Körperkontakt erwünscht: Eine Mitarbeiterin des französischen Roboterherstellers Aldebaran umarmt auf dem Messegelände der Cebit Hannover einen Roboter. Foto: dpa

Der Boss, ein Roboter: Die künstliche Intelligenz zieht in die Chefetage ein. Roboter könnten in Zukunft Anweisungen an menschliche Mitarbeiter erteilen. Aber ist das rechtlich und ethisch vertretbar?

Washington - In den Werken großer Automobilbauer zurren Roboter schon Schrauben fest und montieren Karosserieteile, in Amazons Logistikzentren sortieren sie Pakete, bei Banken managen sie das Portfolio und entwickeln Anlagestrategien (Robo-Advisors). Mit den Fortschritten künstlicher Intelligenz könnten Roboter bald auch den Posten des Chefs übernehmen.

Der japanische Elektronikkonzern Hitachi hat ein KI-System in seinen Logistikzentren entwickelt, das menschlichen Mitarbeitern konkrete Arbeitsaufgaben zuweist und damit zum Chef wird. Ein Computer analysiert die menschlichen Arbeitsabläufe und erteilt auf dieser Grundlage neue Handlungsanweisungen. Statt auf vorprogrammierte Instruktionen wie bei einer Logistiksoftware zurückzugreifen, soll das KI-System von dem „Skript“ abweichen und sich an neue Bedingungen wie Wetter und Nachfrageänderungen anpassen. Diese Technik soll die Produktivität in den Warenhäusern von Hitachi um acht Prozent gesteigert haben.

Entwicklung in Japan am weitesten

Nirgendwo ist die Entwicklung von Robotern so weit vorangeschritten wie in Japan. Dort wurde im vergangenen Jahr sogar schon ein Roboter-Concierge in einem Hotel präsentiert. Doch die jüngste Innovation würde die Entwicklung auf eine neue Stufe stellen. Nicht mehr der Mensch befehligt die Maschine, sondern die Maschine den Menschen.

Bislang übernahmen Roboter einfache Tätigkeiten wie Putzen oder Pakete packen. Der Mensch war Koch, die Maschine Helfer. Doch nun könnte das Verhältnis kippen. Das US-Marktforschungsinstitut Gartner schätzt, dass bis 2018 drei Millionen Arbeiter von einem „Robo-Boss“ beaufsichtigt werden. „Roboterchefs werden zunehmend Entscheidungen treffen, die zuvor nur von menschlichen Managern betroffen werden konnten“, heißt es in einem Bericht. Aufsichtspflichten verlagerten sich zunehmend auf die Ausübung von Überwachung und Leistungsmessung, die zudem direkt mit der Kundenzufriedenheit verknüpft werden könnten. „Solche Messungen können effektiver und schneller von smarten Maschinen-Managern übernommen werden.“

Darf ein Roboter Menschen vertreten?

Immer mehr Unternehmen wie Amazon oder Tesco überwachen ihre Mitarbeiter mit Navigations-und mit Fitnessgeräten und kontrollieren damit, wie viele Schritte sie gehen und wie lange sie für die Auslieferung eines Pakets brauchen. Der Roboterchef könnte diese Daten auswerten und daraufhin Handlungsanweisungen erteilen. Zum Beispiel: „Du hast zu wenig geschlafen, bleib heute lieber mal zu Hause!“. Der US-Fahrdienstleister Uber hat das mittlere Management faktisch abgeschafft. Dort bestimmt eine ausgeklügelte Software, wer wann welche Route zu welchem Tarif fährt.

Die Frage ist, was das für die Unternehmenskultur, die Arbeitsorganisation und auch für das Arbeitsrecht bedeutet, wenn ein Roboter Menschen beaufsichtigt. Arbeitgeber und Vorgesetzte haben ja ein Direktionsrecht – sie können Weisungen erteilen, an die die Beschäftigten gebunden sind. Aber darf das auch ein Roboter? Wollen wir uns von Robotern herumkommandieren lassen? Von künstlichen Wesen, die wir selbst programmiert haben?

„Die Maschine kann rechtlich wirksam Anweisungen erteilen“

Eric Hilgendorf, Professor für Strafrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg und Leiter der Forschungsstelle Robot -Recht, sagt: „Wenn die Mitarbeiter von ihrem (menschlichen) Chef den Anweisungen einer Maschine unterstellt wurden, dann kann die Maschine rechtlich wirksam Anweisungen erteilen.“ Es bedarf also einer Ermächtigung der Maschine durch den Menschen, die Legitimationskette muss direkt auf einen menschlichen Vorgesetzten zurückgeführt werden. Eigenmächtig darf die Maschine nicht handeln.

Wenn der Mitarbeiter in allen Aktivitäten messbar wird, könnte man ihn nur anhand seiner Daten bewerten. Der Roboter, so die Idee, sieht also nicht, welcher Herkunft ein Kollege ist, welche Religion oder Ansichten er hat. „Maschinen sind emotionsfrei und behandeln, wenn sie entsprechend programmiert wurden, ihre Mitarbeiter gerecht“, sagt Hilgendorf. „Sie haben keine schlechte Laune, die sie an anderen auslassen könnten.“ Es spreche deshalb sogar einiges dafür, Maschinen als Chefs zu haben. Gleichwohl: Auch Softwareprogramme können diskriminieren. Keine Technik ist wertfrei, weil sie immer vom Menschen programmiert wird.

Der Roboter als ständiger Aufpasser

Die Frage ist auch, wozu die künstliche Intelligenz imstande ist. Das vermag derzeit niemand seriös abzuschätzen. Die Consultingfirma Maddison Solutions wartet in einem Report mit einem noch gruseligeren Szenario auf: „Die Messung der Arbeitsleistung wird noch feinkörniger werden, wenn intelligente Maschinen das primäre Mittel der Performanzanalyse werden. Aktivitäten und Events, die für menschliche Manager zu klein wären, um analysiert zu werden, werden das Futter für die zum Mikromanagement fähigen Maschinen sein – zum Beispiel der Winkel, mit dem ein Teller bei einem Dinner aufgetischt wird, die Geschwindigkeit, mit der ein Fahrer um die Ecke fährt oder die Häufigkeit, mit der ein wichtiger Kunde mit einem Lächeln begrüßt wird.“ Der Roboter sei ein ständiger Aufpasser, dem nichts entgehe. Doch wollen sich die Beschäftigten einem solchen Kontrollregime unterwerfen?

Patrick Lin, Direktor der Ethics + Emerging Sciences Group an der California Polytechnic State University, sagt: „Einige Arbeiter werden es vermutlich nicht gern haben, dass ein Roboter ihr direkter Aufseher ist.“ Es würde als entmenschlichend gesehen werden und Ängste vor einem Überwachungsstaat schüren. Roboter können zwar besser Lügen erkennen als Menschen, doch wäre es nicht mit dem Recht auf Menschenwürde vereinbar, wenn man ständig unter Verdacht ist.“