Die beiden Freunde Alex* und Flo* teilen das gefährliche Hobby „Roofing“. Foto: privat

Vor kurzem kletterten zwei Unbekannte nachts auf einen über 250 Meter hohen Baukran bei Rottweil: Roofing wird dieses waghalsige, meist illegale Hobby genannt. Auch Alex hat schon einige Erfahrung damit, vor allem in der Region Stuttgart. Warum macht er das?

Stuttgart - Alex* (23) und sein Kumpel Flo* (24) kennen sich schon viele Jahre. Die beiden verbindet vor allem die Liebe zum Klettern – vorzugsweise auf Kräne, Funktürme, hohe Gebäude. Sie kennen auch die beiden Unbekannten, die kürzlich in Rottweil auf einen riesigen Baukran kletterten und das Video anschließend auf Youtube hochluden – mit mittlerweile mehr als 276.000 Klicks. Die ersten sogenannten Roofer (vom englischen „roof“ = Dach) kamen in Moskau auf die irrsinnige Idee, in luftiger Höhe ohne Sicherung akrobatische Übungen zu vollführen, sich dabei zu filmen und ihre Aktionen anschließend in sozialen Netzwerken zu verbreiten. Dass Roofing illegal und äußerst gefährlich ist, ist Alex klar. Er ist jedenfalls froh, dass sich sein kleiner Bruder nicht dafür interessiert.

Zuallererst: Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, nachts auf Kräne und Gebäude zu klettern?
Ganz einfach – wir klettern gerne. Erst in diesem Jahr hat es sich entwickelt, dass wir mal auf eine Baustelle in der Nähe gegangen sind. Dabei hatte ich als Kind krasse Höhenangst, nachdem ich im Ski-Urlaub mit der Familie fast abgestürzt wäre. Ich wollte lange nicht mal auf Aussichtstürme hoch. Aber das hat sich irgendwann wieder gelegt – offensichtlich!
Das sogenannte „Roofing“ kommt ja ursprünglich aus Moskau, wo die ersten Roofer angefangen haben, Videos von ihren Aktionen ins Netz zu stellen. Das sind also nicht eure „Vorbilder“?
Nein, was die machen ist ja komplett durch. Dort oben irgendwo herumzubalancieren ohne sich festzuhalten, da hab’ ich keinen Bock drauf. Ich habe zwar keine Angst mehr vor Höhen – aber großen Respekt.
Aber wenn es euch nur ums Klettern geht – warum dann nicht einfach in der Kletterhalle oder am Fels?
Naja, der Reiz ist neben dem Klettern an sich vor allem, dass man so an Orte kommt, wo außer uns nur sehr wenige Menschen hinkommen. Also eigentlich nur Bau- und Wartungsarbeiter – und wir.
Geht es nicht auch vor allem darum, in sozialen Netzwerken Aufmerksamkeit zu bekommen?
Nein, das ist überhaupt nicht unser Ding. Flo hat zwar seine Spiegelreflexkamera dabei – aber wir machen die Bilder vor allem für uns und für Leute, die wir persönlich kennen und die sich dafür interessieren. Wir machen keine Videos und haben auch weder auf Youtube noch auf Facebook oder Instagram eigene Accounts dafür.
Auf euren Bildern seid ihr auch auf einem Kran in der Stuttgarter Innenstadt zu sehen. War das ein spontaner Einfall, dort hochzuklettern?
Nein, wir haben uns das schon tagsüber angesehen. Am selben Abend sind wir auch auf ein Gebäude geklettert, das direkt neben einem Polizeirevier liegt – die haben wir erst mal eine Weile beobachtet, bevor wir hoch sind. Es haben uns dann aber ein paar Betrunkene von unten gesehen und angefangen zu grölen, also sind wir recht schnell wieder runter.
Gab es denn mal eine besonders brenzlige Situation bei euren Aktionen?
Hm. Wir waren einmal auf einem Dach unterwegs, das ziemlich rutschig war. Da mussten wir dann flach kriechen... Erwischt worden sind wir aber noch nie. Wir sind auch sehr vorsichtig.
Vorsichtig – ohne Sicherung?
Man kann sich bei den meisten Sachen, auf die wir klettern, gar nicht wirklich sichern. Ich komme aus dem Baugewerbe und kenne mich ein bisschen aus. Einmal wollte ich auf einen Kran hoch, habe dann aber sofort gemerkt, dass die Leiter komisch wackelte – da stimmte was nicht. Also haben wir es sofort gelassen. Außerdem sind wir beide wirklich gute und erfahrene Sportler. Wir klettern auch nur zu zweit und mit niemand anderem, weil man sich vertrauen und aufeinander verlassen können muss. Außerdem achten wir darauf, dass wir ausgeschlafen sind und ausreichend gegessen und getrunken haben. Wenn das Wetter nicht mitspielt, ziehen wir es auch nicht durch.
Wer aus eurem Bekanntenkreis weiß über euer „Hobby“ Bescheid?
Einige Kumpels, meine Freundin, mein kleiner Bruder – und unsere Mütter.
Eure Mütter? Und was sagen die dazu?
Die sind da eigentlich recht locker, sie haben auch unsere Bilder schon gesehen. Meine Mutter weiß, was ich kann – und dass, wenn sie es mir verbieten würde, ich es trotzdem mache. Auch mein Vater weiß Bescheid. Flos Mutter meint auch, dass sie ihm mit 24 Jahren nichts mehr vorschreiben muss. Wir gehen ja auch nicht unüberlegt an die Sache heran. Meine Freundin ist zwar nicht so begeistert, aber auch da steht das nicht wirklich zur Diskussion.
Habt ihr euch mal überlegt, was ihr macht, wenn es zu einem Unfall kommen sollte?
Naja, ehrlich gesagt haben wir da nie drüber gesprochen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blauäugig, aber wir sind vorsichtig und gehen davon aus, dass das nicht passiert. Deshalb klettern wir auch nur zu zweit, und würden auch nie andere mitnehmen, die uns ab und zu anquatschen. Wenn ich mir vorstelle, dass mein kleiner Bruder mitgehen würde, und dem würde etwas passieren. Aber der interessiert sich gar nicht dafür. Für Adrenalinkicks gibt es heutzutage ja auch genügend andere Gelegenheiten – Bungeejumping oder Moutainbiken macht auch richtig Spaß.
 *Namen von der Redaktion geändert.