Die Roma-Familie mit ihren Unterstützern Foto: Caroline Holowiecki

Eine Roma-Familie ist seit Jahren in Deutschland. Ihre fünf Mitglieder haben alles getan, um hierbleiben zu dürfen, ohne Erfolg. Unterstützer und Härtefallkommission sind empört.

Stuttgart - Es ist eine leidvolle Geschichte, welche die Familie Stojanovic erlebt hat. Schon 1999 war die Roma-Familie vor Diskriminierung in Serbien geflohen. Fünf Jahre lebten sie in Stuttgart, 2004, nach der Ablehnung ihres Asylantrags, reisten sie freiwillig aus. 2009 versuchten sie es ein weiteres Mal, wieder ohne Erfolg. 2013 flohen die Stojanovics erneut nach Deutschland. Jetzt steht die Familie erneut vor der Abschiebung.

„Die Familie lebt in dauernder Angst“, sagt Martina Tertelmann. Sie gehört zum Unterstützerkreis in Vaihingen-Rohr, wo die Stojanovics einige Jahre in einer Unterkunft gelebt und wo sie heute eine eigene Wohnung haben. „Ich kenne wenige Familien, die so gut integriert sind“, erzählt die Flüchtlingshelferin. „Was sollen die noch alles machen?“

Außer dem Kleinsten hätten eigentlich alle Arbeit

Die Stojanovics haben sich mächtig angestrengt. So können alle fünf inzwischen sehr gut Deutsch. Vater Mile arbeitet fest beim Malteser Hilfsdienst. Die 19-jährige Tochter Miljana lernt, nach erfolgreicher Ausbildung zur Krankenpflegehelferin, an der Uniklinik Tübingen Gesundheits- und Krankenpflegerin. Der elfjährige Kristijan besucht die Realschule, er ist begabt in Mathematik und Musik und spielt sehr gut Geige. Sein 17 Jahre alter Bruder Stefan hatte nach sehr gutem Hauptschulabschluss einen Ausbildungsvertrag beim Vaihinger Pullmann-Hotel bekommen.

Doch alle Bemühungen wurden durchkreuzt. Sohn Stefan musste die Lehre abbrechen, man entzog ihm die Arbeitserlaubnis. Auch Mutter Radmila Stojanovic, die im Marienhospital als Reinigungskraft tätig war, musste ihre Arbeit aufgeben, nach der Ablehnung des Asylantrags. „Diese Familie hat sich so abgerackert, dass sie einen Aufenthalt bekommt, und jetzt drehen die beiden Däumchen, obwohl sie Arbeitsplätze hätten“, sagt Roland Kugler, der Anwalt der Familie. Der Entzug der Arbeitserlaubnis hat Folgen. Bis dahin kam Familie Stojanovic selbst für die Miete und den Lebensunterhalt auf. Jetzt benötigen sie aufstockende Hilfen. Das ist schlecht für ihr Bleiberecht, auch wenn ihr Sohn Stefan vielleicht doch einen Aufenthaltstitel bekommt, weil er wieder zur Schule geht und auf der Vaihinger Walddorfschule den Fachhochschulabschluss anstrebt. Dass auch die Eltern hierbleiben können, hängt davon ab, ob sie für ihren Lebensunterhalt selber aufkommen. „So schafft man sich einen weiteren Abschiebungsgrund“, kritisiert Anwalt Kugler das Vorgehen der Behörden. „Man tut alles, dass es für die Familie nicht klappt – ohne nachvollziehbare Begründung.“

Härtefallkommission ist verärgert

Dabei waren die Aussichten für Familie Stojanovic, doch einen Aufenthaltstitel zu bekommen, noch vor Kurzem gut. Ihr Antrag wurde von der Härtefallkommission des Landes behandelt – und positiv beurteilt. Dieses Mal machte das Innenministerium der Familie einen Strich durch die Rechnung. Es lehnte das Ersuchen der Kommission ab. Es ist nicht der einzige Fall dieser Art in den zurückliegenden Jahren.

Vorsitzender Werner Wölfle verlängt andere Einstellung vom Land

Stuttgarts Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne), der seit 2016 der Kommission angehört und dieser seit April vorsteht, ist mit dieser Entwicklung unzufrieden. „Das führt die Arbeit der Härtefallkommission ad absurdum“, kritisiert er das Vorgehen des Ministeriums unter Thomas Strobl (CDU), der Wölfle zum neuen Vorsitzenden bestimmt hat, auch wegen „seines menschlichen Urteils“. Der Innenminister, erinnert sich Wölfle, habe den Härtefallersuchen der Kommission in den allermeisten Fällen stattgegeben. Im Vorjahr aber lag die Anerkennungsquote des Ministeriums nur bei 76 Prozent – obwohl die Kommission sich viel Mühe gemacht und bei 520 Anträgen überhaupt nur für 42 Fälle ein Ersuchen gestellt hatte.

Dabei gehe die zehnköpfige Kommission nach mit dem Ministerium abgestimmten Kriterien vor, betont Wölfle. Die Antragsteller müssten schon etliche Jahre im Land sein und in ihren Integrationsanstrengungen „ein Vorbild auch für andere“ sein, sagt der Sozialbürgermeister. Von Vorteil sei, sagt Wölfle, wenn die Antragsteller „viele Unterstützer haben“, ebenfalls ein Indikator für Integration. Dies alles trifft auf Familie Stojanovic zu, immerhin haben sich mehr als 48 000 Menschen an einer Petition an das Land für eine dauerhaftes Bleiberecht der Familie beteiligt. Doch bei Roma sei „die Linie der Ministeriums besonders hart“, so Wölfle.

Die Helfer geben nicht auf

Nun setzen die Beteiligten als letzte Möglichkeit darauf, dass alle Kinder der Familie einen Aufenthaltstitel erhalten. Vater Mile macht noch einen Minijob neben seiner Vollzeittätigkeit, Sohn Stefan jobbt neben der Schule bei dem Hotel, das ihm die Ausbildungsstelle bereithält. So soll es gelingen, dass die Stojanovics wieder ohne Unterstützung auskommen und auch die Eltern bleiben dürfen. „Die Familie ist so toll“, sagt Katharina Künstler vom Helferkreis. Deshalb habe man so viel Energie in ihre Unterstützung gesteckt. Angesichts der weiter bestehenden Unsicherheit erklärt sie: „Das macht einen richtig wütend.“