Felix Rückl (links) und Alexander Caran sind Herrchen eines ganz besonderen Hundes, der seine Runden unter den Kelchstützen des künftigen Tiefbahnhofs dreht. Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

Zwischen den Kelchstützen des Tiefbahnhofs erprobt die Stuttgarter Strabag-Tochter Züblin eine neuartige Vermessungstechnik, die Beobachter staunen lässt. Ein Roboter in Hundegestalt könnte die Arbeit künftig erleichtern.

Stuttgart - Die Tür öffnet sich – und Sam kommt geschmeidig die Treppe herunter. Ein Prachtkerl ist der schwarz-weiße Hund, satte 35 Kilo schwer und von stattlicher Größe. Vorwärts und rückwärts läuft er, geht auf Kommando in die Knie und legt sich hin. Ein Leckerli zur Belohnung braucht er allerdings nicht dafür. Gassi gehen muss man mit ihm auch nicht. Er beißt nicht und fällt nicht durch lautes Bellen auf. Und auf den zweiten Blick wirkt er ziemlich kopflos.

Sam ist ein Roboterhund. Und zwar einer, der sich dermaßen lebensecht bewegt, dass er bei Beobachtern Staunen hervorruft. Wenn er über die Baustelle des Stuttgart-21-Tiefbahnhofs läuft, bleibt jeder stehen, der ihn sieht. Arbeiter zücken die Handys und machen Fotos. Und manch einer pfeift, um zu testen, ob das seltsame Tier womöglich reagiert und angerannt kommt.

Da müssen die beiden Herrchen schmunzeln. Felix Rückl und Alexander Caran sind im Auftrag des Baukonzerns Strabag und seiner Stuttgarter Tochter Züblin zu Hundetrainern geworden. Und das gleich doppelt, denn Sam hat noch eine baugleiche Schwester, die auf den Namen Zoe hört. Die beiden Hunde kommen vom US-Roboterspezialisten Boston Dynamics und werden in einem Pilotversuch für den Einsatz im Vermessungswesen erprobt. „Wir setzen sie auf verschiedenen Baustellen ein, in Stuttgart etwa testen wir die Anwendung des Laserscanners bei einem Großprojekt“, erzählt Projektleiter Rückl. Noch bis September wird die Technik hier tageweise immer mal wieder eingesetzt und untersucht.

Steuerung über Controller

Rückl hält dabei einen Controller in der Hand, der an eine Spielekonsole erinnert. Mit zwei kleinen Joysticks lenkt er den Roboterhund, der per WLAN mit der Steuerung verbunden ist. Auf dem Display kann er auf die Kameras zugreifen, die die Maschine an allen Seiten montiert hat. „Wenn man gewisse Erfahrungen mit dem Bedienen einer Spielekonsole hat, tut man sich tatsächlich leichter“, sagt Rückl und schmunzelt.

Sam bewegt sich derweil unter den neuen Kelchstützen des künftigen Tiefbahnhofs hindurch und bleibt immer wieder stehen. Die auf seinem Rücken angebrachte Technik startet dann eine Vermessung. „Wir können jegliche Art von Sensorik drauf schrauben, bis zu 15 Kilo sind möglich“, sagt Rückl. Dazu gehören zum Beispiel eine 360-Grad-Kamera und Sensoren, die den Hund Hindernisse erkennen lassen, um Zusammenstöße zu vermeiden. Was so viel Künstliche Intelligenz kostet, verlautet offiziell nicht, der Hersteller aber bietet das Grundmodell wohl für einen hohen fünfstelligen Betrag an.

Und wozu das alles? Natürlich geht es nicht um Spielereien. „Wir wollen ausprobieren, ob uns die Roboter vermessungstechnisch oder bei der Dokumentation etwas bringen“, sagt Thomas Hauser, bei Züblin Projektleiter für Stuttgart 21. Sie könnten zum Beispiel so programmiert werden, dass sie automatisiert immer dieselben Wege ablaufen und den Baufortschritt dokumentieren. Rückl nennt ein Beispiel: „Bei einem normalen Messvorgang dauert ein Scan bis zu drei Minuten. Während dieser Zeit muss man daneben stehen.“ Übernehme ein Roboter diese Aufgabe mit vorgegebenen Routen, „können die Vermessungsingenieure in dieser Zeit etwas anderes machen“.

Weniger Gefahr für Menschen?

Denkbar ist für die Maschinen, die ursprünglich aus dem militärischen Bereich kommen, auch noch ein anderer Vorteil. Sie könnten Vermessungstätigkeiten an Stellen übernehmen, an denen sich Menschen schwer tun oder die für sie gefährlich sind. „Dafür gibt es verschiedene Bewegungsarten. Im unwegsamen Gelände etwa lässt der Roboter immer zwei Füße am Boden“, erläutert Rückl. Sam kommt mit Matsch klar und lässt sich in der Ganghöhe einstellen. Er beherrscht unterschiedliche Geschwindigkeiten und bewegt sich vorwärts wie rückwärts. Und das mit erstaunlich runden Bewegungsabläufen.

Fast wie ein echter Hund. Nur ohne Kopf, Gassi gehen und Bellen. Und nach Feierabend braucht er kein Körbchen – sondern einen neuen Akku für den nächsten Tag.