Seit rund 45 Jahren macht Rino de Masi nun Livemusik – eigentlich nonstop. Foto: Gottfried Stoppel

Im Rems-Murr-Kreis leben viele Eingewanderte. Einige brachten im Reisegepäck ihre Instrumente mit. Auch deren Nachkommen machen Musik und schreiben eigene Songs – wie der italienische Liedermacher Rino de Masi aus Fellbach.

Musik ist für viele eine nette Nebensache. Für den in Stuttgart aufgewachsenen Sänger, Gitarristen und Liedermacher Rino de Masi bedeutet „La Musica“ aber viel mehr als nur Unterhaltung und Dolce Vita: „Eine musikalische Ausbildung halte ich für enorm wichtig“, sagt der 62-Jährige. Es biete jedem die Möglichkeit, kulturell über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und den Horizont zu erweitern.

Obwohl sich Rino de Masi das Gitarrenspiel einst am Stuttgarter Feuersee allein beibrachte, hat er seine Kinder musikalisch stets gefördert: „Alle drei können ein Instrument spielen, der Älteste Gitarre, der Mittlere Saxofon und Klarinette und die Jüngste Klavier.“ Auch das „Enkele“ gehe bereits auf die Musikschule in Fellbach.

Der Singer-Songwriter ist nur ein halber Italiener

Dass der Fellbacher Singer-Songwriter im Grunde nur ein halber Italiener ist, nimmt ihm keiner so richtig ab. Doch tatsächlich kam er als Kind einer schwäbischen Mutter und eines italienischen Vaters im Jahr 1961 in Stuttgart-Süd zur Welt. „Aber ich habe mich eher in die Richtung des italienischen Zweiges weiterentwickelt“, sagt er schmunzelnd. Sein Vater arbeitete als Dolmetscher bei der Deutschen Bundespost. Er sprach neben Italienisch, auch gut Spanisch, Portugiesisch und Deutsch. Zudem gab er als Sprachlehrer Intensivkurse in Stuttgart.

Nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium Stuttgart-West wollte Rino de Masi eigentlich in Italien studieren. Doch eine frisch geschlossene Verlobung mit einer Italienerin, die er dort kennengelernt hatte, ging in die Brüche. Der junge Student reiste fluchtartig nach Stuttgart zu seinen Eltern zurück, auch weil die Brüder seiner Verlobten ihm offenbar auf den Fersen waren. Das Ganze glich fast einer modernen Neuauflage der klassischen Familien-Tragödie von „Romeo und Julia“ frei nach Shakespeare.

Doch trotz dieser Episode blieb Rino de Masi seinem Sehnsuchtsort Italien treu. Vor allem auch was seine Musik betrifft. Seine LPs und Eigenproduktionen „Dolce Sorpresa“ oder „Ascolta Questa Musica“ leben von seiner markanten Stimme. Auch bei den Platten „Passione Italiana“ oder „Romanza“ mit von ihm eingespielten Klassikern und Coverversionen aus den 1950er bis 80er Jahren sticht sein Gesang neben der Gitarre und Mandoline hervor.

Was aber so lässig und leicht klingt, hat viele Facetten. Denn es schwingt auch eine raue Komponente in dieser wie mit Schmirgelpapier belegten Stimme mit. Damit schafft er das, was vielen Musikern abgeht: Authentizität und Emotionalität. Seine Eigenkompositionen sind alle mit italienischen Texten. Seine Tante Antonia ist für ihn und seine Songs eine echte Inspirationsquelle. Sie war Schriftstellerin in Salento bei Lecce: „Sie hat mir viele ihrer Gedichte gegeben, damit ich diese vertone.“ Auch sein Großonkel in den USA machte Musik, ging bei Ennio Morricone in die Lehre und schuf Filmkompositionen für die Traumfabrik.

Vielleicht steckt das Musikmachen ja doch drin in der Familie. Gleichzeitig pflegt der Liedermacher und Sänger in der Region Stuttgart viele Kontakte. Mal spielt er mit eigener Band, mal mit „Rino de Masi & Friends“, mal wirkt er bei anderen Ensembles mit. „Ohne gutes Netzwerk geht es nicht, wenn du viel spielst.“ Er stand schon mit dem Top-Gitarristen Paul Lavalle aus Lenningen auf der Bühne und spielte als Gastmusiker bei Silvio Dalla Brida und seiner Band aus Weil der Stadt. Auch mit David Hanselmann & The Dudes hatte er schon Projekte am Start: „Wenn du mit solch begabten Buben spielst, dann kannst du dich zurücklehnen und dich in ein Bett aus Musikalität fallen lassen. Das ist für mich viel schöner als allein auf der Bühne zu stehen“, sagt er.

Spielten auf Vereinsfesten und Hochzeiten

Seit rund 45 Jahre macht er nun Livemusik, eigentlich nonstop. Als damals 16-Jähriger heuerte er Ende der 1970er Jahre bei den Stuttgarter „Ascanas“ an. Sie fuhren übers Land und spielten auf Vereinsfesten und Hochzeiten: „Wir waren eine reine Tanzband, hatten alle den gleichen Dresscode und haben gecovert, was das Zeug hält.“

Er will keine dieser Zeiten missen, sagt aber dennoch im Rückblick: „Ich hätte noch viel mehr aus meiner Musik machen können.“ Doch wie das im Business ab einer gewissen Flughöhe halt so läuft: „Entweder du parierst oder du bist weg vom Fenster.“ Bei diesen quotenträchtigen Gesangswettbewerbsformaten von den Privatsendern hätte er als Italo-Schwabe mit seiner Power-Stimme sicher eine Chance gehabt. Einladungen gab es mehrfach. Aber als ihm die dazugehörenden Verträge ins Haus flatterten, winkte er schnell ab und sagte: „Nein danke, das unterschreibe ich nicht. Denn du verkaufst da, auf gut Schwäbisch gesagt, deinen Arsch.“ Da spielt er lieber seine eigene Setlist auf dem Waiblinger Stadtfest oder bei der Rems-tal-Wanderung.

„Ich bin schon immer gegen den Strom geschwommen“, sagt er. Und von diesen Playback-Nummern beim Fernsehen hat er ohnehin die Nase voll: „Erst kriegst du ein paar Kreuzchen als Markierung auf den Boden geklebt. Dann wird dir vorgeschrieben, wo du zu stehen hast. Und zwischendurch bewegst du ein bisschen den Mund, statt wirklich zu singen. Wenn du da wirklich live spielst, ist das verpönt.“

Led Zeppelin und Deep Purple waren angesagt

Der Beginn seiner Karriere startete eigentlich mit einem Affront. Sein Vater kaufte dem Sohn eine Ziehharmonika und meldete ihn bei einem Akkordeonorchester an. „Ich kam dorthin, und die spielten nur Volksmusik.“ Für ihn, der damals auf Led Zeppelin und Deep Purple stand, war dieser Schifferklavier-Chor gleichbedeutend mit chinesischer Wasserfolter: „Nach vier Wochen habe ich meinem Vater das Akkordeon vor die Füße geschmissen.“ Seine erste Epiphone-Gitarre aus den USA kaufte er vom eigens verdienten Geld. Er finanzierte sie gemeinsam mit seinem Bruder. Doch die Gitarre ging kaputt, damit war auch dieses frühe Bandprojekt der De-Masi-Brüder für immer Geschichte. „Mein Bruder beendete daraufhin leider seine musikalische Karriere.“