Mit Surfbrett und schrottreifen Käfer durch die Wüste Südafrikas. Foto: Kaschl

Ein Stuttgarter Lehrer hat in Südarfika studiert und einen Roman über Kapstadt geschrieben.

Stuttgart - Spätestens seit der WM 2010 kennt fast jeder Kapstadt. Doch die Stadt in Südafrika bietet weit mehr als Fußball. Der Stuttgarter Lehrer Ulf Iskender Kaschl ist fasziniert von der Stadt und hat über ihre Mischung aus Schönheit und Schrecken, aus Farben und Fieber einen halbbiografischen Roman geschrieben.

Als Ulf Iskender Kaschl 1999 zum Studium der Biologie nach Kapstadt kommt, erlebt er bereits am zweiten Tag aus nächster Nähe einen Mord. Nach seiner ersten Fahrt in einem Minibus gerät er in einen Schusswechsel zwischen konkurrierenden Transportunternehmen. Ein älterer Mann, mit dem er sich gerade noch im Bus unterhalten hat, wird tödlich getroffen. Willkommen in Kapstadt!

Alexander, wie der Held im Roman "Roadmovie Kapstadt" heißt, ist unschwer als Ulf Iskender Kaschl zu erkennen. Heißt doch auf Türkisch Iskender nichts anderes als Alexander. Diesen türkischen Vornamen bekam Kaschl, weil er unmittelbar nach seiner Geburt 1975 in Trier mit seinen Eltern für zwei Jahre in die Türkei ging.

Zwischen Schönheit und Schrecken 

Nach Kapstadt ist Kaschl seit seinem Studium immer wieder gereist, zuletzt mehrere Monate Anfang 2010. Vieles hat sich seit 1999 geändert, sagt er und denkt dabei an die Rede von Bischof Desmond Tutu bei der Eröffnung der Fußball-WM. "Südafrika hat sich gewandelt, von einer hässlichen Raupe in einen wunderschönen Schmetterling", erinnert sich Kaschl. "Bei diesem Satz habe ich eine Gänsehaut bekommen."

Gänsehaut, davon gibt es in Kapstadt genug. Mal hat sie ihre Ursache in Ergriffenheit, in Freude und Emotion, mal in Panik, Angst und Gewalt. "In Kapstadt weicht einem das Adrenalin nicht aus den Adern", sagt Kaschl. "Doch trotz aller Gewalt fasziniert mich das ungezwungene Lebensgefühl." Kapstadt zwischen Schönheit und Schrecken. Diese Pole geben den Kurs für Ulf Iskender ebenso vor wie für Alexander, sein Alter Ego als Romanfigur.

Hier die immer noch vorhandene Apartheid, dort das Zusammenleben junger Menschen aller Rassen im Stadtteil Woodstock. Hier der offene Rassismus in der Tradition des ermordeten Eugene Terreblanche, dort das Braai, das gemeinsame Barbecue von Schwarzen und Weißen auf den Sportplätzen der Townships, das spontan jeden Samstag stattfindet und sich zum Kult entwickelt hat. Hier Armut und Aids, dort die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen.

Ein Kind der Kalahari

Trotz einer fortschrittlichen Verfassung, die auf dem Papier alle Rassenschranken eingerissen hat, ist Südafrika eine "Cappuccino-Gesellschaft", sagt Kaschl. Unten sitzt der schwarze Bodensatz, "der bitter ist, aber den Geschmack des Landes ausmacht". Darüber folgt Milchkaffee, der für die Mischlinge und Inder steht. "Oben schwimmt der weiße Schaum", sagt Kaschl, "und ganz oben stecken die Schokostreusel." Sie stehen symbolisch für die sogenannten Black Pearls, die Musiker, die vergöttert werden, und etliche schwarze Politiker, die durch Korruption reich geworden sind.

"Die Gesellschaft muss sich nach der Apartheid neu erfinden", sagt Kaschl. Zum einen macht die krasse Ungleichverteilung der Güter das Land zum Pulverfass, zum anderen gibt es auch viele erfreuliche Entwicklungen. 20 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung interessieren sich viele junge Weiße für die Aufarbeitung der Vergangenheit. Doch noch bleibt viel zu tun. Kaschl zieht einen Vergleich mit Deutschland: "20 Jahre nach dem Mauerfall gibt es hier auch noch Vorbehalte zwischen Ost und West."

Für Kaschl ist Südafrika nicht nur ein Land, das ihn fasziniert und ihn durch seine Menschen, Natur, Küche, Musik und Kunst begeistert. "Das Land zeigt auch die Phänomene der Globalisierung im Kleinen." Kaschl nennt die Rassenproblematik, die Spannungen zwischen den Religionen, die Angst vor Zuwanderung von Flüchtlingen und die Kluft zwischen arm und reich.

Ein Kind der Kalahari

Der 35-jährige Lehrer, der am Dillmann-Gymnasium Biologie und Englisch unterrichtet, ist selbst ein gutes Beispiel für die Globalisierung im ganz Kleinen, im familiären Bereich. Seine beiden ersten Lebensjahre verbrachte er in Izmir in der Türkei, wo sein Vater ein Projekt der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit leitete. "Türkisch war meine erste Sprache", sagt Kaschl. Doch davon, was ihm die Kinderfrau beibrachte, "ist leider nichts mehr vorhanden". Mit zehn Jahren lebte er ein Jahr in den USA. Nach dem Studium in Südafrika ging Kaschl für seine Abschlussarbeit nach Slowenien. Auch die Geschwister sind viel herumgekommen. Ein Schwester leitet das Goethe-Institut in Addis Abeba in Äthiopien, eine andere Schwester lebt in Spanien, eine Schwägerin ist Kubanerin. "Die Familie ist ziemlich international aufgestellt."

Da kann es kein Zufall sein, dass das bereits auf das vor acht Wochen geborene Töchterchen von Anna und Ulf Iskender Kaschl abgefärbt hat. "Sie ist ein Kind der Kalahari." In dieser Wüste im Norden Südafrikas war das Paar Anfang 2010 auf Hochzeitsreise unterwegs - in einem schrottreifen VW Käfer, Baujahr 1968. In Kapstadt lassen sich solche Autos günstig mieten. Bei "Rent a Wreck" kostet eine schrottreife Rostlaube für einen Monat etwa 200 Euro. Für 50 Euro Aufpreis gibt es sogar die Garantie, dass nach einer Panne das Fahrzeug samt Insassen binnen drei Tagen abgeschleppt wird. "Vorausgesetzt, man bekommt draußen in der Wüste eine Handyverbindung", sagt Kaschl.

Doch selbst in der tiefsten Kalahari standen das junge Paar und ihr Fahrzeug fast ständig unter Beobachtung. "Der Käfer wurde von den Fotosafaris öfter geknipst als die großen Wildtiere." Das größte Abenteuer aber war eine achtstündige Abschleppfahrt am Haken eines klapprigen Lasters. "Der Fahrer hatte alles Mögliche intus." Nicht nur Cappuccino.

Der Roman "Roadmovie Kapstadt"von Ulf Iskender Kaschl ist bei der Édition Trèves in Trier erschienen. Er hat 257 Seiten und kostet 14,80 Euro. ISBN 978-3-88081-605-3. Mehr über den Autor und Südafrika finden Sie auf Ulf Iskender Kaschls Homepage: www.kaschl.de