Benin-Figuren aus dem Linden-Museum in Stuttgart Foto: dpa/Schmidt

1897 zerstören und plündern die Briten die Hauptstadt des Königreichs Benin. Die berühmten Benin-Bronzen, auch aus Stuttgart, sollen zurück. Aber noch wird verhandelt.

In Liverpool betritt Captain Herbert Walker im Januar 1897 ein Schiff der Royal Navy. An Spanien vorbei geht es nach Westafrika. Das Ziel: das Königreich Benin (heute Teil Nigerias), Störenfried im britischen Einflussgebiet. Selbstbewusst pocht der König auf seine (Handels-)Macht, die lange auch auf einem fragwürdigen Austausch mit Europa beruht: Menschen gegen Material, Sklaven gegen Messing. Das Messing fließt unter anderem in die Fertigung unterschiedlichster Figuren.

 

Das erste MG-Dauerfeuer

Im Februar 1897 landen die Briten mit 1200 Mann vor Benin-City. Ein angebliches Unrechtsregime, das sich mit unterstellten grausamen Menschenopfern an der Macht halte, sollte beseitigt werden. Mit an Bord sind Maschinengewehre. Benin-City erlebt das erste MG-Dauerfeuer der Geschichte, nach kaum einer Woche ist alles vorbei. Die Angaben zu den Todeszahlen schwanken bis heute. Waren es 10 000? Waren es 50 000?

Alles „voller Beute“

Den Eroberern ist anderes wichtiger. Captain Walker notiert: „Alles von Wert, das wir im Palast des Königs und umliegenden Häusern gefunden haben, wurde im ,Palaver House‘ zusammengetragen. Viele Bronzefiguren und geschnitzte Elfenbeinzähne. Das ganze Camp ist voller Beute.“

Kunststaatssekretärin Petra Olschowski Foto: mwk

Um ebendiese Beute geht es, wenn in der sogenannten Dekolonialisierungsdebatte stets die Benin-Bronzen in den Mittelpunkt rücken. Um die Kosten für den als „Strafexpedition“ deklarierten Feldzug zu decken, bringen die Briten das Raubgut in die Heimat – als Ware für unzählige Auktionen.

Interesse auch in Stuttgart

Gesandte europäischer Museen überbieten sich. Auch in Stuttgart ist das Interesse groß. Karl Graf von Linden (1838–1910), Jurist am württembergischen Königshof, hat als Vorsitzender des 1882 gegründeten Württembergischen Vereins für Handelsgeographie ein klares Ziel: ein ethnografisches Museum, ein Museum für Völkerkunde. 1889 wird es tatsächlich eröffnet – als Teil des Hauses der Wirtschaft. Die Sammlung wächst schnell – Europas Hunger nach dem unterstellt Anderen ist enorm.

Schätze sollen zurückgegeben werden

1911, kurz nach Lindens Tod, wird in Stuttgart das nach seinem Gründer benannte Völkerkundemuseum eröffnet. 78 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin verzeichnet der Bestand, darunter 64 Benin-Bronzen. Seit 2021 ist klar: Die deutschen Museen geben ihre Werke aus dem Königreich Benin an Nigeria zurück. So will es die „Benin-Erklärung“ vom 29. April 2021. Am 20. Juli 2021 stützt Baden-Württemberg, das seit der Rückgabe von Kultgegenständen an Namibia als Vorbild in der Rückgabe-Debatte gilt, mit einem Kabinettsbeschluss den Kurs der Bundesregierung.

Engagiert in der Rückgabe-Debatte: Ines de Castro, Direktorin des Linden-Museums Foto: lg

2022 soll die Rückgabe des Raubguts nach Möglichkeit beginnen. Alleine ist das Land in seiner Entscheidung aber nicht. „Federführend“, betont eine Sprecherin des von Theresia Bauer (Grüne) geführten Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf Anfrage, „führt das Auswärtige Amt die Gespräche mit den verschiedenen nigerianischen Partnern.“

Das sagt die Staatssekretärin

Einigermaßen diplomatisch drängt man gleichwohl. „Der verantwortungsvolle Umgang mit unserer kolonialen Vergangenheit liegt mir persönlich am Herzen“, sagt Kunststaatssekretärin Petra Olschowski (Grüne) unserer Zeitung. Und sie betont: „Unser Handeln wird von den Menschen in den ehemals kolonisierten Ländern aufmerksam verfolgt und zum Maßstab der Glaubwürdigkeit unserer Bemühungen für gegenseitigen Austausch gemacht.“ Dies gelte „in besonderem Maße für unseren Umgang mit den Benin-Bronzen“. Was aber, wenn in Nigeria die Planungen für ein Benin-Museum stocken? „Aus unserer Sicht“, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium, „ist der Bau eines Museums in Nigeria keine Voraussetzung für die Restitution der Benin-Bronzen.“

Loslassen in Köln

Es geht um Signale. „I miss you“ (ich vermisse dich) heißt eine Schau im Kölner Rautentrauch-Joest-Museum. Teil ist eine Aktion der nigerianischen Künstlerin Peju Layiwola. Vorsichtig löst sie die Depotnummern. Soll heißen: Die Werke aus Benin sind frei. Nicht nur in Stuttgart wird diese Botschaft aufmerksam verfolgt.

Abstimmungen „auf Hochtouren“

Der Enkel von Captain Herbert Walker hat auf eigene Weise gehandelt: Die ererbten Benin-(Raub-)Stücke seines Großvaters hat Mark Walker 2014 an das Königshaus von Benin zurückgegeben. Dieser Weg ist einer staatlichen Einrichtung versperrt. Das Stuttgarter Wissenschaftsministerium meldet derweil, die Abstimmungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Nigeria liefen „auf Hochtouren“.