Italophile Soundtrackmacher auch ohne Film: Yvy Pop und Christian Bluthardt alias Mondo Sangue Foto: Ronny Schoenebaum/Mondo Sangue

Mondo Sangue veröffentlichen den Soundtrack für einen fiktiven Giallo. Die Releaseshow fällt aus, doch am Montag gibt es ein Liveevent.

Stuttgart - Normalerweise fallen in Giallo-Filmen gut gekleidete, hübsche Frauen einem ominösen Mörder zum Opfer. Nun killt Corona die Releaseshow für Mondo Sangues Soundtrack zum fiktiven Italokrimi. Es ist das vierte Werk des Stuttgarter Filmmusik-Duos, das zuvor den Genres Kannibalenfilm und Spaghettiwestern huldigte.

Nun hat das Duo eine Hommage an den Giallo aufgenommen, also das vom Regisseur und Kameramann Mario Bava erfundene und in der italienischen Filmindustrie der 1960er und 1970er Jahre etablierte Subgenre des psychedelisch angehauchten, opulent inszenierten Thrillers. „Rosso Come La Notte“ erzählt die Geschichte der Mailänder Tierpräparatorin Barbara, die im Auftrag des Böblinger Fleischermuseums in den Schwarzwald und von dort direkt in die Hölle reist. Im Museum hätte die Platte am Samstag effektvoll vorgestellt werden sollen. Wegen der Pandemielage hat die Stadt Böblingen das aber untersagt.

Eine Woche zu spät

Diesmal sind Yvy Pop und Christian Bluthardt eine Woche zu spät. Vergangenes Jahr hatten sie ihr Science-Fiction-Werk „Vega-5“ noch bei den Dragon Days vorstellen dürfen, wenn auch unter pandemiebedingt skurrilen Umständen. 2021 bleibt einem nur, die vom Fleischermuseum geförderte, in diversen Sammlereditionen erschienene Platte aufzulegen – oder mit den Musikern per Videocall ihr neues Werk zu besprechen.

„Wenn man mit Genrekino nichts am Hut hat, würde man denken, dass in Gialli attraktive Frauen wie am Fließband ermordet werden“, sagt der Filmmusiker Christian Bluthardt. Es sei aber ganz anders: „Der Giallofilm sprüht vor Virtuosität und Style. Die Städte und Menschen sahen nie schöner aus. Dazu gehören auch die kunstvoll inszenierten Leichen, das leuchtend rote Blut und das Psychedelisch-Alptraumhafte.“

Bela B. singt mit

Mag sein, dass das italophile Duo da nicht ganz neutral ist. Reizvoll ist die Geschichte der Giallo-Soundtracks allemal. Was mit Ennio Morricones Orchester-Scores für die ersten Filme des Regisseurs Dario Argento begann, entwickelte sich in der Progrock-Ära weiter. 1975 engagierte Argento die Band Goblin, um den Soundtrack für „Profondo Rosso“ einzuspielen, ein ausuferndes Werk mit psychedelischer Orgel. „Diesen Moment wollte ich auf unserer Platte aufgreifen“, erzählt Christian Bluthardt. Der typische Sound dieser Zeit kommt vor allem im zweiten Teil des Albums zum Vorschein.

„Rosso Come La Notte“ endet mit dem Duett „To Hell“, bei dem einmal mehr Bela B. (Die Ärzte) mitsingt – ein so düsteres wie Mondo-Sangue-typisches Duett zu dramatisch-orchestralen Arrangements. Wie bei den anderen drei Alben findet sich viel Atmosphärisches, außerdem einige zu den Songtiteln passende Spoken-Word-Passagen. Dank des grob skizzierten Plots gleitet der fiktive Soundtrack nicht ins rein Ironische ab und vermeidet trotz zahlloser offensichtlicher und versteckter Anspielungen das bloße Zitat. Vielmehr behauptet sich der Zugang als eigenständige musikalische Form. Mondo-Sangue-Platten sind pophistorische Denkmäler in zweiter Ableitung.

Einen Art Ersatz für die ausgefallene (oder vielmehr bis ins Frühjahr aufgeschobene) Releaseshow gibt es übrigens: Am Montag sind Yvy Pop und Christian Bluthardt von 21 Uhr an im Stuttgarter Theater Rampe bei der Montage-Reihe zu Gast, der Eintritt ist frei. Angekündigt ist eine „faszinierende Reise auf den Spuren kreativer Regisseure und großer Komponisten“. Zur Vorbereitung empfehlen Mondo Sangue einige ihrer Lieblings-Gialli: Mario Bavas „Blutige Seide“ (1964), Dario Argentos Debüt „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ (1970) oder Umberto Lenzis als Edgar-Wallace-Film vermarktetes „Rätsel des silbernen Halbmonds“ (1972) mit Uschi Glas.