hämmern auf Alis Flanken bleibt wirkungslos. Der Herausforderer hat seine Verteidigung an dieser Stelle gezielt trainiert – und noch einen Trick hat „der Größte“ in petto: „Ist das schon alles, George?“, brüllt er Foreman zu Beginn in der sechsten Runde ins Ohr. Während Alis Körper die Schläge wegsteckt, arbeitet sein Mund auf Hochtouren. Er will das Monster reizen.

Alis Punch trifft mit der Wucht eines panzerbrechenden Geschosses

Und Foreman tappt in die Falle, prügelt wie ein Berserker auf seinen Gegner ein. Doch mit jedem Schlag kommt er doch nur seinem eigenen Ende näher. „Ich wusste nicht, wie es ist, über fünf, sechs Runden gehen zu müssen“, sagt der Meister des K. o. 40 Jahre später und fügt hinzu: „Es war ein Albtraum.“ Kurz vor fünf Uhr am 30. Oktober 1974 ist der Bulle müde geworden, so müde, dass er sein Ende nicht kommen sieht.

Es ist die achte Runde, noch 13 Sekunden bis zum Gong. Beide Kämpfer stehen am rechten Rand des Rings. Ali hängt in den Seilen, plötzlich geht ein Ruck durch dessen Körper, über Foremans linke Hand hinweg findet die Rechte ins Ziel. Das zeigt Wirkung, Foreman wankt. Blitzschnell schickt Ali einen Jab hinterher, einen gemäßigten Schlag mit der linken Führhand. Sie soll Foremans Kopf in Position bringen und schon rauscht rechts der Punch heran, trifft mit der Wucht eines panzerbrechenden Geschosses. Die Explosion in Foremans Hirn braucht eine Sekunde, um alle Synapsen durchzubrennen. Diese Spanne nimmt sich auch sein massiger Körper, der mit der Eleganz eines abstürzenden Satelliten einen Tanz um seine eigene Achse vollführt. Ali folgt synchron, die Rechte schon wieder zum letzten Schlag erhoben. Doch der ist nicht mehr notwendig. Als Foreman auf den Boden knallt, sind es noch zehn Sekunden bis zum Ende der Runde. Ali reißt die Arme hoch. „Unglaublich“, schreit der Kommentator ins Mikrofon. „Ali boma he“, brüllt das Stadion, während der Himmel herabstürzt und den Schauplatz des Rumbles in einer Dschungelflut ertränkt.

Jahre wird George Foreman brauchen, um die Depression zu überwinden, in die er nach dieser Nach stürzt. Muhammad Ali wird es trotz eines dritten WM-Gewinns im Jahr 1978 nie mehr schaffen, einen ähnlich glorreichen Kampf zu bestreiten. Das braucht er auch nicht. Spätestens seit Kinshasa ist er zum Popstar geworden. Ein Superheld, der sich bald einem viel brutaleren Gegner stellen wird müssen: dem eigenen Körper.

Seit über 30 Jahren kämpft Ali nun schon gegen Parkinson. Mittlerweile kann er kaum noch sprechen. Seine Popularität ist dennoch Jahr um Jahr gewachsen – auch, weil Hollywood seine Geschichte immer wieder aufs Neue erzählt. Gerade ist „I am Ali“ in den Kinos angelaufen, ein mitreißender Dokumentarfilm, der den „Größten“ als untreuen Ehemann, aber als liebevollen Vater zeigt. Längst hat er für Amerika einen Status erreicht, wie ihn Nelson Mandela für sein Land hatte. Am 30. Oktober hat sich Besuch angesagt. George Foreman will vorbeikommen. Gemeinsam schauen sie sich noch einmal den Kampf in Kinshasa an. Der Schmetterling wird nie mehr schweben, aber die Biene in ihm wird hellwach sein.