Roberto Hilbert - er lebt mittlerweile in Istanbul. Foto: EPA

Ex-VfB-Profi ist beim Club Besiktas angekommen – "Lebensgewohnheiten beeindruckend".

Istanbul - Bei Roberto Hilbert läuft es wieder rund. Auf dem Platz und abseits des Rasens. Der einstige Fußball-Profi des VfB Stuttgart fühlt sich in seiner neuen Heimat Istanbul wohl.

Ein paar Worte Türkisch reichen Roberto Hilbert. Zumindest, um eine große Tasse Pfefferminztee zu bestellen. Die Nachfragen der Kellnerin nickt er freundlich ab. "Mit der Sprache klappt es noch nicht so gut, aber es wird besser", sagt der Ex-VfB-Profi. Für drei Jahre hat er sich an den Traditionsclub Besiktas Jimnastik Kulübü in Istanbul gebunden. Als er im Juni die Unterschrift unter den gut dotierten Vertrag setzte, wusste er nicht, worauf er sich einlässt. Istanbul kannte der 26-Jährige nur vom Hörensagen, den türkischen Fußball nur aus dem Fernsehen. Starthilfe gaben die deutschen Mannschaftskollegen Fabian Ernst und Michael Fink - nach einigen Wacklern läuft es nun rund, nach gut fünf Monaten ist Hilbert sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Begeistert erzählt er von einer "irren Stadt", fasziniert von seinem Club, dem Istanbuler Arbeiterverein Besiktas. "Wenn man für die großen Istanbuler Vereine spielt, also Fenerbahce, Galatasaray oder Besiktas, hat man die Pflicht, jedes Jahr die Meisterschaft und den Pokal zu gewinnen", erklärt er, "die Duelle sind mehr als Derbys. Als wir gegen Fenerbahce gespielt haben und mit dem Bus zum Stadion gerollt sind, brannte die ganze Stadt." Eine Statistik besagt, dass die Quote von Krankmeldungen in Istanbul nach Derbys besonders hoch ist. Nach einem verlorenen Spiel ist die Enttäuschung der Fans offenbar zu groß. "Verständlicherweise", sagt Hilbert und lacht.

Nachdem er zu Beginn der Saison öfters auf der Bank saß, ist er mittlerweile eine feste Größe für Trainer Bernd Schuster. Hilbert spielt auf der ungewohnten rechten Abwehrseite, Schuster setzt auf seine schnellen Vorstöße über die Außenbahn, die Fans lieben seinen Kampfgeist. Hallen beim Aufwärmen die "Hilbert"-Rufe durchs Inönü-Stadion, gilt es, die Übung zu unterbrechen und zur Fankurve zu sprinten - erst nach einer herzlichen Verneigung oder einem Kuss aufs Besiktas-Logo geht's zurück aufs Feld. "Die Stimmung in den deutschen Stadien ist beeindruckend, aber wie Fans hier drauf sind, muss man erlebt haben." Das Trikot mit der Nummer 9 und dem Namen Hilbert hängt im Fanshop gleich neben der 14 von Guti und der 7 von Ricardo Quaresma. "Hilbert ist ein guter Mann. Seine Seitenwechsel sind gut für das Spiel von Besiktas", meint Onur, ein türkischer Sportjournalist.

Den bislang nachhaltigsten Eindruck hat das tägliche Verkehrschaos hinterlassen

Sportlich ist der europäische Teil Istanbuls die Heimat, privat ist Hilbert mit Ehefrau Saba (37) und den vier Kindern auf der asiatischen Seite zu Hause. Acarkent heißt das kleine Istanbuler Fleckchen in bevorzugter Wohnlage. Der schmucke Garten bietet genügend Platz, der Pool eine kühle Erfrischung bei immerhin noch knapp 30 Grad Anfang Dezember.

Kein Wunder, dass Hilbert seine freie Zeit am liebsten in den eigenen vier Wänden verbringt. Mit 26 Jahren Vater von vier Kindern zu sein, beschreibt er als "sicher außergewöhnlich, doch perfektes Glück". Seine elf Jahre ältere Ehefrau nennt er als sein Vorbild. "Saba kommt aus Eritrea, sie hat Bürgerkriege erleben müssen. Von ihr habe ich das Kämpfen gelernt", sagt der Fußballer und nimmt einen Schluck Pfefferminztee. Es ist der einzige Augenblick an diesem Nachmittag, an dem Hilbert nachdenklich wirkt. Aber lachen kann er schnell wieder, wenn er ans Abenteuerland Istanbul denkt. Den bislang nachhaltigsten Eindruck hat das tägliche Verkehrschaos hinterlassen. "Wenn mitten auf der dreispurigen Autobahn Schilder angebracht sind, die einen darauf hinweisen, hier nicht zu parken oder zu wenden, sagt das alles."

So oft es geht und der Spielplan es erlaubt, steigt die Familie in den Flieger nach Deutschland. "Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch", sagt Hilbert. Mit Freunden telefoniert er täglich, mit den ehemaligen VfB-Kollegen Christian Träsch und Timo Gebhart mindestens drei- bis viermal pro Woche. Zu einem gelungenen Wochenende gehören drei Punkte mit Besiktas sowie die Fußball-Bundesliga - alle Spiele in der Zusammenfassung - und ein Blick auf Greuther Fürth in Liga zwei. Dass er selbst noch einmal die Fußballschuhe in Deutschland schnüren wird, schließt Hilbert nicht aus. Im Gegenteil: "Deutschland ist meine Heimat." Allerdings sicher nicht in den nächsten drei Jahren. Seinen Vertrag bei Besiktas will er erfüllen - und dann war da ja auch noch die Pflicht, mit seinem Club die Meisterschaft und den Pokal zu gewinnen.