Nach der tödlichen Messerstecherei zwischen verfeindeten Rockerbanden in Esslingen wird elf Verdächtigen von Montag, 9 Uhr an der Prozess gemacht. Am Stuttgarter Landgericht wurden die Angeklagten am Morgen von rund 40 Gleichgesinnten mit Jubel und Siegesgesten empfangen. Laut Polizei kam es aber zu keinen Zwischenfällen. Foto: dpa

Blutige Fehden rivalisierender Rockergruppen eskalieren immer wieder. In Esslingen wurde kurz vor Weihnachten ein 22-Jähriger getötet. Jetzt wird der Fall unter verschärften Sicherheitsbedingungen vor Gericht verhandelt.

Stuttgart/Esslingen - Rund neun Monate nach einem tödlichen Machtkampf zwischen zwei rockerähnlichen Banden müssen sich seit Montag elf Verdächtige wegen gemeinschaftlichen Mordes und versuchten Mordes vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Bei dem Gewaltexzess in der Nacht zum 22. Dezember 2012 in Esslingen starb ein 22-Jähriger. Mehrere Menschen wurden verletzt, einer von ihnen lebensgefährlich.

Hintergrund des blutigen Streits war die Konkurrenz zwischen der inzwischen verbotenen Gruppe Red Legion und den Black Jackets. Die Red Legions wollten in der Region Stuttgart, den Landkreisen Esslingen und Ludwigsburg in das Vergnügungs- und Rotlichtgewerbe dringen. Damit standen sie in direkter Rivalität zu den alteingesessenen Black Jackets.

In heimtückischen Hinterhalt gelockt

Laut Staatsanwaltschaft hatten die 21- bis 27-jährigen Angeklagten der Bande Red Legion ihre Kontrahenten von den Black Jackets in einen heimtückischen Hinterhalt gelockt. Ziel war nach Einschätzung von Staatsanwalt Thomas Hochstein ein „Denkzettel“ im Streit ums Revier. Unter einem Vorwand seien die zehn Mitglieder der feindlichen Bande aus einer Esslinger Bar ins Freie geholt worden. Dort habe zuerst der frühere Präsident der Black-Jackets-Gruppe ein Messer in den Bauch bekommen. Das sei quasi das Startsignal gewesen, machte Hochstein deutlich. Sofort seien mehr als 20 Mitglieder der Red Legions „aus allen Richtungen“ mit Messern, Schlagstöcken und Fäusten auf die überraschten Opfer losgegangen.

Während der frühere Black-Jackets-Präsident schwer verletzt überlebte, starb der 22-Jährige aus dem Umfeld der Bande am Tatort. Sein Bruder erlitt lebensgefährliche Stichverletzungen. Weitere Angegriffene trugen Stiche, Platz- und Schürfwunden davon. Auch einige Angreifer hatten Schnittverletzungen. Als die erste Streife drei Minuten nach dem Notruf am Tatort ankam, waren die meisten Beteiligten schon auf der Flucht. Allerdings hatten mehrere Zeugen die Gewalttat in Esslingens Innenstadt beobachtet.

Red Legion seit Sommer verboten

Im Sommer verbot Innenminister Reinhold Gall (SPD) die Red Legion, der viele Kurden angehörten. Vor rund zwei Jahren hatte er bereits die Hells-Angels-Gruppe „Borderland“ aus Pforzheim nach mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen verboten.

Am Stuttgarter Landgericht wurden die Angeklagten am Morgen von rund 40 Gleichgesinnten mit Jubel und Siegesgesten empfangen. Zwischenfälle gab es laut Polizei nicht. Im Gericht unterstützten Familien die kleinen und manchmal schmächtigen Männer verschiedener Nationalitäten. Bei Freundinnen und Müttern flossen immer wieder Tränen. Mit erkenntnisreichen Aussagen der Angeklagten zur Tat rechnet Hochstein nicht, wie er am Rande des Prozesses sagte. Bislang hätten sie weitgehend geschwiegen. Es spreche vieles dafür, dass dies zum Ehrenkodex der Gruppe gehöre.

Noch vor Verlesen der Anklage stellten Anwälte der Angeklagten mehrere Befangenheitsanträge gegen die Kammer. Zudem forderten einige die Ablösung des Staatsanwaltes und warfen ihm vor, bei Verhören Druck auf Zeugen ausgeübt zu haben. Acht Anwälte vertreten die Geschädigten und ihre Familien, die als Nebenkläger im Verfahren auftreten.

Der Prozess findet unter verschärften Sicherheitsbedingungen statt. Es sind mehr als 50 Verhandlungstage bis zum Frühjahr 2014 angesetzt. Fortgesetzt werden soll das Verfahren am kommenden Montag. Wegen der Tat sind laut Hochstein noch sieben weitere Männer angeklagt, die ebenfalls in Untersuchungshaft sitzen. Der Prozess gegen sie könnte nach seiner Einschätzung Ende des Jahres beginnen. Einige Verteidiger fordern, die beiden Verfahren zu verbinden.