Die Achsen der Rollschuhe können sich zur Seite neigen. Dadurch kann Carsten Knöppel Kurven fahren ohne umzusetzen. Foto: Katharina Kraft

In den 80er Jahren ist das Rollschuhfahren ein Trendsport gewesen. Eine Gruppe Menschen trifft sich seit einiger Zeit wieder in der Stuttgarter Innenstadt, um die alte Leidenschaft wiederzubeleben – mit Erfolg.

S-West - Knochenbrüche waren früher ganz normal“, sagt Dirk Dietlinger. Fast täglich habe er Rollschuhfahrer ins Krankenhaus gebracht. Brüche und Schürfwunden haben ihn und seine Freunde aber nicht davon abgehalten, die Straßen in den Stuttgarter Kessel hinunterzurasen, bis sie auf ihren Rollschuhen mehr als 80 Sachen draufhatten. Vor roten Ampeln warteten sie vor den Autos auf grün, um sich nicht zwischen den Fahrzeugen durchdrücken zu müssen. „Jetzt fahren wir aber nicht mehr die Neue Weinsteige herunter“, sagt Carsten Knöppel. Beide gehören zu einer Gruppe, die in den Achtzigern und Neunzigern die Stadt mit ihren Rollschuhen unsicher gemacht haben und die nun gemeinsam mit Pavlos Tsimprikidis, einem Rollschuhbauer aus dem Westen, das Fahren auf den breiten Rollen wieder aufleben lassen wollen. Er sagt: „Ich wollte alles so wie früher erschaffen.“Die Erinnerungen an damals sind noch lebendig. Seit 1982 steht Dietlinger auf den Rollen. Er ist einer der Fahrer, die am längsten dabei sind. Damals haben sich die Rollschuhfahrer Stuttgarts am kleinen Schlossplatz getroffen. „Sie waren unsere Vorbilder“, sagt Knöppel, der einige Jahre später dazu gekommen ist. Nicht nur bei Abfahrten wie auf der Weinsteige, auch beim Fahren auf der Straße, beim Springen, Kunststücken und in der Halfpipe – die Rollschuhszene in Stuttgart war groß. In den neunziger Jahren sind sogar Wettkämpfe in der Halfpipe abgehalten worden.

Für Ersatzteile bis nach Paris gefahren

Dann ließ der Trend nach. Es kamen Skateboards, Inline-Skates und BMX-Fahrräder. Und für die Rollschuhe gab es keine Ersatzteile mehr. Manchmal sei die Gruppe nach Paris gefahren, sagt Dietlinger, um noch an Ersatzteile zu kommen. Anderes haben sich die Fahrer selbst gebastelt. Zum Beispiel haben sie Bretter von Skiern verwendet, um die Schuhe von unten zu stabilisieren. Das größte Problem war, Rollen für die Schuhe zu finden: Longboards haben größere, Inline-Skates haben viel schmalere Rollen.

Umsteigen wollten die Rollschuhfans aber nicht. Für Tsimprikidis spielt das Aussehen eine große Rolle. Er kann aus jedem Alltagsschuh einen Rollschuh basteln. Außerdem sei der Stand besser. „Mit Inline-Skates kann man keine Kurven fahren“, sagt Dietlinger. Gemeinsam sind sie überzeugt: nur mit Rollschuhen könne man richtig „cruisen“. „Das ist besser als Motorradfahren“, sagt Knöppel.

Tour zum Bodensee geplant

Jeden Sonntag treffen sich mittlerweile etwa 20 Rollschuhfahrer am Finanzamt in Stuttgart zum Fahren. Sie machen Tricks, spielen Fangen oder „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?“. Auch kleinere Sprünge gehen noch gut. „Elf Treppenstufen nehmen wir aber nicht mehr“, sagt Dietlinger. Spontan geht es dann über die Königstraße oder in den Rosensteinpark. Ende Mai will ein Teil der Gruppe bis an den Bodensee fahren. Zehn Stunden fahren, vier Tage lang – das ist auch für Geübte eine Herausforderung. Normalerweise kann aber jeder zu den Treffen kommen. Auch einige Kinder sind dabei. Das Ziel der Gruppe ist, wieder mehr Menschen für das Fahren auf vier Rollen zu begeistern. Murat Kurt, der die Treffen der Rollschuh-Crew organisiert, sagt mit einem Augenzwinkern: „Wir sind aber Inlinern gegenüber tolerant.“ Denn die Leidenschaft für die Rollen am Schuh verbindet.