Auch Blumen können Roboter greifen. Nun wird das Augsburger Unternehmen chinesisch, was der Bundeswirtschaftsminister verhinder wollte, in der deutschen Industrie aber als eher undramatisch wahrgenommen wird. Foto: AP

Bis Freitag, 24 Uhr, können Kuka-Aktionäre noch ihre Anteilsscheine an den Investor Midea verkaufen. Schon jetzt ist der Verkauf eine bittere Niederlage für Bundeswirtschaftsminister Gabriel.

Stuttgart - Die Frage wird nicht mehr sein, ob der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea die Mehrheit an dem deutschen Roboterhersteller Kuka zusammenbekommen wird, sondern nur noch, wie hoch diese ausfallen wird. 57 Prozent der Anteile haben die Chinesen schon sicher, es können nur noch mehr werden. Damit ist der Appell von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, ein Gegenangebot zu organisieren, endgültig ohne jede Resonanz verhallt. Die Frage ist nur, warum sich die deutsche Wirtschaft so zurückhielt – wo es sich bei dem Augsburger Unternehmen nach Gabriels Einschätzung doch offenbar um eine Technologieperle der deutschen Wirtschaft handelt.

Die Technik

Kuka arbeitet intensiv an der sogenannten Industrie 4.0 und damit an einem Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft, die sich sorgt, dass ihr Google, Apple & Co. möglicherweise das Kerngeschäft wegnehmen könnten. Aus der Luft gegriffen ist diese Sorge nicht. Mit Boston Dynamics hat Google bereits den Hersteller eines Roboters gekauft, der über verschneite Hügel laufen, Türen öffnen und sogar aufstehen kann. Auch das selbstfahrende Auto, an dem Konkurrenten wie Google und Apple ebenfalls arbeiten, hat technisch viele Gemeinsamkeiten mit einem Roboter.

Gerade die Verbindung zwischen Maschinenbau und digitaler Technik betrachtet die deutsche Industrie als ihre große Chance, um gegen die Softwaregiganten aus den USA zu bestehen. Umso mehr erstaunt es auf den ersten Blick, dass sich in der Wirtschaft kein Finger rührte, als Gabriel an die Firmen appellierte, eine Übernahme des Roboterherstellers Kuka zu verhindern.

Wer sich unter Firmen, Verbänden und Forschungseinrichtungen umhört, stößt zunächst auf betretenes Schweigen – den Akteuren ist die Sache ebenfalls unangenehm. Nur hinter vorgehaltener Hand sagen Manager, Wissenschaftler und Branchenkenner, wie sie sich die Funkstille erklären.

Die Forscher

Die Forschungseinrichtungen haben ein ureigenes Interesse daran, Technologiefirmen in Deutschland zu halten. Sie bringen zusammen mit der Industrie teilweise bahnbrechende Neuerungen auf den Weg. Dazu gehört etwa der Kuka-Leichtbauroboter iiwa, der maßgeblich auf Patenten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) basiert. Zwischen den Instituten und der Industrie gibt es einen engen Austausch, fachlich wie personell. So arbeitete der renommierte Robotikforscher Sami Haddadin zunächst beim DLR, gründete dann eine Firma, die den Leichtbauroboter zum Massenprodukt entwickeln soll, und hat gleichzeitig einen Lehrstuhl an der Hochschule in Hannover. So wandern Personen und Wissen zwischen staatsnahen Forschungseinrichtungen, Unis und der Industrie hin und her.

Für die Forschungseinrichtungen ist die Zusammenarbeit attraktiv – sie verkaufen die Lizenzen an die Industrie und finanzieren so ihre Arbeit. Gehen Firmen ins Ausland, erschwert das die Zusammenarbeit. Mit deutschen Steuergeldern Forschungsprojekte anzugehen, deren Ergebnisse von vornherein für chinesische Firmen bestimmt sind, wäre „politisch schwer zu vermitteln“, meint ein Spitzenforscher.

Die Firmen

Anders ist eine verbreitete Denkweise in der Industrie. Viele Firmen haben die Robotik längst für sich entdeckt. Daimler präsentierte vor einigen Monaten in Sindelfingen die voll vernetzte Fabrik der Zukunft, und für Bosch ist das Internet der Dinge, zu dem auch die Robotik gehört, ein Kernbestandteil der Strategie. Ein Verkauf des Zulieferers Kuka ändert für die Industrie nicht viel, weil ihre Technologien ohnehin nicht mehr ortsansässig sind. Daimler baut seit Jahren den Standort Peking aus; bald wird das dortige Werk größer sein als das in Sindelfingen. Und Bosch hat in China inzwischen 55 000 Mitarbeiter und will dort in diesem Jahr 2500 Softwareentwickler einstellen. Nationale Grenzen verlieren da an Bedeutung.

Die Selbstdarstellung

Manche Branchenkenner warnen allerdings auch davor, Kuka zu überschätzen. Das Unternehmen mit seinen auffälligen orangefarbenen Robotern vermarkte sich professionell; und dass sich US-Präsident Barack Obama auf der Hannover-Messe im April einen Kuka-Roboter zeigen ließ, den er „beeindruckend“ fand, zeige vor allem eines: dass Investmentbanker und Kuka-Chef Till Reuter die Klaviatur kennt, mit der man Kapitalmärkte und Öffentlichkeit bespielt. Möglicherweise habe sich davon auch Gabriel beeindrucken lassen.

Die wahren Probleme

Doch die Vorstellung, ein Unternehmen mit 12 000 Mitarbeitern könne die geballte Kompetenz der deutschen Wirtschaft auf sich vereinen, halten Manager für abwegig. „Wenn Kuka wirklich so einzigartig wäre, hätten sich längst Unternehmen in aller Welt darum gerissen“, sagt einer.

Doch wären konkurrierende deutsche Industrieunternehmen überhaupt in der Lage gewesen, ein Gegenangebot vorzulegen? Durchaus – ein Beispiel hierfür ist das Digitalunternehmen Here, das hochauflösende Karten der ganzen Welt herstellt, wie sie fürs autonome Fahren benötigt werden. Als Here vom amerikanischen Fahrtenvermittler Uber gekauft werden sollte, griffen Daimler, BMW und Audi beherzt und gemeinsam zu – auch ohne Appelle Gabriels.

Uber, so die Befürchtung, könnte im großen Stil Autos kaufen, diese vermieten und sich so zwischen Hersteller und Fahrer drängen. Das könnte die Wertschöpfungskette an ihrer gewinnträchtigsten Stelle – dem Verkauf – durchtrennen. Wenn schon, dann will man dieses Geschäft selbst betreiben.

Doch damals, als es für die deutsche Wirtschaft wirklich ans Eingemachte ging, war von Gabriel nichts zu hören. Umso größer ist nun die Überraschung, dass er sich wegen Kuka zu Wort gemeldet hat. „Da wollte sich Gabriel als Löser eines Problems präsentieren, das nur er hat“, sagt ein Manager. Sein eigentliches Problem sei eher der angeschlagene Ruf in der eigenen Partei. Man könne aber „nicht ein chinesisches Unternehmen an den Pranger stellen, nur weil man ein Zeichen der Handlungsfähigkeit setzen will“.