Bastian Schweinsteiger. Foto: dpa

Verkorkste EM und verschossener Elfmeter, das war einmal. Die Rückschläge der vergangenen Saison hat Bastian Schweinsteiger verarbeitet – oder zumindest verdrängt.

Frankfurt/Main - Er hatte sich ganz schön rar gemacht in den vergangenen Wochen. An den Presserunden bei Bayern München hatte Bastian Schweinsteiger ganz bewusst nicht teilgenommen, nach den Spielen zog er sich eine Mütze tief ins Gesicht und marschierte wortlos an den wartenden Journalisten vorbei. Umso sehnlicher wurde seine Rückkehr in den Kreis der Nationalmannschaft erwartet. Nach 101 Tagen war es am Montag so weit, tags darauf ergriff Schweinsteiger das Wort und gab sich handzahm – zunächst. „Ich habe große Vorfreude auf die Mannschaft gespürt“, sagte er und bedankte sich artig bei Bundestrainer Joachim Löw und Bayern-Coach Jupp Heynckes dafür, dass sie ihm nach Verletzungen, Wehwehchen und Formschwankungen „viel Zeit“ gegeben hatten, um zu alter Stärke zurückzufinden.

Dass er auch anders kann, bewies Schweinsteiger (28) wenig später. Kürzlich hatte er in einem Interview mangelnden Teamgeist in der Nationalmannschaft bei der EM 2012 angedeutet. „Wir haben bei Bayern München gerade einen guten Geist in der Mannschaft, das spürst du ja zum Beispiel, wenn ein Tor fällt: Springt da die komplette Bank auf? Bei uns springt sie auf“, hatte er gesagt und in Richtung Nationalmannschaft ergänzt: „Das ist vielleicht ein kleiner Unterschied zur EM. Da sind nicht immer alle aufgesprungen.“

Schweinsteiger gibt sich pampig

Das hatte Löw („Das konnte ich so nicht feststellen“) und Manager Oliver Bierhoff gar nicht gepasst. Die beiden luden ihren Vizekapitän flugs zum ernsthaften Gespräch, und Bierhoff beeilte sich am Dienstag, noch einmal darauf hinzuweisen: „Der Teamgeist ist total intakt.“ Womöglich stand Schweinsteiger noch unter dem Eindruck dieser Unterredung. Als bei der Pressekonferenz am Dienstag wieder die Rede darauf kam, gab er sich jedenfalls pampig – pampiger, als es ihm zusteht. „Sie sprechen mit Wörtern, die ich nie in den Mund genommen habe“, blaffte er einen Journalisten an, „wenn Sie das nicht können, dann kann ich nicht antworten. Sie müssen sich vernünftig vorbereiten!“

Auch als er auf die Niederlage im EM-Halbfinale und die emotional noch schlimmere Niederlage im Champions-League-Finale mit seinem verschossenen Elfmeter angesprochen wurde, reagierte er überraschend übellaunig: „Leider fehlt hier der allgemeine Respekt. Das finde ich schade.“ Es stehe „nirgendwo geschrieben, dass man alle Spiele gewinnen muss“.

Schon komisch: Da ist einer nach Monaten voller Verletzungen, Qualen und Rückschlägen endlich wieder gesund und munter – und doch so dünnhäutig. So ist sein Comeback für ihn aus gesundheitlichen Gründen eine runde Sache – aber eine mit Ecken und Kanten.

„Ich will, dass wir das letzte Rad umdrehen und beim Turnier gegen die großen Mannschaften gewinnen“

Und damit ist sie ganz nach dem Geschmack von Joachim Löw. In den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Irland an diesem Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in Dublin und gegen Schweden am kommenden Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Berlin muss die deutsche Mannschaft einige Mängel abstellen, die ihr zuletzt zu schaffen gemacht hatten. Schweinsteiger ist dafür der ideale Mann – als Antreiber und als ordnende Hand im Mittelfeld. Dazu musste er nach den Enttäuschungen der vergangenen Saison erst einmal das Chaos in seinen Gedanken ordnen, was ihm mal mehr, mal weniger gelungen ist. „Richtig versöhnen werde ich mich mit der letzten Saison nicht mehr. So ehrlich muss man sein, dieser Schmerz wird immer bleiben.“ Nach dem Drama beim Finale „dahoam“ habe er „in viele leere Gesichter geblickt. Diese Gesichter vergisst du nie.“

Andererseits sind es genau diese Gesichter, „die mich jetzt motivieren“, versicherte er: „Ich will, dass wir das letzte Rad umdrehen und beim Turnier gegen die großen Mannschaften gewinnen. Ich will, dass alles dem großen Ziel untergeordnet wird.“

Dazu benötigt er das Wohlfühlklima in der Nationalmannschaft, aber auch die Reibung. Nur beides zusammen macht ihn stark. Für das Erste sorgt der Betreuerstab zur Genüge, für das Zweite fühlt sich Schweinsteiger auch künftig mitverantwortlich. „Was ich über die Mannschaft und die EM gesagt habe, war meine Wahrnehmung, dazu stehe ich. Ich werde weiter meine Meinung sagen.“

Den Nachweis hat er am Dienstag eindrücklich geführt.