Liebt große Posen: Rufus Wainwright Foto: Matthias Clamer

Rufus Wainwright liebt opulent-barocke Popentwürfe. In Ludwigsburg geht er noch einen Schritt weiter und wagt sich an Hector Berlioz’ romantischen Liedzyklus „Les nuits d’été“ heran. Im Interview erzählt er außerdem, warum die Oper schon zwei Mal seine Leben rettete und wen er für den besten Songwriter der Welt hält.

Mr. Wainwright, ich hoffe, Sie kommen gut mit der Arbeit an Ihrer nächsten Oper voran.
Ja, es wird. Vielen Dank. Ich habe ja gerade die Aufnahme meiner Oper „Prima Donna“ fertig abgemischt. Das Album, das ich mit dem BBC-Orchester eingespielt habe, erscheint im Herbst. Jetzt kann ich mich ganz auf die Arbeit an der Oper „Hadrian“ konzentrieren, die im Jahr 2018 in Toronto uraufgeführt werden soll. Ja, bei mir dreht sich gerade irgendwie alles um die Oper.
Die Oper hat Ihnen ja auch schon einmal das Leben gerettet.
Sogar zweimal. Ich war schon als Teenager ein Opernfanatiker. Als ich mit 13 Jahren zum ersten Mal Verdi hörte, war das eine Offenbarung. Ich hörte anderthalb Stunden diese wunderbare Musik und war hinterher ein anderer Mensch. Kurz darauf wurde mir klar, dass ich schwul bin. Und damals, also Ende der 1980er Jahre, empfand man Schwulsein irgendwie als eine Art Todesurteil. Ich hatte jedenfalls schreckliche Angst. Aber all diese großen Themen, die mir durch den Kopf gingen – Sterben, Leiden, Erlösung –, fand ich in der Oper wieder. Und das gab mir das Gefühl, es gibt ein großes Ganzes, es gibt einen tieferen Sinn, es gibt einen Gott. In der Oper begegnet man auf jeden Fall einer höheren Macht, die über einen wacht. Das – und die Tatsache, dass ich mich mit vielen dieser gequälten Opernfiguren identifizieren konnte – hat mir über das Schlimmste hinweggeholfen.
Und wann wurden Sie das zweite Mal gerettet?
Viele Jahre später hatte ich ein Drogenproblem, das mich wahrscheinlich tatsächlich umgebracht hätte. Da habe ich mir einmal Richard Strauss’ „Elektra“ angesehen, während ich wirklich sehr, sehr high war. Und es war natürlich fantastisch. Dann habe ich die gleiche „Elektra“-Inszenierung aber noch einmal angeschaut – diesmal ganz ohne Drogen. Und es war ein mindestens genauso überwältigendes Erlebnis. Da habe ich kapiert, dass das Tolle an der Oper ist, dass sie deinen Körper, deine Psyche in einen ganz anderen Zustand versetzt – und Drogen völlig überflüssig macht.
Geht es auch in Ihrer neuen Oper „Hadrian“, die die Geschichte des römischen Kaisers erzählt, vor allem um Überwältigung?
Absolut. Für mich ich es vor allem wichtig, dass sich „Hadrian“ wie eine der großen Opern anfühlt. Ich habe zwar klassische Musik studiert, bin aber inzwischen mehr in der Popwelt zu Hause. Das heißt aber nicht, dass mir meine große Leidenschaft für die Oper dabei verloren gegangen ist. Egal ob es Berlioz, Verdi oder Wagner ist – ich liebe diese großen Opernmomente. Und „Hadrian“ soll eine Oper werden, die sich an solche Momente heranwagt.
Ist es eigentlich ein großer Unterschied, ein Album voller Popsongs wie „Out Of The Game“ zu schreiben oder Opern wie „Prima Donna“ oder „Hadrian“ zu komponieren?
Es ist völlig anders. Opern sind eine Gemeinschaftsproduktion. Es gibt das Orchester, die Sänger, den Dirigenten und mich. Bei einem Popalbum arbeite ich zwar auch mit anderen zusammen, aber es geht doch im Kern immer darum auszudrücken, was ich persönlich empfinde.
Und haben der Liedzyklus „Les nuits d’été“ von Hector Berlioz und Ihre „Songs For Lulu“ viele Gemeinsamkeiten?
In beiden geht es um den Tod, beide spielen in einer fantastisch-verwunschenen Welt. Ich muss aber zugeben, der eigentliche Grund, dass ich „Les nuits d’été“ in Ludwigsburg singe, ist der, dass ich die Lieder tatsächlich singen kann. Vielleicht würde ich auch Schuberts „Winterreise“ schaffen – an die meisten anderen Kunstlieder würde ich mich nicht im Traum vergreifen. Dafür habe ich nicht die Stimme.
Berlioz’ „Les nuits d’été“ gibt es in einer Orchester- und in einer Klavierversion. Welche Fassung gefällt Ihnen besser?
Beide sind gut. Was soll ich sagen, ich bin ein großer Berlioz-Verehrer. Das Spannende an der Pianofassung ist aber, dass Berlioz die Lieder eigentlich so geschrieben hat. Die Orchesterfassung kam viel später. Ich habe die Stücke vor sechs, sieben Jahren mit einem Orchester gesungen. Das war auch fabelhaft. Aber die Pianofassung hat einfach eine unerhörte Intimität.
Beim Konzert in Ludwigsburg singen Sie die Berlioz-Lieder, und die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager singt Ihre „Songs For Lulu“. Singen Sie auch gemeinsam?
Wir werden auf jeden Fall ein paar Duette im Programm haben. Ich möchte außerdem auch noch einige meiner eigenen Lieder singen. Wir verstehen das Konzert schon als einen musikalischen Austausch. Ich bin ein Fan von Angelika Kirchschlager.
Einer Ihrer Fans ist dagegen Elton John. Er hat Sie einmal den besten Songwriter der Welt genannt. Hat Sie diese Aussage überrascht?
Ich habe mich natürlich sehr geschmeichelt gefühlt. Ich hätte aber nicht gedacht, dass mich das Zitat auf Schritt und Tritt verfolgen würde. Auf der anderen Seite: Ich weiß zwar nicht, ob ich der Beste bin, aber ich bin auf jeden Fall ein Kandidat für den Job. Und ich arbeite hart daran, es zu werden. Ganz absurd finde ich die Aussage nicht.
Wenn Sie jemanden zum besten Songwriter der Welt küren müssten, wen würden Sie nennen?
Da ich eine Familientradition fortführe, würde ich sagen, dass meine Mutter, die wunderbare Kate McGarrigle, die Größte und Beste überhaupt war.
Und wenn Sie drei Aufnahmen empfehlen könnten, die jeder gehört haben sollte?
Dann empfehle ich „Les nuits d’été“ gesungen von Regine Crespin, Judy Garlands Konzert in der Carnegie Hall und Nina Simone live in Paris. Ja, ich bekenne mich schuldig, ich habe ein Herz für Diven.
Am Sonntag, 14. Juni, gastiert Rufus Wainwright mit Angelika Kirchschlager bei den Ludwigsburger Festspielen. Im Mittelpunkt des Konzerts im Theatersaal des Forum am Schlosspark in Ludwigsburg stehen Hector Berlioz’ „Les nuits d’éte“ und Wainwrights „Songs For Lulu“. Das Konzert beginnt um 19 Uhr. Eintrittskarten unter 0 71 41 / 939 636 und www.easyticket.de.