Robert Redford mit Dustin Hoffman in „Die Unbestechlichen“ Foto: obs

Viele große Kinocharaktere sind untrennbar mit Robert Redfords Gesicht verbunden: kantige Züge, jungenhaftes Lächeln, wache Augen, unwiderstehlicher Charme – scheinbar ein perfekter „All American Boy“, hinter dessen Strahlen aber immer ein streitbarer Rebell stand.

Sundance - seiner Figuren sind amerikanische Einzelgänger, zerrissen wie das Land, in dem sie wurzeln und mit dem sie doch im Clinch liegen. Robert Redford ist der wortkarge Revolverheld Sundance Kid, der dem Tausendsassa Butch Cassidy (Paul Newman) den Rücken freihält, er ist der beharrliche Reporter Bob Woodward, der mit seinem Kollegen Carl Bernstein (Dustin Hoffman) den Watergate-Skandal aufdeckt, und er ist der eigenbrötlerische Abenteurer Denys Finch Hatton, der Karen Blixen (Meryl Streep) vor afrikanischer Traumkulisse die Einsamkeit vertreibt.

Geboren in Santa Monica als Sohn eines Milchmanns, nahm Charles Robert Redford sich zunächst Zeit, zu reifen: Schon auf der Highschool erwischte man ihn beim Radkappen-Diebstahl, ein Baseball-Stipendium fürs College wurde ihm aberkannt, weil er zu oft und zu gerne feierte. Er bevorzugte ohnehin Kunstseminare, und es zog ihn nach Europa, wo er sich in Florenz, Paris und München als Kunstmaler versuchte.

Dann schrieb er sich in einer New Yorker Schauspielschule ein und bekam schnell Auftritte auf Bühnen und in Filmen. Er spielte die männliche Hauptrolle in der Broadway-Komödie „Barfuß im Park“, deren Verfilmung 1967 sein erster größerer Erfolg wurde. Die Rolle des Benjamin Braddock in „Die Reifeprüfung“ (1967), die Dustin Hoffman zum Star machte, lehnte Redford ab mit der Begründung: „Ich habe nie ausgesehen wie ein 21-jähriger College-Abgänger, der noch nie Sex hatte.“

Er wurde zu einem Gesicht der gesellschaftskritischen „New Hollywood“-Bewegung

Der große Durchbruch gelang ihm 1969 neben Paul Newman als düsterer Einsilbling im Spätwestern „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ von George Roy Hill. Die beiden verstanden sich und waren gemeinsam auch in Hills Gaunerstück „Der Clou“ (1973) zu sehen, in dem Redford als eloquenter Trickbetrügerseine Wandelbarkeit unter Beweis stellte.

Er wählte seine Rollen mit Bedacht, achtete auf Substanz und wurde zu einem der Gesichter der gesellschaftskritischen „New Hollywood“-Bewegung: 1972 spielte er in der bösen Polit-Satire „The Candidate“ (Regie: Michael Ritchie) einen idealistischen Senatskandidaten, der zunehmend in die Gefahr gerät, sich korrumpieren zu lassen; 1975 war er in dem CIA-Verschwörungs-Thriller „Die drei Tage des Condor“ (Regie: Sydney Pollack) zu sehen, 1976 in „Die Unbestechlichen“ (Regie: Alan J. Pakula) als investigativer Journalist Bob Woodward, der mit Carl Bernstein (Dustin Hofman) den Watergate-Skandal aufdeckt.

Irgendwann genügte es Redford nicht mehr, vor der Kamera zu stehen. Sein Regiedebüt „Eine ganz normale Familie“ (1980), ein Drama, das den US-Mittelstand unter die Lupe nahm, brachte ihm prompt einen Oscar ein. „Ich habe als Maler angefangen“, sagte Redford später, „und war überrascht, dass ich das dazugehörige Wissen als Regisseur wieder anwenden konnte – die Gestaltung eines Raumes, die Kontrolle innerhalb eines Rahmens.“

Redford hat hohe Gagen genutzt, um eigene Projekte zu finanzieren

Nun gut etabliert, kaufte Redford sich eine Ranch in Utah, gründete das Sundance-Institute für Nachwuchsfilmer und 1985 das gleichnamige Filmfestival. Es wurde zum wichtigsten Forum für unabhängige Filmproduktionen, die Filmemacher folgten begeistert dem Ruf des Charismatikers, der den mächtigen Studios in Hollywood etwas entgegensetzte.

Zugleich benutzte Redford die Traumfabrik, um eigene Projekte zu finanzieren wie die fein konstruierte Fernsehsatire „Quiz Show“ (1994) – indem er gut bezahlte Rollen in großen Publikumsfilmen annahm. Er betörte Meryl Streep in „Jenseits von Afrika“ (1985), Er ließ Debra Winger in „Staatsanwälte küsst man nicht“ (1986) schwach werden, machte Demi Moore „Ein unmoralisches Angebot“ (1993) und beeindruckte Michelle Pfeiffer „Aus nächster Nähe“ (1996). Privat war er alles andere als sprunghaft und zunächst 27 Jahre lang mit Lola Jean Van Wagenen verheiratet, der Mutter seiner vier Kinder. Seit 1996 ist Redford mit der deutschen Malerin Sibylle Szaggars liiert, die er 2009 in Hamburg geehelicht hat.

Abseits der Leinwand engagiert sich Redford als Umweltschützer. Seine Stimme hat Gewicht, denn er hat stets darauf achtet, gut informiert zu sein – „sonst stellen sie dich als nicht glaubwürdig hin: Sie sind ein Schauspieler, was wissen Sie schon?“ Redford kritisierte George W. Bush, als dieser das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz von 1997 nicht ratifizieren wollte, und er brandmarkte den Präsidenten als „Marionette der Ölindustrie“, deren Interessen er bediene, als dieser nach dem 11. September 2001 Ölbohrungen in Alaska, Yellowstone und anderen Naturreservaten erlauben wollte.

Redford blickt in die Abgründe des Washingtoner Polit-Zirkus

Einen großen Auftritt zum Verhältnis von Mensch und Natur hatte Redford in „All is Lost“ (2013, Regie: J. C. Chandor) als havarierender Alleinsegler, dessen Boot ein treibender Frachtcontainer beschädigt hat. In langen Echtzeit-Sequenzen kämpft seine Figur gegen die Zeit und die Elemente und der damals 76-jährige Redford verausgabt sich dabei körperlich, wie man es selten sieht. Niemand sonst ist mehr unterwegs auf dem weiten Meer, außer gigantischen Frachtkähnen, die Konsumgüter aus Billiglohnländern transportieren. Ein alter Mann, verloren, verweht, weggespült im globalen Warenstrom – ein großes Bild, verkörpert von einem großen Darsteller.

Als Regisseur führt Redford in seinem Spätwerk weit, was Pollack und Pakula ihm in den 1970ern vorgelebt haben: Großes, kritisches Polit-Kino. In „Von Löwen und Lämmern“ (2007) fragt er mit Meryl Streep und Tom Cruise vor dem Hintergrund des Krieges in Afghanistan nach US-amerikanischer Identität und Haltung und blickt in die Abgründe des Washingtoner Polit-Zirkus. In „The Company You Keep“ (2012) spielt er einen erfolgreichen Anwalt, der als ehemaliger linker Aktivisten enttarnt und verfolgt wird. Zuletzt war Redford mit Cate Blanchett in James Vanderbilts Drama „Der Moment der Wahrheit“ (2015) zu sehen – als TV-Journalist, der den Ex-Präsidenten George W. Bush als Militärdienst-Drückeberger entlarvt und deshalb unter Druck gerät.

Im wirklichen Leben schien der zurückhaltende Regisseur und Schauspieler stets in sich zu ruhen. „Auf eine Art war er wie das Land, in dem er lebte, alles fiel ihm zu leicht“, schreibt der prinzipienlose Autor, den Robert Redford in Sydney Pollacks romantisch grundiertem Gesellschaftsdrama „So wie wir waren“ (1973) verkörpert – und fast mutet es so an, als kämen Fiktion und Realität sich hier ein wenig durcheinander.