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Vor zwölf Jahren erklärte Robbie Williams, nie mehr in Stuttgart zu spielen. Ein geistig Verwirrter hatte ihn in der Schleyerhalle von der Bühne in den Fotografengraben gestoßen. Am Sonntag kommt er trotzdem.

Stuttgart - Es war Stuttgarts großer Tag der Entertainer, dieser 21. Februar 2001. In der L-Bank gab der damals 57-jährige Kanzler Gerhard Schröder beim treffpunkt foyer der Stuttgarter Nachrichten den Polit-Charmeur und Pointen-Fan. Zur selben Stunde machte ein 27-jähriger Brite in der Schleyerhalle klar, dass Sprücheklopfen nicht Politikern vorbehalten ist. Robbie Williams riss eine Zote nach der anderen.

Mein Chef hatte mich als Berichterstatter zu Herrn Schröder geschickt, obwohl ich lieber zum damals größten Pop-Talent gegangen wäre. Facebook oder WhatsApp gab’s noch nicht, so dass wir nicht mit Live-Fotos vom anderen Schauplatz versorgt wurden. Aber plötzlich kam die rätselhafte SMS eines Freundes. „Robbie gestürzt“ stand da drauf. In der Schleyerhalle – diese Nachricht sollte später um die Welt gehen – war ein 20-jähriger, offenbar psychisch kranker Mann auf die Bühne geklettert und hatte den Popstar in den 1,60 Meter tiefen Fotografen-Graben gestoßen. Ein Bandmitglied überwältigte den verwirrten Täter. Der Sänger kam mit leichten Prellungen und dem Schrecken davon. Er setzte sein Konzert fort.

Robbie Williams tobte, erzählt man sich noch heute. Niemals werde er wieder in diesem „grässlichen Kaff“ spielen. Was wäre gewesen, hätte der psychisch Kranke ein Messer mit sich geführt? Die offizielle Sprachregelung war versöhnlich. Dem Täter müsse geholfen werden, ließ der Popstar erklären, man werde keine Strafanzeige erstatten. Nie mehr Stuttgart? Vor sechs Jahren hatte der Brite tatsächlich unsere Stadt vom Tourplan gestrichen. Überrascht waren nun Mitarbeiter des hiesigen Konzertbüros Musiccircus, dass Robbie Williams für die Stadiontour 2013 die Mercedes-Benz-Arena aufgenommen hat. Hat er vergessen, was 2001 in dieser Stadt geschah? Oder ist es Konfrontationstherapie?

Der Legende nach wollte Robbie Williams am 21. Februar 2001 noch am Abend die Stadt verlassen. In der Hotellobby des damaligen Interconti habe ihn jedoch eine junge Stuttgarterin mit „schicken Stiefeln“ aufgehalten, so erklärte er später in einem Interview. Nach der gemeinsam verbrachten Nacht sei er ohne sie nach Paris zum nächsten Konzert geflogen.

Let me entertain you. Ist die Stiefel-Story nur Show? Glauben muss man einem Großmaul von seinem Schlag ohnehin nix. Trotzdem sollte sich die Dame von 2001 mal ganz dringend bei mir melden. Die gesamte Stadt will wissen: Glänzen ihre Stiefel heute noch?

Heute gibt es ewig Unzufriedene, die lästern, Robbie sei zu fett geworden, er mache zu wenig Sport oder lasse sich zu selten mit fremden Stiefeln ein. Dabei ist er seit Wochen schweißtreibend auf Europatournee. Ob in Mailand, Wien oder Amsterdam – die Zugaben sind stets Gänsehaut-Garantie: Mit „Feel“, „She’s the One“ und „Angels“ enden die Konzerte, über die Kritiker in den bisher besuchten Städten meist positiv berichten. Man kann ihre Bewertungen so zusammenfassen: Robbie Williams ist narzisstisch, sexistisch, aber trotzdem fantastisch.

Welcome, Mister Williams. Wir Stuttgarter freuen uns auf Sie! So streng bewacht war wohl noch nie eine Bühne wie diesmal bei Ihnen im Stadion, Mister Williams! Mit 39 Jahren sind Sie immer noch ganz oben. Der andere Entertainer vom 21. Februar 2001, der sich für einen Popstar der Politik hielt, musste längst abtreten.