Die Landeshauptstadt sperrt alte Dieselfahrzeuge aus. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Besitzer von Euro-4-Dieseln müssen wegen des Fahrverbots in Stuttgart um die Landeshauptstadt herumfahren. Die kürzesten Routen führen aber mittendurch. Unsere Redaktion hat deshalb versucht, Alternativrouten für die Reise zu finden.

Fellbach - Das ist eine Klickerei und Maus-Zieherei auf der Karte des Routenplaners! Der Internetdienst will einfach nicht begreifen, dass die Strecke nicht durchs Stadtgebiet von Stuttgart führen darf und leitet doch immer wieder dorthin. Weil Behörden und Automobil-Clubs für Besitzer eines Euro-4-Diesels keine Ausweichrouten von der Fahrverbotszone – dem Stadtgebiet Stuttgart – nennen, hat sich der Autor dieser Zeilen notgedrungen zum Verkehrsexperten aufgeschwungen, um einen Weg durch den Verkehrsdschungel zu schlagen: Die Fahrtroute zur Autobahn Richtung Karlsruhe oder nach Singen ist gesucht.

Eine Leserin fragt in der Redaktion nach, wie sie künftig auf die Autobahn kommt

„Wie komme ich eigentlich jetzt zur Autobahn?“, hat eine Leserin die Redaktion in Fellbach gefragt. „Eine Empfehlung können wir nicht herausgeben“, sagt Stadtsprecherin Sabine Laartz. Die gleichen Töne einige Kilometer östlich: „Empfehlungen für Alternativrouten zur B 10 oder A 8 spricht Kernen keine aus. Zumal die Autofahrer ohnehin die Strecke benutzen, die sie selbst als die sinnvollste erachten“, teilt Sprecherin Susanne Herrmann mit.

Also folgt der Blick auf Landkarten und Routenvorschläge im Internet. Nach Norden, Richtung Heilbronn, ist die Fahrt zu den A-81-Auffahrten Ludwigsburg, Pleidelsheim, Mundelsheim noch offen. Aber schon wer gewohnt ist, durch den Kappelbergtunnel auf die B 10 und in Richtung A 8 zu kommen muss umdenken. Denn der Kappelbergtunnel taugt nicht mehr. Er führt direkt in die Stuttgarter Umweltzone, die seit 1. Januar für Dieselfahrzeuge der Norm Euro 4 tabu ist.

Etwa 18 000 Euro-4-Diesel-Personenwagen sind im Rems-Murr-Kreis betroffen

Es gibt etwa 18 000 betroffene Euro-4-Diesel-Personenwagen im Rems-Murr-Kreis. Zum Vergleich: Im Kreis sind etwa 258 473 Autos zugelassen. „Die Zahlen sind im Moment vielleicht noch überschaubar. Wenn tatsächlich im Herbst Euro-5-Fahrverbote hinzukommen, gewinnt das aber an Dynamik“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Jochen Haußmann. Es gibt etwa 28 000 Euro-5-Diesel an Rems und Murr.

Wer bisher durch den Kappelbergtunnel gefahren ist, muss künftig irgendwo über den Schurwald, um die B10 außerhalb von Stuttgart zu erreichen. Auffahrten gibt es in Stetten, in Strümpfelbach, in Beutelsbach oder in Winterbach. Die Bewohner der teils engen Ortsdurchfahrten werden sich über noch mehr Verkehr nicht freuen. Jochen Haußmann kritisiert: „Dem Gesundheitsschutz vor Stickoxid in Stuttgart stehen ökologische Auswirkungen anderswo entgegen. Die Ausweichfahrten sind deutlich länger und produzieren mehr Schadstoffe.“

Manche Amtspersonen nehmen das hin: „Grundsätzlich plädiert Bürgermeister Stefan Altenberger dafür, gelassen zu bleiben, was das Dieselfahrverbot sowie eventuell daraus resultierende Verkehrs-verlagerungen auf die Straßen über den Schurwald betrifft“, berichtet Susanne Herrmann. Aus Sicht des Rathauschefs und des Beigeordneten Peter Mauch seien Empfehlungen nach dem Sankt-Florians-Prinzip der falsche Ansatz.

Die Autobahnen sind nicht Teil der Umweltzonen und daher befahrbar

Wer die Route Richtung Bodensee im Routenplaner auf dem Bildschirm endlich so verschoben hat, dass sie die Fahrverbotszone nicht mehr tangiert, fährt über den Stettener Sattel nach Esslingen und weiter zur Autobahnauffahrt Neuhausen/Filder. Die Autobahnen sind nicht Teil der Umweltzone und daher für Euro-4-Diesel befahrbar. Es ist aber ein Weg in weitem Bogen um die Landeshauptstadt herum einzuschlagen bis zum Autobahnkreuz Stuttgart, um auf die A 81 Richtung Singen zu gelangen. Der Umweg beträgt laut Routenplaner 25 Kilometer. Die Fahrt verlängert sich, je nach Verkehrslage um 20 Minuten.

Der Umweg auf die A8 über Neuhausen auf den Fildern ist auch eine Option, wenn der Besitzer eines älteren Diesels Karlsruhe als Ziel hat. Eine wenig bekannte Ausnahme in der Umweltzone Stuttgart eröffnet nach Westen allerdings eine Alternative: „Die Strecke B10 und B27a zwischen Korntal-Münchingen und Kornwestheim ist von dem Verbot ausgenommen. Möglich wäre, von Fellbach über die B27 und B10 auf die A81 zu fahren“, bestätigt Jasmin Bühler, Sprecherin der Stadt Stuttgart. Der Weg geht über die staugefährdete Neckarbrücke bei Neckarrems. Ernüchternd ist das Ergebnis des Routenplaners auch sonst: Der Umweg beträgt zehn Kilometer. Ein wesentlicher Zeitverlust gegenüber der Fahrt durch Stuttgarts Mitte ist aber nicht zu erkennen. Die Verkehrslage zum Zeitpunkt der Fahrt dürfte entscheiden.

In Fellbach spürt man die Folgen des Fahrverbots drastisch. Ein Navi hilft nicht weiter

Ein Navi hilft übrigens nicht weiter. Jedenfalls ist dem Pressesprecher des ADAC Württemberg, Reimund Elbe, kein Navigationsgerät bekannt, das sich auf die Fahrverbotszone schon einstellen könnte: „Das wäre eine Aufgabe für die Hersteller“, sagt Elbe. Ausgearbeitete Empfehlungen gibt auch der ADAC-Sprecher nicht: „Es ist eine sehr unbefriedigende Situation, eine Lösung gibt es nicht“, sagt er. „Fellbach ist leider ein gutes Beispiel, wo man die Folgen eines Fahrverbots sehr drastisch spürt.“