Gartenarbeit ist die Leidenschaft von Harald Eggert, Karin Böhmerle, Dieter und Erika Glemser und Hans-Joachim Verlei (von links). Im Verein wollen sie Jung und Alt Lust Foto: Ines Rudel

Mit einem Mistelprojekt und Kistengärten spricht der Obst- und Gartenbauverein Ruit im 100. Jahr des Bestehens Generationen an. Erfolgreich sind Einblicke in die Gin-Brennerei.

Junge Familien und Frauen für die Gartenarbeit zu begeistern, das reizt Karin Böhmerle. Sie ist seit 2017 Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins (OGV) Ruit. „Früher waren eher die Männer Mitglied, und die Frauen haben sich im Hintergrund um die Gäste gekümmert“, sagt die Vereinschefin. Deshalb will sie Vorbild sein und mehr Frauen zum aktiven Mitmachen bewegen. Mit einem Festakt in der Waldheimhalle hat der Verein nun sein 100-jähriges Bestehen gefeiert.

 

Gerade in Zeiten des Klimawandels findet Harald Eggert, der zweite Vorsitzende, dass die Arbeit der Obst- und Gartenbauvereine wichtiger denn je ist. „Immer mehr Streuobstwiesen verwildern, weil sie keiner mehr pflegt.“ Junge Leute hätten keine Zeit mehr, sich um die aufwendige Pflege zu kümmern. Da denkt Eggert zum Beispiel an die Mistelplage. Die schädlichen Pflanzen, die als Weihnachtsschmuck in Wohnzimmern beliebt sind, zerstören die Obstbäume. Mit der Stadt Ostfildern, den OGVs in Kemnat, Nellingen und Scharnhausen arbeitet der Verein zurzeit an einem Mistelprojekt. „Es geht darum, die wertvollen Bäume für die junge Generation zu erhalten“, bringt Eggert den Gedanken auf den Punkt.

Die Vorsitzende Ingrid Böhmerle spricht beim Jubiläum des Obst- und Gartenbauvereins. Foto: Dieter Glemser

Am 17. Juli 1925 wurde im Gasthaus Rössle in Ruit der Obst- und Gartenbauverein Ruit gegründet. Damals schafften die 55 Mitglieder gleich eine Obstbaumspritze an. Neben der Mörikeschule richteten sie einen Mustervereinsgarten ein. „Damals ging es hauptsächlich um die Selbstversorgung mit frischem Obst und Gemüse“, erinnert Dieter Glemser an die Anfänge. Er kümmert sich im Verein um die Öffentlichkeitsarbeit und ist gemeinsam mit seiner Frau Erika im Vorstand aktiv. Der Verein schaffte in den Folgejahren mehrere Obstbaumspritzen an, die an Mitglieder verliehen wurden.

Gartengeräte werden verliehen

Dieses Angebot macht der Verein auch heute noch. „Wir haben größere Gartengeräte angeschafft, die unsere Mitglieder dann ausleihen dürfen“, sagt Hans-Joachim Verlei. Außerdem informiert der Verein in Vorträgen über ökologisch verträglichen Obst- und Gartenbau. „Wir holen regelmäßig Expertinnen und Experten, die uns da auf den neuesten Stand bringen“, sagt Dieter Glemser. Heute achteten die Verbraucher sehr darauf, gesundes Obst und Gemüse zu essen. „Da hat sich die Spritzphilosophie geändert“, sagt Karin Böhmerle.

Der OGV Ruit punktet mit eigenem Gin in individuell gestalteten Flaschen. Foto: privat

Schnittkurse sind auch heute noch ein wichtiger Baustein im breiten Angebot des Vereins. Wie hat sich die Arbeit des OGV im Lauf der Jahrzehnte verändert? „Der Gedanke, aus Not das notwendige Obst oder Gemüse selbst zu erzeugen, ist der Idee gewichen, dass man wissen will, was man isst und es deswegen wieder selbst anbaut.“ Das Bewusstsein der Verbraucher steht nach Böhmerles Ansicht heute im Fokus des Obst- und Gartenanbaus. Die leidenschaftliche Freizeitgärtnerin hat aber auch ein Händchen für Blumen. Die Rosen und Christrosen in ihren Beeten sind ein Hingucker.

Kistengartenprojekt für die Kleinsten

„Dass man auch auf den dicht besiedelten Fildern selbst Obst und Gemüse anbauen kann, wollen wir unseren Mitgliedern niederschwellig vermitteln“, sagt Harald Eggert. Dieses Bewusstsein zu schärfen, fängt nach seiner Ansicht schon bei den Kleinsten an. Deshalb hat der OGV Ruit ein Kistengartenprojekt finanziert. Da dürfen Kita-Kinder selbst Kräuter oder Gemüse anbauen. „So sehen sie, wie alles wächst“, sagt Erika Glemser. Beim Drachenfest im Scharnhauser Park ist der Verein mit seiner Saftpresse zu Gast. Aus den frischen Äpfel selbst das köstliche säuerlich-süße Getränk herzustellen, das macht Jung und Alt viel Freude.

Genuss und Lebensqualität als Triebfeder

Obst- und Gartenbau hat für Harald Eggert viel mit Genuss und Lebensqualität zu tun. Deshalb produziert der OGV gemeinsam mit der Brennerei von Rolf Wieder in Ruit seinen eigenen Gin. Das Trendgetränk selbst herzustellen, findet Eggert spannend. Wie das geht, wird in einem Kurs erklärt. „Das kommt auch bei jungen Leuten sehr gut an“, schwärmt der Freizeitgärtner. So entwickelten sie ein Bewusstsein dafür, aus was das alkoholische Getränk besteht.

„Die Stadt mit unseren Ideen grüner machen“, das sieht Karin Böhmerle als eine wichtige Aufgabe des Obst- und Gartenbauvereins an. Deshalb haben die Mitglieder in der Grünen Mitte Johannisbeeren gepflanzt. Wenn die säuerlichen Früchte reif sind, dürfen Bürgerinnen und Bürger sie ernten. Das komme gut an, findet die Vereinschefin: „Viele Menschen aus Geschosswohnungen, die keinen eigenen Garten haben, freuen sich über das vielseitige Angebot unseres OGV im öffentlichen Raum.“

Vielseitiges Angebot

Rat und Tat
Die Aktivitäten des Obst- und Gartenbauvereins Ruit bieten ein breit gefächertes Programm, das sehr viele Interessensrichtungen abdeckt. Interessenten lernen die verschiedenen Formen des Baumschnittes und des Beerenschnittes kennen, erhalten Tipps für die Gestaltung ihres Hausgartens sowie die Auswahl der Gartenblumen, Gartengehölze, Stauden und der pflanzlichen Balkongestaltung. Beratung wird auch bei der Schädlingsbekämpfung im Garten angeboten.

Grundstücksbörse
Der OGV bietet auch eine Grundstücksbörse an. „Damit wollen wir helfen, dass sich Anbieter und Suchende von Streuobstwiesen und Gärten entsprechend orientieren und austauschen können“, sagt die Vorsitzende Karin Böhmerle. Es sei geplant, dass Besitzer oder Eigentümer von entsprechenden Grundstücken den Abgabewunsch angeben und Interessierte den Kauf- oder Pachtwunsch formulieren. Weitere Informationen auf der Homepage: www.ogv-ruit.de