Gut gelandet im Ruhestand: Hans Schmieg hat ein Hobby und Aufgaben. Foto: AP

Der Ausstieg aus dem Berufsleben fällt leichter, wenn man rechtzeitig weiß, was man tun möchte.
 

Hans Schmieg hat sich einen Traum erfüllt. Mit 63 Jahren tauschte der Bad Friedrichshaller zeitweise Hammer und Säge gegen Höhenmesser und Karabinerhaken. Der heute 82-Jährige begann mit dem Gleitschirmfliegen also in einem Alter, in dem andere in Rente gehen. „Es war ein Jugendtraum, den ich mir seit 1993 immer wieder erfüllt habe”, sagt der rüstige Rentner mit schneeweißem Haar. Als selbstständiger Mühlenbauer sorgte der sechsfache Familienvater dafür, dass alle Kinder satt wurden und eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren konnten. „Nachdem der Nachwuchs schrittweise finanziell unabhängig wurde, erfüllte ich mir diesen Traum”, erinnert sich der umtriebige Unterländer.

Seine Werkstatt hat er vor sechs Jahren zugesperrt. Die jüngste Tochter baute das alte Fachwerkhaus zum Wohnhaus aus. „Natürlich war mir das Fliegen wichtig”, erzählt Schmieg im Rückblick. Rückhalt gaben ihm jedoch seine Familie und sein Engagement in der evangelisch-methodistischen Gemeinde in Weinsberg, in der er seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlich mitarbeitet. Gerade in der Zeit, als deutlich wurde, dass keiner der drei Söhne den Betrieb des Vaters übernehmen würde und sich auch die Töchter nicht vorstellen konnten, in Silos zu krabbeln und Förderanlagen für Getreidemühlen zu konstruieren, fand Schmieg im Kirchenrat und als Laienprediger Aufgaben, die ihm den Übergang vom geforderten Handwerker mit vollem Terminkalender und harter körperlicher Arbeit ins Rentnerdasein erleichterten. „Ich habe beim Bau der neuen Kirche geholfen”, erzählt Schmieg stolz, der sein Fachwissen im Bauausschuss einbringen konnte und sich ein bisschen unsterblich machte, weil in der Kirche Holzkreuz und Altartisch aus seinen Händen stammen.

Einen Plan zu haben für das Leben nach dem Berufsleben, hält Arnd Schillinger für unverzichtbar. Der Personalchef der Sparda-Bank Baden-Württemberg begleitet viele seiner Kollegen oft über eine Altersteilzeit in den Ruhestand. „Wir beobachten, dass je entschlossener die Menschen parallel zur Arbeit eine Aufgabe angehen, desto leichter fällt ihnen der Abschied vom gewohnten Job”, so der Fachmann. Wie die Sparda-Bank unterstützen immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter darin, den Übergang in den Ruhestand sanft zu gestalten.

„Es ist bekannt, dass ein abrupter Ausstieg aus einer Vollzeitbeschäftigung eine ernste Gefahr für die Gesundheit darstellen kann”, sagt Schillinger. Stimmungstiefs bis hin zu Depressionen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden können laut Krankenkassen die Folge sein. Den meisten Ruheständlern gehe es darum, eine Aufgabe zu haben, bei der sie ihre Fähigkeiten einbringen können, und um das Gefühl, gebraucht zu werden. Eine Bezahlung sei fast immer zweitrangig, meint Schillinger.

Ihm stimmt sein Kollege Dieter Lauther zu. Der gelernte Bankkaufmann arbeitet seit 31 Jahren bei der Sparda-Bank und tritt in drei Jahren in den Ruheblock des insgesamt neunjährigen Altersteilzeitmodells. Ab 2014 hat der Sinzheimer dann von einem auf den anderen Tag morgens keinen Grund mehr aufzustehen. Wäre da nicht eine Aufgabe, die er vor sechs Jahren für sich entdeckt hat. „Ich helfe schon heute in meiner Freizeit beim Arbeitgeber meiner Frau Christiane mit”, berichtet Lauther.