Vier Monate auf hoher See stehen Janice Jakait aus Neulußheim bevor - in einem Ruderboot.
Stuttgart - Allein und nur mit der Kraft ihrer Ruderschläge will Janice Jakait den Atlantik überqueren. Vor zehn Tagen ist sie von Portugal aufgebrochen. Unsere Fragen hat sie per Satellitentelefon von hoher See aus beantwortet. Sie kämpft mit ihrer Aktion gegen die steigende Lärmbelastung in den Weltmeeren.
Frau Jakait, wie war die erste Woche auf See?
Eine Achterbahnfahrt. Die ersten drei Tage habe ich kaum geschlafen. Drehende Winde haben mich wieder in Richtung der Steilküsten gedrückt. Ich musste wirklich hart rudern, nur um mich dann in einem von Tankern und Frachtern hochfrequentierten Verkehrstrennungsgebiet nach Gibraltar wiederzufinden. In dem winzigen Boot und bei dem Wellengang wurde ich auch noch seekrank und hatte wirklich hart zu kämpfen, meinen Weg da rauszufinden.
Hat sich Ihre Situation verbessert?
Jetzt geht es mir viel besser. Die Schiffe sind weg, die Wale kommen und begleiten mich beim Rudern. Aber die Umgebung ist natürlich extrem. Der Reizentzug ist auf der einen Seite eine Wohltat, auf der anderen Seite ist das psychisch auch eine ganz spezielle Herausforderung.
Wie haben Sie Ihren Geist auf die Einsamkeit vorbereitet?
Mentales Training war mir bei meiner Vorbereitung fast noch wichtiger als das körperliche. Es ist am Ende meist der Kopf, der mit Strapazen nicht umgehen kann und einen zur Aufgabe zwingt.
Wie kommen Sie bisher zurecht?
Ich mache seit Jahren mentale Entspannungsübungen. Doch die ersten Tage waren wirklich extrem fordernd, aber ich rudere noch und habe langsam sogar Spaß dabei.
Wie ist es, allein auf dem Meer aufzuwachen?
Niemand da, bei dem man sich beschweren kann, dass man jetzt schon wieder an die Ruder muss. Aber auch niemand, für den man sich erst die Haare schick machen muss.
Wie sieht Ihr Tagesablauf an Bord aus?
Ich komme Tag für Tag besser in meinen geregelten Rhythmus von sechsmal zwei Stunden rudern hinein. Das habe ich mir so vorgenommen. Dazwischen schlafen, essen, staunen, und ab und an beantworte ich ein paar Interview-Fragen.
Wie können Sie diese Fragen von Ihrem Boot aus überhaupt beantworten?
Im Moment tippe ich auf einem sehr robusten Notebook, das mit einen Satellitentelefon verbunden ist. Glauben Sie mir, das ist auf einem schaukelnden Boot wirklich anstrengend. Die Daten werden über einen speziellen E-Mail-Service verschickt. Da die Seeluft und das Salzwasser extrem aggressiv sind, kommt man hier mit einer herkömmlichen Büroausstattung nicht weiter.
Sie haben Ihr Boot zum Teil selbst aufgebaut. Wieso haben Sie sich nicht helfen lassen?
Der Rumpf stammt aus einer Werft in England. Ich habe das Boot selbst komplett entkernt und neu ausgestattet. Das ganze Equipment und die Elektronik habe ich installiert. Die Kenntnisse zu erlangen war eine der Herausforderungen des Projekts, das stimmt. Aber ich muss das Boot ja auch in- und auswendig kennen - jedes Kabel, jede Schraube, jedes Detail. Wenn auf dem Ozean etwas kaputtgeht, kann ich ja nur schwer um Hilfe bitten.
Ihr Boot wiegt etwas mehr als eine Tonne. Wie können Sie diese Masse mit zwei Rudern überhaupt bewegen?
Uri Geller verbiegt mit seinen Gedanken angeblich Löffel, da werde ich doch dieses Boot mit so viel Willenskraft und so vielen Unterstützern im Geiste mit meinen Armen vorantreiben können. Im Moment geht es ganz gut. Ich muss mit einem schweren Boot halt einfach etwas länger rudern für eine Seemeile auf dem Distanzkonto.
Worin besteht die größte Herausforderung bei Ihrem Unterfangen?
Morgens aufzustehen und sich an die Ruder zu setzen. Trotz der Schmerzen, trotz der hohen Wellen.
Hatten Sie bislang schon Schmerzen vom Rudern oder kommen die in den nächsten Monaten erst noch?
Ja, reichlich. Dazu kommt, gerade der Schlafmangel und die Seekrankheit in den ersten Tagen haben ihre Spuren hinterlassen. Gleich zu Beginn hatte ich auch wie erwartet starke Rückenschmerzen, da der Körper nicht nur rudert, sondern auch ständig die heftigen Bootsbewegungen ausgleichen muss. Auch das Sitzen selbst war nach drei Tagen in der Nässe sehr schmerzhaft. Aber jetzt bin ich ein Stück von der Küste entfernt. Da habe ich mehr Zeit, die Haut zu versorgen und mich zu dehnen, da geht das schon viel besser. Seit dem achten Tag bin ich auf einem akzeptablen Schmerzniveau.
Was machen Sie, wenn Sie in einen heftigen Sturm mit zehn Meter hohen Wellen geraten?
Stürme versuche ich natürlich zu vermeiden, auch wenn das Boot dafür gebaut wurde, starken Wellengang auszuhalten. Ein Albtraum bleibt es trotzdem. Ich habe aber Möglichkeiten, die Risiken zu minimieren. Zum Beispiel über eine Art großen Fallschirm, der bei einem Sturm als Anker dient. Außerdem ist meine Kabine mit Fangnetzen ausgekleidet. Ein Gurt, ein Helm und eine Bissschiene hängen da direkt vor mir. Dazu habe ich die aktuellen Wetterprognosen, die mich vor Überraschungen bewahren sollen und mir genügend Zeit geben, mich darauf einzustellen.
Was machen Sie, wenn Sie sich verletzen?
Auf diese Situation bin ich vorbereitet. Mit einem neun Kilo schweren Medizin-Kit, das ich genau kenne und einzusetzen weiß. Ich bin medizinisch geschult und kenne die zum Teil schweren Verletzungsrisiken und weiß, was dann zu tun ist. Für den Extremfall, sollte ich mir selbst gar nicht mehr helfen können, kann ich um Unterstützung bitten. Die würde aber einige Tage auf sich warten lassen. Dazu bin ich einfach zu weit weg vom Festland, als dass man mir einfach einen Helikopter schicken könnte.
Was, wenn es doch nicht mehr weitergeht?
Es gibt keinen einfachen Ausstiegsplan, wenn ich erst einmal weit genug vom Land entfernt bin. Die einzige Ausnahme: unmittelbare Gefahr für mein Leben. Dann kann ich eine Notbake aktivieren, abwarten und hoffen. Die Kosten für solche Rettungsaktionen sind astronomisch, also schreit man nicht einfach um Hilfe, wenn's kritisch wird. Außerdem birgt jede Rettungsaktion auf hoher See in sich große Gefahren.
Wie navigieren Sie auf dieser Reise?
Meist über einen traditionellen Kompass. Ich plane vorher mit einem GPS-Gerät die Route, navigiere dann aber abschnittsweise per Magnetnadel, um Strom zu sparen. Doch solange ich per Satellitenortung planen kann, nutze ich das natürlich. Sollte diese aber inklusive aller Back-ups ausfallen, werde ich trotzdem nicht im Kreis rudern. Ich bekomme meine Koordinaten für die Papierkarten zusammen und kann mit Hilfe der Sterne navigieren.
Wie gewinnen Sie Ihr Trinkwasser?
Es gibt Geräte, die über die sogenannte Umkehr-Osmose das Salz aus dem Meerwasser entfernen. Ich kann über einen Entsalzer mit elektrischem Antrieb circa sechs Liter pro Stunde aufbereiten. Mangelt es an Strom, geht das auch manuell.
Sie haben für die rund 7000 Kilometer lange Strecke 250 Kilo Nahrungsmittel mitgenommen. Was machen Sie mit dem ganzen Müll?
Der ganze nichtorganische Abfall wird gesammelt und später korrekt entsorgt. Vor dem Ablegen habe ich darauf Wert gelegt, den möglichen Müll zu reduzieren. Das wirkt sich positiv auf's Gewicht aus.
Sind Ihnen bisher schon Haie, Wale oder andere Tiere begegnet?
Ja, Wale habe ich bereits gesichtet. Eine Gruppe Delfine ist vor zwei Tagen morgens um mein Boot getanzt. Dazu unzählige Quallen, die stundenlang ums Boot herum durchs Wasser treiben. Außerdem sehe ich viele, viele Fische. Das Meer lebt.
Frau Jakait, Sie rudern, um ein Zeichen gegen den Lärm in den Ozeanen zu setzen. Was hat es damit auf sich?
Die Auswirkungen des Unterwasser-Lärms sind dramatisch und betreffen besonders Wale und Delfine, die über Geräusche kommunizieren. Aber auch ganze Fischbestände werden durch den Lärm verdrängt, was das ganze Ökosystem durcheinanderbringt. Am Ende betrifft es damit auch uns Menschen.
Und was sind die Folgen?
Wale werden häufig mit inneren Verletzungen an die Küsten gespült, die ihnen durch starke Lärmquellen wie militärische Sonare oder die akustische Suche nach neuen Ölquellen zugefügt wurden. Oft werden die Tiere auch von Schiffen verletzt, denen sie aufgrund ihrer Orientierungslosigkeit nicht mehr ausweichen können. Außerdem werden Walmütter durch den Lärm von ihren Jungen getrennt. Und die Suche nach einem Partner wird erschwert. Den bedrohten Tieren wird die Fortpflanzung erschwert.