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Kommunen im Neckarelektrizitätsverband können erstmals seit 20 Jahren selbst Netzbetreiber werden.

Stuttgart - Die 167 Städte und Gemeinden im Neckarelektrizitätsverband (NEV) prüfen zur Zeit, wer künftig das Stromnetz betreiben soll: Erstmals seit 20 Jahren können sie selbst Netzbetreiber werden, wenn 2012 die Verträge mit der EnBW auslaufen. Stuttgart gehört dem NEV nicht an und hat ein Jahr länger Zeit.

"Der Abschluss eines neuen Konzessionsvertrages bietet die Chance, in Netzbetrieb und Versorgung einzusteigen. Wegen der schwierigen Finanzlage vieler Kommunen kommt die Gründung eines eigenen Stadtwerkes allerdings nicht überall in Betracht", fasst der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zusammen.

Die Landeshauptstadt kann sich mit ihrer Entscheidung Zeit lassen: Stuttgart gehört nicht zum NEV, die Verträge mit der EnBW laufen erst Ende 2013 aus. Zu der Frage, ob es Sinn macht, eigene Stadtwerke zu gründen und welche Varianten es gibt, hat der Gemeinderat vor vier Wochen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis werde, so Jürgen Wenzler, persönlicher Referent von Bürgermeister Michael Föll, Ende des Jahres erwartet. Geprüft würden Möglichkeiten, Chancen und Risiken zu den Sparten Strom, Wasser, Gas, Fernwärme.

Auch die Stadtteile selbst vernetzen

Von den 167 Mitgliedskommunen im NEV hat nun jede die Wahl unter drei Möglichkeiten. Sie kann entweder den Vertrag mit der EnBW einfach verlängern. Oder sie nimmt das Angebot des Zweckverbandes NEV an, mit anderen Kommunen eine eigene Netzgesellschaft zu gründen. In der wären die Städte und Gemeinden mit 35,9 Prozent beteiligt, der NEV mit 15,1 Prozent - die Kommunen hätten damit insgesamt 51 Prozent. Dass die EnBW bei diesem Modell weiterhin mit 49 Prozent im Boot wären, finden die Befürworter positiv, weil die EnBW über das nötige Know-how verfügen, das sonst von anderen Anbietern, wie etwa den Stadtwerken Bietigheim-Bissingen oder Tübingen erworben werden müsste. Kritiker allerdings wollen künftig auch selbst über die Versorgung, also den Stromanbieter, entscheiden. Diese Städte prüfen deshalb derzeit, die Stromversorgung im Alleingang komplett selbst zu stemmen. Dazu müssten sie eigene Stadtwerke gründen, wie Fellbach es bereits vor zwölf Jahren getan hat.

Derartige Überlegungen gibt es beispielsweise auf den Fildern. Die drei Großen Kreisstädte Ostfildern, Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt können sich gemeinsame Filder-Stadtwerke vorstellen. Alle haben Gutachter eingeschaltet. Kornwestheim und Leonberg prüfen ebenfalls den Netzrückkauf, Schorndorf hat für die Kernstadt bereits eigene Stadtwerke und will nun auch die Stadtteile selbst vernetzen.

Netzbetrieb wirft künftig weniger ab

Das Nachsehen hat dann der Energieriese EnBW. Kein Wunder, dass die Verhandlungen doch zäher und langwieriger ablaufen als erwartet. Der NEV hat deshalb seine nächste Verbandsversammlung von Ende Mai auf 23. Juli verschoben. In dieser Sitzung geht es darum, ob sich der NEV an einer künftigen Netzgesellschaft beteiligen darf. Die Städte müssen diesen Punkt sowie eine Satzungsänderung bis November in ihren Gemeinderäten klären. Dann soll die Entscheidung fallen, ob es eine NEV-Netzgesellschaft geben wird und wie viele NEV-Mitglieder sich daran beteiligen.

Für NEV-Geschäftsführer Klaus Kopp ist gerade der Anteil der teilnehmenden Städte von immenser Bedeutung. Schließlich wurde mit der EnBW ein Kaufpreis für das Stromnetz von 500 Millionen Euro ausgehandelt. Nach dem aktuellen Modell und Verteilungsschlüssel müssten Städte und Verband gemeinsam 102 Millionen Euro am Eigenkapital aufbringen. Damit käme etwa auf Esslingen mit 91.000 Einwohnern und 821 Millionen Kilowattstunden Stromdurchfluss pro Jahr eine einmalige Investition von 7,8 Millionen Euro zu. Ostfildern (35.000 Einwohner und 163 Millionen Kilowattstunden) wäre mit 1,6 Millionen Euro dabei, eine Gemeinde wie Denkendorf (10.000 Einwohner, 40 Millionen Kilowattstunden) müsste 378.000 Euro aufbringen.

Netzbetrieb wirft künftig weniger ab

Im Alleingang müssten die Städte aber wesentlich mehr investieren, ist Klaus Kopp überzeugt: "Wir glauben, mit der EnBW einen sehr guten Preis ausgehandelt zu haben", sagt Kopp. Überhaupt sei die NEV-Lösung "sicher die optimale, wenn man mit dem Netz Geld verdienen will". Wer mehr Einfluss auf die Art der Versorgung haben wolle, müsse eine eigene Lösung anstreben. Und wer die Ökologie in den Vordergrund stelle, so Kopp, verzichte am besten ganz auf den Netzbetrieb und investiere in Solaranlagen und Gebäudedämmung.

Grundsätzlich werfe der Netzbetrieb künftig weniger ab als bisher: Die Bundesnetzagentur habe Preissenkungen von jährlich 1,5 Prozent festgelegt. "Schon heute gehen deshalb viele Betreiber Kooperationen ein, um Personal zu sparen", sagt Kopp.