Pomadentolle, Nierentischdesign und viel Musik aus den 1950ern: Das ist im Friedrichsbau Varieté der Rahmen für hochtourige Akrobatik Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Hochgeschwindigkeits-Akrobatik und Comedy mit einem Schuss Anarchie: Im Friedrichsbau Varieté hat die „Rockabilly“-Show Premiere gefeiert.

Stuttgart - Do you like Rock’n’Roll? Die Frage ist rhetorischer Natur, sonst wäre man nicht hier, in der „Rockabilly“-Show. Die Fünfziger sind erst vor kurzem mit dem Dreiteiler „Ku’damm 56“ auf dem Fernsehbildschirm wieder auferstanden – jetzt dienen sie der Artistik-Comedy-Show, die am vergangenen Freitag im Friedrichsbau Varieté Premiere hatte, als Setting. Pomadentolle, Pferdeschwanz, Pünktchen-Design und ganz viel Mucke, die im mit spärlichem Mobiliar und Neonschriftzügen simulierten „Rockabilly-Club“ von der Jukebox kommt.

Die Kellnerin, der Barkeeper, der Türsteher, die Putzfrau und die Gäste hier sind eine international zusammengewürfelte und artistisch hoch versierte Schar; trotzdem kommen sie alle irgendwie aus Tennessee, wo der King of Rock’n’Roll zu Hause war. Ansager Max Nix (Thomas Nigl), den Partner Willi Widder Nix (Marco Pfriemer) im Schlepptau, reimt: „Tennessee – Kenne’ Sie?“ Das ist in etwa das Kaliber, mit dem dieses Comedy- und Regie-Duo durch den Abend führt. Der eine macht auf doof, der andere auf abgehalfterter Conférencier, und so kalauern sie sich durch das Nummernprogramm, treiben ein bisschen Jux und Tollerei mit der Magie und trumpfen mit kunsthandwerklich-instrumentalen Einlagen auf, etwa wenn Pfriemer jodelt oder Händel auf der Trompete spielt. Das Dummchen, das was drauf hat – diese Rechnung geht bei Frau Schmidt, der Putzfrau in der pinkfarbenen Kittelschürze, besser auf: Sie und Toni Farello sind Die Farellos aus Berlin, die bravourös ihre High-Speed-Akrobatik abspulen, Trampolinhüpfen oder im gestapelten Doppel Seilspringen auf dem Einrad inklusive.

Am Schluss kommt das Unvermeidliche: Die Elvis-Pose

Der rasante Rockabilly-Rhythmus passt zu manchen Nummern besser, zu manchen weniger; richtig gut kommt er beim seilspringenden Fräulein Hildegard alias Anezka Bockova aus Prag, die, wiewohl alles andere als rundlich, eine beängstigende Ähnlichkeit mit einem Gummiball an den Tag legt. Marie-Ann (Annie Smith) tanzt als angeschickerte Bardame Twist mit dem Luftring; Igor Boutorine händelt als Johnny B. Hoops seine Hula-Hoop-Ringe wahrlich virtuos und mit hübschen optischen Effekten. Der Jongleur Rokko Valentino (Valentino Bihorac) indes muss manchmal zweimal ansetzen, um seine Bälle zu zähmen – das Hintern-Wackeln beherrscht er dafür tadellos.

Alles in allem sehr passabel, durchaus unterhaltsam, nicht durchgängig atemberaubend und sicher auch nicht einzigartig. Nur einmal, da wird es wirklich originell; es ist der einzige Moment, der überrascht, weil es etwas Anarchisches-Absurdes hat, wie Max und Willi frisch in knallfarbener King-of-Rock’n’-Roll-Montur clownesk-tollpatschig zwei Alphörner aufbauen, auf zwei hochkant gestellte Kisten kraxeln und dort droben Bill Haleys „Rock around the Clock“ den schönsten Alphorn-Marsch blasen.

Am Schluss ist die Artistik abgehakt, und es kommt der Unvermeidliche: Luigi, der Koch (Tode Banjanski), tauscht die Küchenschürze mit dem nietenbesetzten Jumpsuit, schmeißt sich in Elvis-Pose und reißt mit reichlich Vibrato in der Stimme die Evergreens runter. Bei „Muss i denn zum Städtele hinaus“ singen alle mit.

Vorstellungen bis zum 19. Juni; Mi – Sa um 20 Uhr, So um 18 Uhr