Seit mehr als vier Jahren muss sich vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht ein zweifacher Familienvater aus Ruanda wegen Kriegsverbrechen im Kongo rechtfertigen Foto: dpa

Die Verteidigung hält einen wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagten Ruander für unschuldig. „Er wollte nur das Flüchtlingsproblem lösen“, sagt sein Anwalt beim Plädoyer vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht.

Stuttgart - Im Prozess gegen zwei Chefs einer ruandischen Rebellenmiliz vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht hat die Verteidigung Freispruch für den stellvertretenden Präsidenten Straton Musoni gefordert. Die Bundesanwaltschaft sieht in dem 54-jährigen Vater zweier Kinder, der seit gut 20 Jahren in Neuffen (Kreis Esslingen) lebt und als Computerspezialist zeitweise im baden-württembergischen Justizministerium gearbeitet hat, den Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung und hat zwölf Jahre Haft für ihn gefordert.

Die Anklage hält Musoni für einen wichtigen Drahtzieher innerhalb der ruandischen Hutu-Miliz FDLR („Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas“), die für zahlreiche brutale Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Osten des Kongo verantwortlich gemacht wird, bei denen Zivilisten auf brutalste Weise massakriert, vergewaltigt, gefoltert und getötet wurden. Sein Verteidiger, der Wuppertaler Rechtsanwalt Jochen Thielmann, hält in seinem Plädoyer vor dem 5. Strafsenat am Montag dagegen: „Würde man eine objektive Liste erstellen, wer für die katastrophalen Zustände im Osten des Kongo verantwortlich ist, würde der Name Straton Musoni sicher nicht darauf erscheinen.“

Für den mitangeklagten Präsidenten der FDLR, Ignace Murwanashyaka (52), der von Mannheim aus per Satellitentelefon, SMS und E-Mail die Aktivitäten der Rebellen im Ostkongo koordiniert haben soll, forderte die Bundesanwaltschaft eine lebenslängliche Freiheitsstrafe sowie die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld, so dass er keine Chance hat, nach 15 Jahren freizukommen.

Nach Ansicht seines Anwalts ist Musoni Opfer – nicht Täter

Sein Mandant habe sich den Ostkongo nicht freiwillig als Betätigungsfeld ausgesucht, betont Thielmann, „nicht weil er politisch Karriere machen wollte oder sich finanzielle Vorteile versprochen hatte, sondern weil er sich um das Wohl seiner Verwandten kümmern wollte, die dort in Flüchtlingslagern ein armseliges Dasein fristen mussten“. Hier werde ein Vater von zwei Kindern beschuldigt, für schreckliche Verbrechen – auch an Kindern – verantwortlich zu sein.

„Wenn wir hier in Deutschland beginnen, Demokraten wie Straton Musoni zu brandmarken, sind wir auf dem Holzweg“, sagte Thielmann. „Musoni als Terroristen zu verurteilen stellt die Dinge auf den Kopf.“

Thielmann wollte nicht ausschließen, dass es zu Straftaten einzelner Mitglieder und Gruppen der FDLR und ihres militärischen Arms, der FOCA, im Ostkongo gekommen sei. Aber im Strafprozess müssten immer die Taten des Einzelnen gesehen werden – und da habe sich Musoni nichts zuschulden kommen lassen. Seinem Mandanten sei es ausschließlich um eine politisch-friedliche Lösung des ruandischen Flüchtlingsproblems gegangen. Sein Verteidiger beschreibt den 54-Jährigen als „Familienvater, Kirchgänger, angepassten Asylanten, unauffälligen Nachbarn in einem Reihenhaus, der einer Arbeit nachgeht“. Es gebe keinerlei extremistische oder rassistische Äußerungen Musonis, die in den Akten oder in Zeugenaussagen dokumentiert sind.

Stellt das Gericht Staatsräson über Rechtsstaatlichkeit?

Dem Gericht wie auch dem Generalbundesanwalt hält er deshalb Prozesseifer vor: „Wie wenig ist dazu notwendig, einen Menschen in einem Terrorprozess anzuklagen und ihn jahrelang in Untersuchungshaft zu halten?“ Er habe den Eindruck, so Thielmann, „dass Gerichte in Terrorverfahren besonders dazu neigen, Staatsräson vor Rechtsstaatlichkeit zu setzen“.