Rotkreuzschwestern vor dem Mutterhaus Hotel Herrmann in Bad Cannstatt anno 1921 Foto: wssrk

Sie waren stets ein Spiegelbild ihrer Zeit. Bei ihrer Gründung waren die Regeln strikt, in den Zweiten Weltkrieg zogen sie begeistert, später durften sie heiraten. Die Ausstellung „pflegen helfen“ erzählt die Geschichte der Württembergischen Rotkreuzschwestern.

Stuttgart - Seit genau 100 Jahren gibt es die Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz, kurz WSSRK. Der eingetragene Verein ist Teil des Deutschen Roten Kreuzes und versteht sich als weltliche Schwesternschaft für Pflegekräfte, die sich nach den Grundsätzen des Roten Kreuzes richtet. Damit ist sie eine von bundesweit 31 Rotkreuzschwesternschaften, die in einem Dachverband zusammengefasst sind. Anlässlich ihres Jubiläums präsentiert die Schwesternschaft ihre bewegte Geschichte zum ersten Mal in einer Ausstellung mit dem Titel „pflegen helfen“. Sie führt die Besucher durch mehr als 100 Jahre deutscher Geschichte, beleuchtet den Einsatz der Rotkreuzschwestern in zwei Weltkriegen und blickt auf die Zukunft der Schwesternschaft.

Anfänge nach dem Ersten Weltkrieg

Die Anfänge der Rotkreuzschwestern in Württemberg gehen auf den Ersten Weltkrieg zurück. Damals wurden nach US-amerikanischem Vorbild Lazarettzüge zur Versorgung der Deutschen Truppen eingesetzt, in denen Frauen den Medizinern assistierten, zum Beispiel Verbände anlegten. Um die Erfahrung dieser Frauen auch nach ihrem Einsatz nutzen zu können, wurde 1919 in Stuttgart die Schwesternschaft gegründet. Im gleichen Jahr erwarb sie das Hotel Herrmann in Bad Cannstatt, das erste Mutterhaus. Hier hielten die ersten drei Schwestern Sprechstunde und zogen mit dem Leiterwagen los, um Spenden zu sammeln. In den Mutterhäusern lebten die Schwestern zusammen. Sie wurden versorgt und bekocht, damit sie sich auf die Pflege Kranker und Bedürftiger konzentrieren konnten.

Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg

Die Ausstellung im Haus der Wirtschaft dokumentiert die strengen Regeln, nach denen die Schwesternschaft organisiert war: Die Pflegerinnen mussten eine strikte Nachtruhe einhalten und sich in der Freizeit bei ihren Oberinnen abmelden. In der Ordnung der Schwesternschaft war außerdem genau festgelegt, zu welchen Anlässen welche Tracht getragen werden musste. Am eindrücklichsten ist die Ausstellung „pflegen helfen“, wenn sie das Leben einzelner, bedeutender Schwestern rekonstruiert.

Die Tagebücher zweier Rotkreuzschwestern, die im Zweiten Weltkrieg in Russland eingesetzt wurden, geben Einblick in die Gleichschaltung des Roten Kreuzes durch das NS-Regime. Anna Marie Wecker meldete sich bereits vor Kriegsbeginn freiwillig für die Unterstützung der Wehrmacht, wurde als eine der ersten Rotkreuzschwestern eingezogen. Aus ihrem Tagebuch spricht die Begeisterung für den Krieg, sie schreibt abfällig über die russische Bevölkerung und Juden. Ganz anders lesen sich die Aufzeichnungen von Pauline Sonntag. Sie schildert die Schrecken des Krieges und Operationen im Granatenhagel, unterscheidet bei ihrer Arbeit nicht zwischen Freund und Feind. Im hohen Alter reiste sie erneut nach Russland und hoffte: „Es darf nie wieder zu einem solchen Krieg kommen.“

Auch bei den Schwestern zog die Moderne ein

Über die Jahre seit dem 2. Weltkrieg wurden die Rotkreuzschwestern immer moderner: Seit den 1960ern durften sie auch heiraten, in den 90er-Jahren wurde die einheitliche Tracht der Schwestern abgeschafft. Als einziges Erkennungsmerkmal tragen sie heute noch eine Brosche mit dem Roten Kreuz darauf. Sie leben auch nicht mehr gemeinsam in Mutterhäusern, sondern haben Wohnungen und Familien. Im historischen Mutterhaus in Stuttgart ist die Verwaltung des Vereins untergebracht, ein Anbau für ein Alten- und Pflegeheim ist derzeit in Planung. Viele von den rund 1800 Mitgliedern des Vereins arbeiten regulär als Pflegekräfte in Krankenhäusern wie dem Klinikum Stuttgart. Die Ausstellung erzählt auch von diesen Entwicklungen hin zur Moderne, vom Fachkräftemangel mit dem auch der Verein zu kämpfen hat und von Hilfseinsätzen im Ausland zusammen mit dem Roten Kreuz.

Die Ausstellung ist noch bis zum 24. Mai im Haus der Wirtschaft zu sehen, danach ist sie vom 18. Juni bis zum 14. Juli im Stuttgarter Rathaus ausgestellt.