Die Ruine des Seeparks an der Vaihinger Straße auf dem ehemaligen Neoplan-Gelände: Wenn der Rohbau nicht winterfest gemacht wird, droht großer Schaden für die Gebäude. Foto: PPfotodesign/Leif Piechowski

Rudi Häussler versucht „Schandfleck“ in Möhringen zu tilgen und geht finanzierende Bank an.

Stuttgart - Noch vor fünf Jahren war er Stuttgarts agilster Baulöwe. Kaum etwas ging ohne Rudi Häussler. Dann kam der Absturz: Krankheit, Operationen, Insolvenzanträge. Heute ist Häussler fast wie ein Phantom. Kaum jemand sieht ihn. Hinter den Kulissen aber kämpft er wieder.

Die Büros sind ausgeräumt, die Böden gefegt. Die einstige Zentrale der Häussler-Gruppe in Möhringen wartet auf einen Käufer. AtlantaI, wie Rudi Häussler seinen Firmensitz nannte, soll zum Jahresende veräußert sein. Aber nicht nur AtlantaI. Auch das Bürohaus Horizont im Gewerbegebiet Möhringen/Vaihingen, die noch übrigen Wohnungen im Rosenpark in Vaihingen und andere Immobilien.

Häussler verkauft das Tafelsilber. Der 83-Jährige braucht Geld. Für mehrere Gesellschaften aus seiner Firmengruppe mit 43 Unternehmen sind Insolvenzanträge gestellt, auch für die Holding. Häussler hat viel Geld in den Projekten stecken. Doch einige Baustellen ruhen - und mit den unvollendeten Gebäuden verfällt sein Vermögen.

"Dieser Schandfleck muss beseitigt werden"

Oft fährt Häussler auf dem Weg zu seinem Ersatzbüro an den Ruinen seines früheren Hoffnungsprojekts in Möhringen vorbei, den Rohbauten des Wohngebiets Seepark, Bauabschnitt1. "Dieser Schandfleck muss beseitigt werden", sagen Kommunalpolitiker und Bürger, seit die Baustelle vor sich hin gammelt - und das ist jetzt ziemlich genau ein Jahr. Auch Häussler wolle den Schandfleck weg haben, heißt es in seinem Umfeld. Er arbeite daran, obwohl er öffentlich kaum mehr in Erscheinung tritt.

Vor rund zwei Jahren, am 9.August 2009, war der herzkranke Häussler erstmals auf den Operationstisch gekommen. Bis Ende Januar 2011 folgten fünf weitere Operationen. Im Frühjahr kehrte er ins Büro zurück. Seither ist er in einem Wettlauf mit der Zeit.

Neubauten waren bereits verkauft

Wenn auch noch der Winter 2011/2012 ins Land zieht, ohne dass die Rohbauten in Möhringen winterfest gemacht wurden, könnten sie im Frühjahr abrissreif sein. Der Schaden wäre gewaltig. Die Neubauten waren eigentlich bereits zum Preis von rund 58 Millionen Euro an die Kapitalanlagegesellschaft Patrizia AG verkauft, als die Baustelle plötzlich heruntergefahren wurde und der Verkauf doch noch scheiterte.

Warum es so kam, ist für die Öffentlichkeit ein Rätsel geblieben. Die NordLB in Hannover hatte bei der Finanzierung den Löwenanteil übernommen. Doch die notariell beglaubigte Zusage des Gelds, so die Darstellung der Häussler-Gruppe, wurde nicht eingehalten. Warum? Vielleicht weil die Bankenbranche inzwischen in Turbulenzen geraten war, glaubten die einen. Vielleicht weil die NordLB den Eindruck hatte, dass Gelder nicht akkurat für den Seepark eingesetzt wurden, munkelten andere. Doch dieser Vorwurf schien bald wieder ausgeräumt.

"So ein Projekt muss fertiggestellt werden"

"So ein Projekt muss fertiggestellt werden"

Einige Baufirmen und Handwerksunternehmen bangen seither um ihre Zukunft. Sie hatten im Seepark länger gearbeitet als gut für sie war - in der Annahme, dass sie noch am besten aus dieser Nummer rauskommen würden, wenn die Bauten schnell verkauft werden. Irgendwann ging es aber nicht mehr. Ihr Geld müssten sie von einer Häussler-Projektgesellschaft erhalten, die als Generalübernehmerin die Aufträge allein vergab.

Doch dort ist inzwischen nichts mehr zu holen. Das Grundstück wird von einer separaten Grundstücksgesellschaft von Häussler gehalten. Die Betroffenen warten, wie es weitergeht - und was sie noch bekommen. "So ein Projekt muss fertiggestellt werden", meint der Anwalt eines Handwerksbetriebs. Doch das Weiterbauen einzufädeln scheint schwer. "Die Aussichten auf eine Lösung sind sehr schlecht", sagt der Anwalt auch.

Vor kurzem kursierten Gerüchte, die NordLB wolle die Zwangsversteigerung der Rohbauten beantragen. Offiziell gibt es von der NordLB wenig Konkretes. Von Zeit zu Zeit geben sie und der Sprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Nachfragen neue, vorsichtig optimistische Stellungnahmen ab. Es gebe Bewegung. Man bereite Arbeiten vor, um die Bausubstanz im kommenden Winter zu erhalten, falls es keine schnelle Lösung geben sollte, erklärte ein Sprecher der NordLB jetzt auf Anfrage.

Häussler wollte NordLB unter Druck setzen

Die NordLB hat zwar mit Interessenten für den Kauf der Rohbauten verhandelt, doch die Angebote - zehn, 25 und zuletzt 28 Millionen Euro - reichten ihr offenbar nicht aus. Auch die Fertigstellung in eigener Regie war daher bei der NordLB ein Thema, doch offenkundig tun sich die Verantwortlichen mit einer Entscheidung schwer.

Nach Informationen unserer Zeitung versuchte Häussler Ende Juni mit einem Schreiben an die NordLB Druck aufzubauen: Wenn es nicht weitergehe und der Winter einsetze, drohe den Bauten weiterer Schaden. Von den beteiligten Firmen erhalte man dann kaum noch Gewährleistung. Häussler pochte aber auch auf eine grundsätzliche Lösung.

Die NordLB müsse sich endlich entscheiden. Als erstrangige Projektfinanziererin sei sie gegenüber allen beteiligten Firmen und Planern zur "Schadensminderung verpflichtet". Ihr Zaudern belaste zunehmend das Image der Häussler-Gruppe, die durchaus noch solvente Firmen und Projekte habe, klagte Häussler auch.

Würde die NordLB doch noch Geld bereitstellen, dann würde er gern weitermachen, wo man 2010 aufhörte, sagen Vertraute. Er wolle den kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen aus der Patsche helfen. Und er kämpfe um seinen Ruf.

Häussler beklagt unglückliche Umstände

Häussler beklagt unglückliche Umstände

Es bleibt aber die Frage, wie es zur Schieflage des Häussler-Imperiums kommen konnte, das binnen 15 Jahren in Stuttgart rund eine Milliarde Euro investiert hatte. Vom Chef ist die Äußerung überliefert, er habe sich nichts vorzuwerfen. Er habe sich keine Yachten oder teuren Hobbys geleistet und kein Geld auf schwarze Konten transferiert. Häussler beklagt unglückliche Umstände.

Natürlich die Krankheit und die Operationen, deretwegen er die Kontrolle über das Unternehmen verloren hat. Er habe zwar vorgesorgt gehabt, lässt Häussler auch hören, doch die drei installierten Manager hätten es nicht geschafft. Die eigentliche Schuld sucht er bei der NordLB. Als sie nicht zahlte, sei Geld aus verschiedenen Häussler-Firmen in den Seepark gepumpt worden. "Damals kam der Krebs in die Häussler-Gruppe", grämt sich der Chef.

Personal falsch ausgewählt

Er kann damit aber nicht alle überzeugen. "Der Mann ist über 80. Da darf die Krankheit nicht als Entschuldigung gelten", wendet ein Jurist ein, der eine Baufirma vertritt. Viel spreche dafür, dass Häussler sein Personal falsch ausgewählt habe - und mit dem Ex-Banker Andreas Oberem den richtigen Mann zu spät installierte.

"Häussler war der absolute König - und das gibt es ja manchmal bei Potentaten, dass die Nachfolgeregelung schwer ist." Besonders dann, wenn sie keine Kinder haben. Einmal glaubte der kleine König aus Möhringen nach vergeblichen Versuchen die Lösung doch geschafft zu haben. Aber dann konnte er seinen Wunschkandidaten nicht halten: Rüdiger Grube kehrte als Vorstand erst zurück zu Daimler, dann wurde er Vorstandschef der Deutschen Bahn AG.

Seit damals musste Häussler viel einstecken. Zuletzt erkannte er aber wohl, dass man irgendwann nicht mehr bloß schaffen und ständig Häusle bauen kann. Er erlebte zwei Jahre, die wie eine gefährliche Reise waren: einmal Hölle und zurück. Inzwischen erinnert er sich oft wieder an die Stimmung der Flakhelfer nach dem Fliegerangriff. Motto: "Hurra, wir leben noch."