Vorsicht vor Betrugsmaschen im Internet. Foto: dpa-tmn

Betrüger umgarnen alleinstehende Menschen im Internet. Sie gaukeln ihnen die große Liebe vor – dabei wollen sie nur eines: ihr Geld. Für die Polizei ist es alles andere als einfach, die Täter zu ermitteln.

Stuttgart - Carolin (Name geändert) ist 27 Jahre alt, studiert und wohnt in Stuttgart. Ihre letzte Beziehung liegt jetzt schon mehr als fünf Jahre zurück. Sie selbst beschreibt sich als schüchterne Person, das gestalte die Partnersuche im Alltag schwierig. Im vergangenen Winter ist ihre Sehnsucht nach einem einfühlsamen Freund so groß geworden, dass sie sich bei einer Kontaktbörse im Internet anmeldete. Dort lernte sie nach wenigen Tagen den 33 Jahre alten Thomas kennen, einen Bankmanager aus London. Carolin und Thomas chatteten über Wochen hinweg, im März begannen sie, miteinander zu telefonieren. Mehrmals täglich meldete sich Thomas bei ihr. Er erklärte, im Sommer nach Deutschland kommen zu wollen. „Er war so charmant, gewitzt und aufmerksam – ganz anders als die meisten deutschen Männer“, sagt Carolin, „das hat sich so gut angefühlt. Obwohl ich ihn nur auf Fotos gesehen habe, habe ich mich regelrecht in ihn verliebt.“

Mitte Mai reiste Thomas angeblich beruflich nach Accra, in die Hauptstadt Ghanas. Am dritten Tag seines Aufenthalts rief er an, sagte, sein Reisepass und sein Portemonnaie mit Geld und Kreditkarten seien gestohlen worden. Er brauche dringend Bargeld, um in der britischen Botschaft ein temporäres Ausweisdokument bekommen und zurückfliegen zu können. Seine Bitte: Carolin soll 500 Euro auf sein Konto bei der Western Union Bank überweisen. Sie bekomme das Geld wieder, sobald er in England sei. Die Studentin war unsicher, erzählte einer ihrer besten Freundinnen davon. Die stutzte – und fragte Carolin, ob sie schon mal etwas von sogenannten Romance Scams gehört habe, von Liebes-Betrug. Hatte sie nicht. „Ich hatte keinen Plan, dass es das überhaupt gibt“, sagt Carolin, „ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass Tom mich betrügen könnte.“

Als sie ihren Liebling beim nächsten Telefonat auf ihren Verdacht ansprach, blockte er ab und legte einfach auf. Auch ein zweiter Versuch scheiterte. Thomas entpuppte sich als Scammer, als Betrüger. „Er hat es nicht mal geleugnet“, sagt Carolin, „das war für mich der Beleg, dass ich einem Betrüger aufgesessen bin. In dem Moment ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich war verzweifelt und wütend. Einerseits auf den Kerl. Andererseits auf mich.“

Ute Mickerts, eine adrette Frau Mitte 60, kennt diesen Moment. 2008 hat die Stuttgarterin ähnliche Erfahrungen gemacht. Ihr Sohn warnte sie gerade noch rechtzeitig vor der sogenannten Nigeria-Connection, einer kriminellen Bande, auf deren Konto viele Betrugsfälle gehen. Mickerts überwies damals keinen Cent. Stattdessen gründete sie wenig später eine Selbsthilfegruppe für Liebesbetrug-Opfer im Internet. Dort lernte sie Frauen kennen, die ihre ganzen Ersparnisse gen Afrika geschickt haben.

Die Frage, die man sich immer wieder stellt, lautet: Wie kann man nur so naiv sein? „Die Frauen sind nicht dumm, die Täter sind unheimlich sensibel und stellen es psychologisch sehr geschickt an“, sagt Mickerts. Die Betrüger, die in den meisten Fällen im Ausland sitzen, gehen immer nach dem gleichen Schema vor: Sie nutzen gefälschte Identitäten mit geklauten Fotos. Sie becircen die Alleinstehenden mit Komplimenten, mit Liebesbekundungen, und sie hören zu. So schaffen sie über Wochen oder gar Monate hinweg Vertrauen und Abhängigkeit.

„Die Betrüger zielen darauf ab, sich im Leben des Opfers unverzichtbar zu machen“, sagt die Bundesgeschäftsführerin des Opferhilfevereins Weißer Ring, Bianca Biwer. Schaffen sie das, reisen sie angeblich geschäftlich nach Afrika und geben vor, in eine Notsituation geraten zu sein, in der sie dringend Geld benötigen. „Oft ist die scheinbar emotionale Verbundenheit schon so weit aufgebaut, dass das Opfer dem oder der Liebsten gern hilft“, erklärt Biwer. Am Ende erleidet das Opfer allerdings nicht nur einen finanziellen Verlust. „Häufig endet Romance Scamming für das Opfer deshalb in einer persönlichen Tragödie“, sagt Biwer, „dabei trägt es einen emotionalen Schaden davon.“

Die Opfer beschreiben den Moment des Realisierens, dass man betrogen worden ist, als eine Mischung aus Schock, Enttäuschung und Scham. „Das ist heftig“, sagt Mickerts, „den Opfern geht es teilweise so schlecht, dass sie sich in Selbstvorwürfen zerfleischen.“ Die Stuttgarterin hilft ihnen, hört zu und tröstet. Und sie versucht, die Täter zu entlarven. Sie sammelt deren gefälschte Identitäten und Fotos im Netz. „Es sind Mosaiksteinchen, die ich in den sieben Jahren zusammengetragen habe“, sagt Mickerts, „ich komme Schritt für Schritt weiter.“ Mehr als 1000 Opfer aus ganz Deutschland haben sich bereits an sie gewandt. Ihr Ziel ist es auch, über die Betrugsmasche aufzuklären: „Jede Frau, die aufgeklärt ist, wird nicht mehr zum Opfer“, sagt sie, „aber das Problem komplett aus der Welt schaffen wird man nicht können.“

Wie viele Opfer es tatsächlich gibt, weiß niemand so recht. Auch das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg hat keine belastbaren Statistikzahlen für den Südwesten. „Man kann sich aber vorstellen, dass durch die zunehmende Nutzung der Dating-Portale und der sozialen Netzwerke auch die Zahl der Romance-Scamming-Delikte zugenommen hat“, sagt LKA-Sprecherin Inka Buckmiller. Da mit der Sehnsucht nach Liebe ihrer Opfer gespielt werde, „erwischen die Betrüger die Opfer an einer empfindlichen Stelle. Sie schämen sich und bringen ihren Fall oft nicht zur Anzeige.“

Und auch eine Anzeige bringt in den meisten Fällen keinen Erfolg. „Es gibt im Internet unheimlich viele Anonymisierungsmöglichkeiten“, sagt Buckmiller, „deshalb ist es für uns schwierig, einen Betrug einem konkreten Täter zuzuordnen.“