Tief beeindruckt zeigen sich Kunstministerin Petra Olschowski und die Direktorin des Linden-Museums, Inés de Castro, nach ihrer historischen Reise mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach Nigeria. Dort fand am Dienstag die Übergabe geraubter Benin-Bronzen statt.
Es ist nicht alltäglich, dass eine gestandene Ministerin und eine ebenso gestandene Museumsdirektorin davon sprechen, dass sie bei einem Termin „Tränen in den Augen“ gehabt hätten. Nicht nur ihnen sei das so gegangen, sondern vielen anderen Delegationsteilnehmern auch. Ein wenig von dieser Ergriffenheit ist noch zu spüren, als Petra Olschowski, die baden-württembergische Kunstministerin, und Inés de Castro, Direktorin des Stuttgarter Linden-Museums, am Mittwoch Stuttgart von ihren Reiseeindrücken aus Nigeria berichten.
Am Sonntag waren sie als Teil einer von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth angeführten 80-köpfigen Delegation in die nigerianische Hauptstadt Abuja gereist. Im Gepäck 21 Objekte, die den sogenannten Benin-Bronzen zugerechnet werden, darunter auch jene seltene Zeremonial-Maske aus dem 16. Jahrhundert, die seit 1964 im Linden-Museum ausgestellt war, und dort das Herzstück der Afrika-Sammlung bildete.
Die Maske und die anderen Exponate aus Holz, Bronze oder Elfenbein traten damit die Heimreise an – 125 Jahre nachdem sie von britischen Militärs aus Benin-City, der Hauptstadt des damaligen Königreichs Benin im heutigen Bundesstaat Edo geraubt und nach Europa gebracht worden waren. Sie soll künftig in einem Neubau des Nationalmuseums ausgestellt werden. „Wir hatten alle das Gefühl, dass das ein historischer Moment war“, sagt Petra Olschowski.
Das Bild der Maske aus dem Linden-Museum ging um die Welt
Das drückte sich auch im offiziellen Rahmen aus. Zum Empfang im nigerianischen Außenministerium waren Nigerias Außenminister Geoffrey Onyeama und Kulturminister Lai Mohammed und dazu das konsularische Corps erschienen. Ebenso Abba Isa Tijani, der als Student im Linden-Museum gearbeitet hat und jetzt Generaldirektor der nigerianischen Museums- und Denkmalbehörde ist. Tijani stellte die Haltung Baden-Württembergs bei der Rückgabe des Raubguts heraus. 2011 hatte es sich als erstes Bundesland zur Restitution der Benin-Bronzen bekannt und damit eine Vorreiterrolle eingenommen – auch bei der Überlegung, welches Exponat am besten geeignet ist, eine Brücke der Verständigung zu schlagen. Denn die Wunden, die der Kolonialismus geschlagen hat, sind immer noch tief.
Mit der Auswahl der Make zeigte Inés de Castro historisches Bewusstsein, das auf nigerianischer Seite besonders ausgeprägt ist: In den 1970er Jahren war Nigeria mit dem Versuch gescheitert, vom British Museum in London eine ähnliche Maske – ebenfalls aus dem Raubgut stammend – für eine große Afrika-Ausstellung auszuleihen. „Diese Kränkung wirkt heute noch nach“, berichtet Olschowski. Die Maske aus dem LindenMuseum hat damit in mehrfacher Hinsicht ikonischen Charakter. Das Bild, wie Außenministerin Baerbock sie ihrem nigerianischen Amtskollegen überreichte, ging um die Welt. Es war jene Zeremonie, bei der Olschowski und de Castro Tränen in die Augen schossen. „Wir haben solange darauf hin gearbeitet“, sagt die Museumsdirektorin. Es war das Gefühl, das Richtige getan und etwas Wichtiges erreicht zu haben.
„Kulturpolitik ist ein zentraler Bestandteil von Außenpolitik“
Weitere Exponate werden folgen; insgesamt geht es um die Eigentumsrechte an rund 1100 Objekten in fünf deutschen ethnologischen Museen in Stuttgart, Berlin, Köln, Leipzig und Hamburg, die auch in der sogenannten Benin Dialogue Groupe vertreten sind. Die nigerianische Seite habe die Erwartung geäußert, dass das positive Beispiel Deutschlands Schule macht und auch andere europäische Länder, die Rechte an dem auf viele Museen verstreuten Raubgut an Nigeria übertragen, betont Olschowski.
Dazu passte, dass die Niederlande am Montag für ihre Rolle in der Geschichte der Sklaverei um Entschuldigung baten. „Wir entschuldigen uns posthum bei allen Versklavten, die weltweit unter dem Handeln gelitten haben, bei ihren Töchtern und Söhnen und all ihren Nachkommen bis heute“, ließ Ministerpräsident Mark Rutte fast zeitgleich zur Übergabe der Benin-Bronzen in Den Haag verlauten.
Am Dienstag kehrte die Delegation um Außenministerin Baerbock nach Deutschland zurück. Als wichtige Erkenntnis nahm Kunstministerin Olschowski aus der Hauptstadt Abuja und einem Treffen mit Offiziellen und Künstlern in Benin-City mit: „Kulturpolitik ist ein zentraler Bestandteil von Außenpolitik.“ Ihrem Eindruck nach sind in Nigeria durch die Restitution der Benin-Bronzen und den vertrauensvollen Vorlauf viele Türen aufgegangen – auch auf anderen Feldern wie der Energiepolitik.
Filmakademie vertieft Partnerschaft
Für Baden-Württemberg liegt ein Ertrag der Reise in einer künftigen engeren Zusammenarbeit der Filmakademie mit Partnern in dem aufstrebenden Filmland Nigeria, konkret den Nosona Studios für bildende Kunst und Digitaltechnik in Benin-City. Unter anderem geht es um die Weiterentwicklung eines 2022 erstmals durchgeführten Nollywood Workshops. Im kommenden Jahr ist ein Dreh in Benin-City geplant, der die Benin-Bronzen zum Thema haben soll. Olschowskis Fazit fällt rundum positiv aus: „Der Anfang für eine engere Zusammenarbeit mit Nigeria ist gemacht.“