Idylle am Rohrer Weg: Das Foto zeigt das aktuelle Juni-Kalenderblatt des Streuobstwiesenkalenders, den die Schutzgemeinschaft jedes Jahr herausgibt. Foto: Norbert Michel / z

Die Streuobstwiese in Stuttgart-Möhringen ist wieder im Gespräch für eine mögliche Bebauung. Ein Verein will genau das seit 20 Jahren verhindern und hat nun an die Stadträte und den OB geschrieben.

Wohnungen, insbesondere bezahlbare, sind in Stuttgart Mangelware. Immer wieder wird darum gerungen, wo in Stuttgart noch gebaut werden könnte. Der CDU-Stadtrat Carl-Christian Vetter hatte in diesem Zusammenhang vor Kurzem auch wieder das Gebiet am Rohrer Weg in Möhringen ins Spiel gebracht – und prompt kündigte die Schutzgemeinschaft Rohrer Weg massiven Widerstand an.

Nun hat der Verein an alle Mitglieder des Stuttgarter Gemeinderats und an Oberbürgermeister Frank Nopper geschrieben. „Wir, die Schutzgemeinschaft Rohrer Weg, die sich seit fast 20 Jahren gegen die Zerstörung der bedeutenden Streuobstwiese einsetzt, sind über den Versuch von Stadtrat Dr. Vetter, den Rohrer Weg als Wohnbaufläche wieder ins Gespräch zu bringen, entsetzt“, ist darin zu lesen. Zudem werde der Rohrer Weg in den von der Verwaltung 2021 vorgelegten „Szenarien für den Wohnungsbau“ als potenzielle Wohnbaufläche dargestellt, „das ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel“, schreibt der Verein.

Die Schutzgemeinschaft hat Argumente gegen eine Bebauung gesammelt

„Die Aussage von Herrn Vetter war für uns ein Alarmsignal“, sagt Rüdiger Reinboth, Vorsitzender Schutzgemeinschaft Rohr, und ergänzt: „Wir wollen, bevor es zu irgendwelchen Entschlüssen kommt, auf die Wertigkeit und die Wichtigkeit dieser Freiflächen hinwiesen.“ Die Schutzgemeinschaft hat in ihren Schreiben Argumente gesammelt, die gegen eine Bebauung des Gebiets sprechen. So sei dieses eine für die Innenstadt wichtige Frischluftentstehungsfläche. Zudem seien Streuobstwiesen wie die am Rohrer Weg besonders artenreich. Laut Nabu sind dort bis zu 5000 Pflanzen- und Tierarten zu finden. Darüber hinaus würden bei einer Bebauung wertvolle Böden versiegelt werden. Der Verlust würde die Existenz der lokalen Landwirte ernsthaft gefährden. Nicht zuletzt seien Streuobstwiesen ein immaterielles Kulturerbe und die Freiflächen am Rohrer Weg ein beliebtes Naherholungsgebiet, heißt es in den Briefen an OB und Stadträte.

Protestplakate und Demos als mögliche Aktionen

Reaktionen auf ihre Schreiben hat die Schutzgemeinschaft bisher noch keine bekommen. „Wir warten jetzt noch ein wenig ab, aber nicht allzu lange“, sagt Reinboth. Danach werde man sich – zusammen mit dem Nabu und dem BUND – die nächsten Schritte überlegen. Reinboth denkt dabei an Protestplakate und Demos. „So aktiv sind wir dann schon noch“, sagt der Vorsitzende. Und immerhin ist der Verein seit Jahresbeginn um neun auf jetzt 46 Mitglieder angewachsen. Dies zeige, welche Bedeutung die Streuobstwiesen am Rohrer Weg für die Menschen vor Ort haben. „Es ist ihnen wichtig, diese zu erhalten und uns ideell zu unterstützen“, sagt Reinboth und ergänzt: „Trotz allem Lamentierens über mangelnden Wohnraum müssen wir mit unseren natürlichen Ressourcen höchst sensibel umgehen. Was nützen uns Wohnungen und Arbeitsplätze und noch mehr Prosperität? Das Versiegeln weiterer Flächen hat nichts mit einer generationengerechten Politik zu tun.“

Carl-Christian Vetter will sich gegenüber unserer Zeitung aktuell nicht weiter zu der Diskussion äußern. Nur so viel: Auch er habe das Schreiben der Schutzgemeinschaft Rohrer Weg erhalten. „Meine Fraktion wird gerne das aufgeführte Angebot des Dialogs aufnehmen und mit Herrn Reinboth einen Gesprächstermin vereinbaren.“

Auch das Aktionsbündnis Birkacher Feld ist in Habachtstellung. Denn auch dieses war von der Verwaltung in der Potenzialanalyse Wohnen als mögliche Fläche für Wohnungsbau genannt worden. So hat die Initiative vor Kurzem eine Art Broschüre rausgebracht, in der sie auf die Wichtigkeit des Birkacher Feldes hinweist. Zudem war Anfang Juni der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe „Kultur & Aktion“ auf dem Birkacher Feld, organisiert von der Initiative 70599 Lebenswert. Das Ziel: Das Birkacher Feld als attraktiven Naherholungsraum gemeinsam nutzen, um zu verhindern, dass dort gebaut wird.