Ein Mitglied der Black Jackets aus Giengen (Kreis Heidenheim) sitzt von Dienstag an auf der Anklagebank des Ellwanger Landgerichts. Der Vorwurf: Mord an einem Konkurrenten. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Am Dienstag beginnt der Prozess um einen Mord unter Rockern in Heidenheim. Die Polizei schließt nicht aus, dass es früher oder später zu einer Racheaktion kommt. Schon jetzt gibt es neue Gewalttäter, aufgestachelt durch die Erdogan-Politik.

Ellwangen/Stuttgart - Die Heidenheimer Clichystraße im vergangenen April, in einem Friseurgeschäft kommt es zu hitzigen Debatten zwischen zwei Männergruppen. Sie gehören verfeindeten, sogenannten rockerähnlichen Gruppierungen an: den Black Jackets, die ihren Ursprung in Heidenheim haben, sowie den United Tribuns, die kurz zuvor sogenannte Chapter in Heidenheim und Ulm gegründet haben. Es hat wohl irgendwann ein Vorspiel gegeben; eine Schlägerei und damit einhergehende Verletzungen der Ehre, die in Kreisen von Kuttenträgern eine so große Rolle spielt.

Der Streit setzt sich draußen auf der Straße fort. Da zieht der aus Giengen stammende 26-jährige Rüstem Z. , laut der Ellwanger Staatsanwaltschaft Vice-President der Black Jackets, Chapter Riverside, seine Pistole. Er erschießt, so lautet die Anklage, den 29-jährigen Vice-President der United Tribuns. Dessen 25-jähriger Bruder, der dabei steht, wird ebenfalls von einer Kugel getroffen, überlebt aber. Am Dienstag beginnt am Landgericht Ellwangen der Prozess gegen Rüstem Z. Er ist des Mordes und des versuchten Mordes angeklagt.

Die Szene dürfte den Prozess genau beobachten

Fast ist es ein kleines Wunder, dass es seit der Bluttat noch zu keiner Vergeltungsaktion gekommen ist. Es sei möglich, sagt der Kriminaloberrat Sigurd Jäger, Leiter der Inspektion Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), dass Mitglieder der United Tribuns erst einmal den Ausgang des Prozesses abwarten wollten, denn: „Grundsätzlich bedingt so eine Aktion eine Gegenaktion.“

Ebenso ist es möglich, dass der Verfolgungsdruck, den die Polizei im Land auf die rockerähnlichen Gruppen ausübt, einschüchternde Wirkung hat. Am 3. und 8. November haben Polizeikräfte unter Federführung des LKA Großeinsätze gegen Mitglieder der United Tribuns gefahren, deren Mitglieder ihre Wurzeln überwiegend in den Balkanstaaten haben. In Neu-Ulm, Stuttgart, Fellbach und Konstanz wurden Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Es kam zu fünf Festnahmen. Bandenmitglieder sollen Zwangsprostituierte im Internet angeboten und den Freierlohn einkassiert haben. Noch im vergangenen Jahr galten die United Tribuns als die am schnellsten wachsende Kuttenträgerbande im Südwesten. Rund 160 Mitglieder verzeichneten die Behörden Ende 2015. Sie sind mit ausschlaggebend dafür, dass Baden-Württemberg nach wie vor das Bundesland mit der höchsten Rockerdichte ist. Rund 1900 Mitglieder zählen die altbekannten Gruppen wie Hells Angels, Bandidos oder Gremium derzeit. Auf insgesamt 450 Mitglieder bringen es Tribuns, Jackets und Co, die rockerähnlich heißen, weil das Motorradfahren meist keine Rolle spielt.

Die Feindesgruppen sind schon wieder auf dem Rückzug

In den vergangenen Monaten sind die beiden Feindesgruppen, um die es jetzt vor dem Landgericht Ellwangen geht, aber deutlich geschwächt worden. Die Mitgliederzahl bei den Tribuns sank laut LKA auf 120. Sigurd Jägers Erklärung: „Die United Tribuns haben vor allem die Legalisierung der Prostitution als Marktchance genutzt. Jetzt habe ich einfach das Gefühl, dass diese Gruppe lieber unauffällig ihren Geschäften nachgehen will.“ Bei den Black Jackets sind von 13 Chaptern vom Vorjahr noch neun Chapter übrig.

Nach Beobachtung des LKA hat dieser Verlust einen anderen Grund: Viele Schwarzkuttenträger sind zu einer neuen Gruppe übergelaufen, den sogenannten Osmanen Germania Boxclub. Dem in Heidenheim beheimateten, selbst ernannten Weltpräsidenten der Black Jackets ist die Kontrolle über seine Organisation mittlerweile offenbar entglitten.

Die Erdogan-Politik setzt neue Spannungen frei

Die Osmanen setzen sich vorwiegend aus Türken zusammen, die als nationalistisch gelten. Und sie haben – als vermeintliche Repräsentanten der Erdogan-Politik – einen neuen Feind: die Bande Bahoz, deren Mitglieder Kurden sind. In Ulm ist es im vergangenen Sommer zu einem ersten gewalttätigen Zusammenstoß gekommen. Sigurd Jäger spricht von einer „dynamischen Lage“ und „permanenten Spannungen zwischen den Gruppierungen“.

Am 9. November ist die baden-württembergische Polizei unter Federführung der Staatsanwaltshaft Darmstadt und des hessischen Landeskriminalamts auch gegen die Osmanen vorgegangen. Der Vorwurf: Menschenhandel. Bundesweit waren mehr als 1000 Polizisten im Einsatz. In Abstatt, Mannheim, Schopfheim, Teugen, Laufenburg, Friedrichshafen und Weinsberg wurden Wohnungen und Geschäfte von Bandenmitgliedern durchsucht. Laut Behörden wurden Waffen, Munition, Bargeld und Betäubungsmitteln sichergestellt.