Vor einem der Asemwald-Hochhäuser mahnt ein Schild zum Freihalten der Brandschutzzone – die Vorkehrungen gegen Brände in den Gebäude n genügen dem Baurechtsamt aber nicht. Foto: Max Kovalenko

Im Ringen um einen zweiten Fluchtweg in den Hochhäusern im Asemwald ist eine weitere Runde eingeläutet. Ein Gutachter hat im Auftrag der Wohnungseigentümer jetzt Maßnahmen in den Treppenhäusern vorgeschlagen, um Eingriffe an den Fassaden abzuwenden. Dem Baurechtsamt reicht das nicht.

Stuttgart - Die Sicherheit von Bewohnern und Besuchern muss erhöht werden, beim Brandschutz muss gehandelt werden. Diese Auflage des Baurechtsamts Stuttgart vor zwei Jahren wollen die Wohnungseigentümer im Asemwald nun erfüllen, ohne dass die sogenannten Fensterputzbalkone zu horizontalen Fluchtwegen an den Fassaden ausgebaut werden.

Ein Münchner Brandschutzexperte hat im Auftrag der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft vor wenigen Tagen ein Gutachten vorgelegt, in dem als Alternative sogenannte Sicherheitstreppenhäuser vorgeschlagen werden. Kurz gesagt: Der bestehende erste Rettungsweg soll besser ausgerüstet und besser gegen Feuer und gegen Raucheinwirkung von angrenzenden Gebäudeteilen geschützt werden.

Die Bestimmungen sehen in solchen Fällen vor, dass die Treppen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen und die Türen zu den Sicherheitstreppenhäusern rauchdicht, selbstschließend und feuerhemmend sein müssen.

Nach dem Eingang und der Lektüre des Gutachtens rückten Mitarbeiter des Baurechtsamts zu einer weiteren Ortsbesichtigung im Asemwald aus. Das Ergebnis: Der Ansatz sei zwar nachvollziehbar, aber so, wie der Gutachter sich das denke, funktioniert es nicht. Amtsleiterin Kirsten Rickes: „Es wird so getan, als ob es schon Sicherheitstreppenhäuser gäbe, aber so ist es nicht.“ Sie wisse nicht, sagte Rickes, ob sich der Gutachter und die Eigentümer-Gemeinschaft über die Konsequenzen ihres Vorschlags im Klaren seien. Praktisch alle Wohnungstüren in den Gebäuden müssten durch Brandschutztüren ersetzt werden. Mit einer Hand wären sie künftig kaum mehr zu bedienen, nur mit zwei Händen.

Eigentümer-Gemeinschaft: Keinen zweiten Fluchtweg über die Putzbalkone

Rickes will nun in weiteren Gesprächen ausloten, ob die Wohnungseigentümer zum Nachbessern ihres Vorschlags und zur Einrichtung von richtigen Sicherheitstreppenhäusern bereit wären. Das Baurechtsamt wolle nicht stur sein und nicht darauf bestehen, dass die Paragrafen bis zum letzten Buchstaben erfüllt werden. Schon in der Vergangenheit habe man auf Vorschläge reagiert. Die Eigentümer-Gemeinschaft habe selbst die Lösung mit einem zweiten Fluchtweg über die Putzbalkone ins Gespräch gebracht, den das Baurechtsamt bei seiner Verfügung vor zwei Jahren übernahm.

Dagegen wehrt sich die Eigentümer-Gemeinschaft aber seit nunmehr zwei Jahren auf dem Gerichtsweg. Der Grund: Für die Fluchtwege müssten kleine Durchlässe in den Betontrennelementen zwischen den Balkonen erweitert werden, damit Hausbewohner im Brandfall an der Fassade entlang von einem Treppenhaus zu einem anderen Treppenhaus gelangen könnten. Aber auch durch die Erweiterung der kleinen Schlupflöcher entstehe für die durchschnittlich 62 Jahre alten Bewohner der Hochhäuser kein tauglicher Rettungsweg, sagt der Rechtsanwalt der Eigentümer-Gemeinschaft, Thomas Grassinger. Für Feuerwehrmänner mit Atemschutzausrüstung würden die Durchlässe schon gar nicht ausreichen, meinen die Eigentümer. Und schließlich sei diese Lösung auch aus baustatischen Gründen nicht machbar, fügt Grassinger hinzu.

Auf eine Lösung wird gedrängt

Diese Einschätzung sieht der Anwalt in dem Gutachten bestätigt. Der Sachverständige sei zum Urteil gekommen, dass die von der Stadt verlangte Maßnahme ungeeignet sei. Der beabsichtigte Sinn, nämlich die Eigenrettung der Bewohner, werde nicht erfüllt. Als Alternative habe der Gutachter „einen Maßnahmenkatalog für eine wesentliche Verbesserung“ auf einem anderen Weg vorgelegt. Öffentlich äußern will sich Grassinger zu den Details aber nicht. Sie seien Gegenstand der Gespräche mit der Stadtverwaltung und der juristischen Auseinandersetzung.

Viel Zeit mit Reden und Prüfen möchte Kirsten Rickes nicht mehr verlieren. Sie dringt auf eine Lösung. Fakt sei, dass es in den drei Hochhäusern mit rund 1800 Einwohnern zurzeit „keinen sicheren Rettungsweg gibt und jeden Tag etwas passieren könnte“. Man komme den Eigentümern entgegen, „aber wir können ja schlecht selbst Umbauten vornehmen“, sagt die Amtsleiterin.

Ihre Forderungen zum Handeln stützt sie auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in Mannheim, der eine akute Gefährdung der Bewohner erkannte: Im Fall eines Brands bestehe Gefahr für Leib und Leben der Bewohner, hatte das Obergericht in einem Eilverfahren geurteilt. Die Richter lehnten die Aufhebung des von der Stadt verfügten Sofortvollzugs der Anordnung ab. Inzwischen hat die Stadt drei Zwangsbescheide verschickt.