Nur nichts verschütten: Omar Ghadi füllt Rosenöl in kleine Fläschchen. Foto: Eglau

Im Hochland Saudi-Arabiens wird seit 200 Jahren das weltweit begehrte Rosenöl produziert. Ein höchst lukratives Geschäft.

Taif - Behutsam schält Omar al-Gadhi die dickwandige Flasche aus dem schwarzen Filz. Vor sich auf dem Tisch hat er kleine, verzierte Gläschen aufgestellt, die Toulas genannt werden. Seit einem halben Jahrhundert widmet sich der 74-Jährige Jahr für Jahr dieser delikaten Arbeit, die die aufreibende Blütensaison krönt. Behutsam taucht er die Glasspritze in das Gefäß, zieht etwas von der kostbaren, lindgrünen Flüssigkeit auf und füllt eine Toula nach der anderen mit exakt zwölf Milliliter Rosenöl. Für 400 Euro gehen seine fingergroßen Fläschchen in den Handel, jedes hergestellt aus 15 000 Rosen der Sorte Damascena trigintipetala, deren Köpfe dreißig Blütenblätter tragen.

Omar al-Gadhi lebt in Taif. Seine Familie hat die 500 000-Einwohner-Stadt im südlichen Hochland Saudi-Arabiens einst als Rosenmetropole berühmt gemacht. Im Sommer, wenn die meisten anderen Gegenden des Wüstenkönigtums unter 50 Grad Hitze ächzen, herrschen hier auf fast 2000 Meter Höhe angenehme Temperaturen. Zehntausende saudische Urlauber fühlen sich angezogen durch das milde Klima, die grünen Landschaften und die einzigartige Blütenkultur.

Exportiert wird auch nach Europa

Seit 1821 existiert Gadhis Rosenölfabrik im Viertel Al-Salamah und ist damit die älteste der Stadt, in der inzwischen insgesamt 120 Betriebe ansässig sind. Kunden sind vor allem Mekka-Pilger, die ein wertvolles Andenken suchen. Exportiert wird aber auch in die anderen Golfstaaten und zu den großen Parfümherstellern in Europa. In der Erntezeit von März bis Mai sind sämtliche Felder und Täler wie mit einem rosa Belag überzogen. Überall duftet es nach Rosen, während in der Gadhi-Fabrik Hochbetrieb herrscht. Die Wasserdampfdestillen köcheln rund um die Uhr. Besitzer Omar al-Gadhi kommt bereits um 4 Uhr früh und geht nicht vor Mitternacht. An Spitzentagen kauft er bis zu zwei Millionen Rosen, die im Morgengrauen geerntet und binnen Stunden verarbeitet werden müssen, weil sich sonst ihre Essenz in der Tageshitze verflüchtigt. Umgerechnet zwölf Euro kosten tausend Blüten, schnell wechseln da schon mal 25 000 Euro den Besitzer. Die ausgekochten Reste werden an die Bauern der Umgebung als Futter verkauft, deren Kühe dann Milch mit einem Hauch von Rosenaroma geben.

Erst im Sommer kehrt wieder Ruhe ein, von den 16 Mitarbeitern sind noch vier auf dem Gelände. Der gewonnene Blütensaft wird abgefüllt, ausgeliefert und verkauft – ein lukratives Geschäft. Rosenöl zählt zu den teuersten ätherischen Ölen auf dem Globus. Je nach Wetter und Ernte extrahiert die Gadhi-Manufaktur zwischen 20 und 22 Kilogramm pro Jahr, was ihrem Besitzer rund 200 000 Euro Gewinn beschert.

Gegen Cholesterin und für die Liebe

Ähnlich profitabel wirtschaftet auch der eine Generation jüngere Khaled al-Kamal, der zweitgrößte Produzent in Taif. Er hat schon viel von der Welt gesehen, reist gerne nach Paris, um sich Anregungen bei den ganz Großen der Duftbranche zu holen. Sein Rosenwasser preist der Mann mit dem sorgfältig gestutztem Bart an wie ein Allheilmittel – es pflege die Haut und helfe gegen Akne, senke das Cholesterin und schmecke auch im Tee, beflügele die Glückshormone und betöre die frisch Verheirateten.

Seine eigenhändig komponierten Parfüme sind wegen ihrer Schwere eher etwas für orientalische Kunden, sie tragen Namen wie „Meine Nacht“ oder „Meine Fantasie“, „Der Ritter“ oder „Das Öl des Königs“. „Ich bin verrückt nach Rosen“, seufzt der 50-Jährige in seinem Geschäft mitten im Altstadtbasar. Auf seinem Handy zeigt er schmunzelnd ein Video, das ihn wie einen Badenden in einem Meer von Rosenblüten zeigt. Kritik von sittenstrengen islamischen Geistlichen an seinem betörenden Gewerbe habe er dagegen noch nie erlebt, beteuert er. „Auch die sind alle ganz versessen darauf, mein Rosenöl zu kaufen.“