Leopard II im Einsatz Foto: dpa

Die Rüstungsbranche in Deutschland steht unter Druck. Der Stellenwert der heimischen Firmen im internationalen Wettbewerb schwindet.

Die Rüstungsbranche in Deutschland steht unter Druck. Der Stellenwert der heimischen Firmen im internationalen Wettbewerb schwindet.

Stuttgart - Die Rüstungsbranche in Deutschland steht unter Druck. Die nationalen Verteidigungsausgaben sinken. Der Stellenwert der heimischen Firmen im internationalen Wettbewerb schwindet. Politisch heikle Exportmärkte sollen es nun richten. Es gab schon bessere Zeiten für die großen Waffenschmieden der Welt. Zum zweiten Mal in Folge haben die größten Rüstungsfirmen der Erde 2012 weniger Waffen und Dienstleistungen verkauft als im Vorjahr.

Nach Daten des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri sanken die Waffenverkäufe der hundert umsatzstärksten Hersteller weltweit um 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – auf nunmehr 395 Milliarden US-Dollar (289 Milliarden Euro).

Fachleute sehen die Gründe für den Rückgang vor allem im Auslaufen internationaler Konflikte, etwa im Irak, aber auch in Afghanistan, sowie in sinkenden Verteidigungsbudgets in vielen Ländern infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.

Besonders für deutsche Firmen wird das Klima rauer. Die Branche, die seit Jahren eine feste Größe im weltweiten Waffenhandel ist, musste gegenüber Wettbewerbern deutlich Federn lassen. In der Liste der 100 größten Rüstungsunternehmen rutschten fast alle heimischen Hersteller ab.

Umsatzstärkstes deutsches Rüstungsunternehmen war 2012 Rheinmetall. Der Düsseldorfer Konzern kam mit Umsätzen von rund 2,2 Milliarden Euro auf Platz 30 der Sipri-Liste. Rheinmetall-Töchter sind mit mehreren Standorten in Baden-Württemberg vertreten, etwa in Heilbronn, Oberndorf, Stockach oder Neuenburg. Auch der U-Boot-Bauer Thyssen-Krupp wurde nach hinten durchgereicht und befindet sich nun auf Platz 56. Mit einem Umsatzminus von gut 26 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro ist der Essener Konzern der größte Verlierer unter den deutschen Herstellern. Ähnlich hart traf es den Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann (KMW). Der Umsatz des Herstellers des Kampfpanzers Leopard II und des Transporters Boxer sank im entsprechenden Zeitraum nach Sipri-Daten um knapp 22 Prozent auf 716 Millionen Euro – Platz 73.

Einzig der Systemlieferant Diehl, der große Teile seines Geschäfts in Überlingen am Bodensee gebündelt hat, konnte seinen Platz – Nummer 62 – halten.

Branchenkenner führen mehrere Gründe für den zunehmenden Bedeutungsverlust hiesiger Hersteller an. Die Bundeswehr, als klassischer Abnehmer von Schusswaffen, Panzern, Marineschiffen und Kampfjets, befindet sich auf Schrumpfkurs. Standen kurz nach dem deutschen Mauerfall noch rund 340 000 Soldaten unter Waffen, sollen es demnächst nur noch rund 185 000 sein. Besonders der Bedarf an schwerem Gerät sinkt. Von den Tausenden Panzern aus Zeiten des Kalten Kriegs sind bei der Bundeswehr nur noch einige Hundert übrig geblieben. Außerdem läuft das Afghanistan-Engagement der Bundeswehr aus – in Reparaturwerkstätten und Produktionshallen der Hersteller herrscht daher Flaute.

Dazu kommt, dass auch die Nachfrage aus traditionellen Exportländern wegbricht. „Die deutschen Waffenbauer leiden unter der Krise in Südeuropa“, sagte Pieter Wezeman, Analyst beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri, unserer Zeitung. Infolge des harschen Sparkurses fast überall in der Region sinken die Budgets. Damit fallen politisch unkomplizierte Deals mit Nato-Partnern weg. Allein in Spanien ist der Verteidigungshaushalt nach Sipri-Daten seit 2008 um rund ein Fünftel gesunken.

Auf der Suche nach Absatzmärkten weicht die deutsche Branche daher nach Einschätzung der Stockholmer Konfliktforscher in Drittländer aus. Die Firmen vermarkten ihre Produkte „in aggressiver Weise“ in anderen Teilen der Welt, um die wegbrechenden Geschäfte auf den heimischen Märkten zu kompensieren, sagte Wezeman, der früher in Diensten des niederländischen Verteidigungsministeriums den weltweiten Waffenhandel analysierte. Besonderen Ehrgeiz legten dabei Thyssen-Krupp und KMW an den Tag. Dem in Marineprodukten führenden Thyssen-Krupp-Konzern sei es in den vergangenen Jahren gelungen, mit Ländern wie Algerien, Ägypten oder dem Stadtstaat Singapur Großaufträge, etwa über die Lieferung von Fregatten und U-Booten, abzuschließen. Auch in Ländern wie Indien, Thailand und Saudi-Arabien sei die Firma aktiv. Die Münchner Rüstungsschmiede KMW lieferte 2013 als erste deutsche Firma überhaupt Panzer und Haubitzen nach Katar, wie Wezeman sagte. Um den Verkauf von mehreren Hundert Leopard II nach Saudi-Arabien ist es dagegen ruhig geworden. Allgemein würden deutsche Produkte auch in Asien und im Nahen Osten nachgefragt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Berliner Industrieverbands BDSV, Georg Adamowitsch, unserer Zeitung. Für die heimischen Firmen ergäben sich daraus Chancen.

Insgesamt verlagere sich die Nachfrage weg von schweren Waffen und hin zu High-Tech-Bereichen, wie Aufklärungs- und Datenanalysesystemen, sagte Andreas Seifert von der rüstungskritischen Informationsstelle Militarisierung (IMI). Zudem gewännen Kleinwaffenhersteller wie Heckler & Koch aus Oberndorf an Einfluss.

Die ganz großen Geschäfte werden allerdings nicht im Schwarzwald, sondern in Übersee gemacht. Wie schon in den Vorjahren haben auch 2012 US-Hersteller die Liste der größten Waffenverkäufer dominiert. Sieben der zehn umsatzstärksten Firmen kamen aus den USA. Das europäische Airbus-Konsortium – früher EADS – steht auf Platz sieben. Jüngst hatte Airbus angekündigt, allein in Baden-Württemberg rund 650 Stellen zu streichen.

Daneben steigt vor allem der Einfluss russischer Hersteller. Um fast ein Drittel legten deren Umsätze 2012 zu. Im Nahen Osten, aber auch in Teilen Afrikas sind russische Waffen traditionell gefragt. Zum boomenden Export kommt derzeit aber auch ein ambitionierter Aufrüstungsplan der russischen Streitkräfte. Gigantische 500 Milliarden Euro will Präsident Putin bis 2020 in seine Verteidigungsbranche pumpen.

Der große Unbekannte im weltweiten Waffenhandel bleibt aber China. Jedes Jahr wickeln die zehn größten staatseigenen Rüstungskonglomerate nach Sipri-Schätzungen Milliardendeals ab. Da allerdings belastbare Daten nicht vorliegen, gehen diese in die jährliche Statistik der Stockholmer Friedensforscher nicht mit ein.