Zum Weltfrauentag ruft die Drogeriekette Rossmann zu mehr Vielseitigkeit auf. Foto: dpa

Zum Weltfrauentag ruft die Drogeriekette Rossmann zu mehr Vielseitigkeit auf. Frauen sollen Heldinnen, Sportskanonen, Divas sein – jeden Tag etwas Neues. Warum der Stress? Eine Abrechnung von Lena Appel.

Stuttgart - „Heute ist euer ganz persönlicher Prinzessinnen-Tag: Zäumt euer Einhorn auf und lasst es Glitzer regnen!“, diese Botschaft hat Rossmann jüngst auf seiner Internetseite verbreitet. Der Aufruf ist Teil der Kampagne „Lasst die Frau raus“, die die Drogeriekette zehn Tage vor dem Weltfrauentag am 8. März angestoßen hat. Frauen sollen die geballte Weiblichkeit ausleben und jeden Tag ein anderes arttypisches Geschöpf darstellen: Die Naschkatze, die Naturschönheit, die Powerfrau, die Beautyqueen, die Prinzessin, die Diva, die Genießerin, die Nachteule, die Sportskanone, die Heldin. Es ist ein Countdown der Vielseitigkeit – und der Klischees.

Die Kampagne will die Kundinnen anstiften, Wunschbildern hinterher zu sprinten – tatsächlich überrollt sie diese mit gesellschaftlichen Erwartungen. Doch die muss frau nicht erfüllen: Frauen fühlen sich nicht jeden Morgen wie Wesen, die Beautyqueens rauslassen wollen. „Leckere Pralinen und knusprige Kekse“ ersetzen Naschkatzen auch mal durch Billigschokolade und kaum eine lässt als Prinzessin Glitzer regnen. Viel erfrischender wäre eine Kampagne, die für eine entspannte Natürlichkeit wirbt. Frauen dürfen auch mal faul, unsportlich oder uncool sein. Sie müssen nicht immer für andere scheinen – auch nicht in sozialen Medien.

Auf Instagram unter dem Hashtag #lasstdiefrauraus

Rossmann fordert die Kundinnen auf, dass sie sich auf Instagram unter dem Hashtag #lasstdiefrauraus öffentlich in Szene setzen. Mehr als 770 Frauen posteten bislang ein Foto unter dem Hashtag. Die Interpretationen von Weiblichkeit sind dabei unterschiedlich: Eine im Post-Text selbsternannte Naturschönheit streichelt auf ihrem Foto den Genitalbereich einer Herkulesstatue. Für eine andere ist ein Abbild einer Schüssel Chia-Samen-Pudding die Erfüllung von Frausein. Für die meisten ist es das klassische Selfie, gerne auch: mit Kuh oder Sportschlitten im Hintergrund. Die kreativsten Posts belohnt Rossmann mit Einkaufsgutscheinen, Freundinnen-Wochenenden und Schönheits-Boxen.

Die Kampagne ist damit mehr Selbstinszenierung und hübsch verpacktes Marketing, als ein Aufruf zu Individualität und Selbstverwirklichung. Eine Frau braucht keine „tollen Gewinnspiele“ einer Drogeriekette und keine sozialen Medien, um Genießerin oder Heldin zu sein.

Schon gar nicht braucht sie eine „Centaurin“, ein Mischwesen aus Frau und Pferd, das Rossmann für seine zu etwa 80 Prozent weiblichen Kunden entworfen hat. Denn als krönenden Abschluss der Aktion erhält die größte Rossmann-Filiale Europas in Hannover am 8. März ein „Rebranding“. Der Centaur im Logo wird zur „Centaurin“. Aus Rossmann wird Rossfrau. Aus Frauensicht ist das mit Blick auf die wirklich wichtigen Fragen rund um die Gleichberechtigung völlig unerheblich: Frau Herrmann würde sich zum Weltfrauentag auch nicht Frau Damenfrau nennen.