Rudolf Buchbinder Foto: A. Basta

Im „Meisterpianisten“-Zyklus der SKS Russ hat Rudolf Buchbinder seinen Zyklus von Beethovens Klaviersonaten bravourös zu Ende gebracht.

Stuttgart  - Von Neuem (und zum letzten Mal in dieser Saison) demonstrierte Rudolf Buchbinder im Meisterpianisten-Zyklus der SKS Russ mit seiner Werkauswahl die Spannung zwischen früher Meisterschaft und reifer Universalität, beginnend mit den Sonaten F-Dur op.10 Nr. 2 und Fis-Dur op. 78, kulminierend in Ludwig van Beethovens monumentaler Hammerklaviersonate op. 106.

Buchbinders Stärken, zumal bei der zyklischen Wiedergabe sämtlicher 32 Klaviersonaten Beethovens, sind eine stets abgerundete, dabei klangvolle, manuell im Grunde nie an Grenzen stoßende Spielweise, gepaart mit einer stets grundsoliden, ohne größere Subjektivismen auskommenden Textwiedergabe. Die Kehrseite ist bisweilen ein Defizit an subjektiver, die Zuhörer spontan in Begeisterung versetzender Ausdeutung. Beglückend neuartige Hörerfahrungen, wie sie uns Alfred Brendel etwa am Beispiel der Sonate F-Dur op.10/2 oder von op.31 Nr.2 in d-Moll vermittelte, bleiben bei Buchbinder meist aus.

Poltriger Ingrimm

Buchbinder zeigt, dass eine Mischung von Spiritualität und fast frechem musikalischem Humor sehr wohl auch bei Beethoven möglich ist. Den Kopfsatz der d-Moll-Sonate, die ihre Irritationen aus dem Miteinander von wohlgeformter Zierlichkeit à la Haydn und rhythmischer Unregelmäßigkeit bezieht, musizierte der 69-jährige Wiener Pianist weniger mit ausgesprochenem Spielwitz als mit fast schon poltrigem Ingrimm. Trotzdem fand Beethovens von Buchbinder allzu gedehnt zelebrierter Schluss-Gag unter den Zuhörern zahlreiche Lacher.

Allezeit eine Herausforderung selbst für technisch jederzeit sattelfeste Interpreten ist eine Live-Darbietung von Beethovens später Hammerklaviersonate. Feurig und mit viel Pedal fährt bei Buchbinder das von Brahms in seiner Klaviersonate op. 1 aufgegriffene Hauptthema empor, wird zum Ausgangspunkt atemraubender Entwicklungen. Berstende Energien werden freigesetzt, geraten in der Finalfuge zu einem existenziellen Ritt über Abgründe.

Beethovens komplexester Fugen-Klaviersatz

Dabei wählt Buchbinder die (originalen?) Tempi teilweise fast so rasch wie einst Friedrich Gulda oder Artur Schnabel. Extrem ist auch der Kontrast in den entschleunigten Partien hin zu eher breiten Tempi. Der inmitten des in fis-Moll weltentrückten Adagio-sostenuto-Satzes aufblitzende Hoffnungsschimmer in G-Dur scheint sich sogar ein wenig in Buchbinders Mimik zu spiegeln. Schließlich gerät der komplexeste Fugen-Klaviersatz Beethovens zu einer bravourös bestandenen Herausforderung: Die polyfonen Satzkünste werden einem gestaltenden Willen unterworfen, technische Reserven nie aufgebraucht, die unerhörte dissonanzenreiche Dichte der Noten mit größtmöglicher Durchhörbarkeit herausgemeißelt.

Großer, dankbarer Applaus im gutbesuchten Beethovensaal.