Ron Howard hat mit Amy Adams und Glenn Close den autobiografischen Bestseller „Hillbilly Elegy“ von J. D. Vance verfilmt.
Stuttgart - Der Populist Donald Trump hat es 2016 geschafft, traditionell demokratische Wahlgebiete zu gewinnen – etwa den „Rust Belt“ („Rostgürtel“), jene alte Industrieregion unter den großen Seen, deren Abstieg in den Siebzigern mit der Krise der Stahlindustrie begann. Die überwiegend weißen Bewohner wurden arbeitslos, Städte verödeten, Alkohol und Drogen blieben als Zuflucht. Diese Abgehängten rückte der Yale-Absolvent J. D. Vance, Jahrgang 1984, in seinem autobiografischen Buch „Hillbilly Elegy“ 2016 ins Licht der Öffentlichkeit.
„Hillbilly“ bedeutet „Hinterwäldler“, Vance beschreibt einen stolzen, nicht zimperlichen Menschenschlag in den Appalachen mit starker Familienbindung, Hang zum Drama und Clanfehden. Sehr viele dieser Menschen wanderten der Jobs wegen nach Norden, Vance‘ Familie zog von den Hügeln („Hills“) Kentuckys nach Middletown/Ohio, eine alte Arbeiterstadt, wie sie Bruce Springsteen gerne besingt.
Oscar-würdige Darbietungen
Der Hollywood-Regisseur Ron Howard („A beautiful Mind“) hat den Stoff nun adaptiert. Wie im begrenzten Zeitrahmen eines Spielfilms üblich bebildert er das Elend dieses weißen Amerika exemplarisch, indem er auf Schlüsselszenen fokussiert. Er springt zwischen dem jugendlichen J. D. (Owen Asztalos) des Jahres 1997, der in prekären Verhältnissen aufwächst, und dem Jurastudenten in Yale im Jahr 2011 (als starker Softie: Gabriel Basso), zu dem er trotz allem geworden ist.
Die heimlichen Hauptfiguren aber sind zwei Frauen: Amy Adams („Arrival“) spielt J. D. s Mutter Beverly, Glenn Close („Die Frau des Nobelpreisträgers“) seine Großmutter, die alle nur „Mamaw“ nennen. Adams ist eine Wucht als beziehungsunfähige Alleinerziehende, die als Krankenschwester leicht Zugang zu Drogen hat. Wie sie in entscheidenden Momenten ihre Hand nach ihrem Sohn ausstreckt, wie sie ihm mit Hundeaugen wiederholt verspricht, nun werde sich alles bessern, wie sie ausrastet, gruslige Drohungen formuliert und sich der Polizei widersetzt – das ist durch und durch Oscar-reif.
J. D. s Karriere ist der Einsatz
Dasselbe gilt für Glenn Close. Sie gibt mit Flusenperücke und hinter riesigen Brillengläsern eine beinharte Matriarchin mit dem Vorbild Arnold Schwarzenegger. Sie sagt immer, was sie denkt, und erwägt regelmäßig ganz offen den Einsatz von Schusswaffen. Nachdem der vernachlässigte J. D. zu Mamaw gezogen ist, beschwert er sich, weil sie ihn ständig triezt mit Schule und Haushalt. „Ich habe dich nicht aufgenommen, um meine Beliebtheit zu steigern“, sagt sie trocken – ihr Enkel soll nur kein Loser werden.
Die Drehbuchautorin Vanessa Taylor („Shape of Water“) hat vieles untergebracht: Die Arroganz der Küstenbewohner, den Wert eines familiären Netzwerks, wo es kein staatliches gibt, die generelle Perspektivlosigkeit, die zurückbleibt, wenn die Marktwirtschaft weiterzieht. Howard inszeniert das souverän. J. D.s Karrierechancen werden zum Einsatz für ein großes Drama, Motive und Stränge sind vielsagend miteinander verflochten.
Nur in einem bleibt er unscharf: Was Hillbillies unterscheidet, welchen Einfluss ihre sturköpfige Mentalität auf die Malaise des „Rust Belt“ hat. Das wäre Stoff für eine Serie über diesen Film hinaus – sie könnte auch die Wurzeln der Hinterwäldler im alten Kentucky zeigen.