Der 15-jährige Eric und Jo Nagel legen letzte Hand an ein aus Porenbeton gemachtes Riesen-Ei. Foto: Gottfried Stoppel

Der Künstler Jo Nagel hat ein Faible für die ovale Form. Seit zehn Jahren bringt er sie Kindern und Erwachsenen in Bildhauerkursen nahe. Eine Ausstellung zeigt von Sonntag bis zum 1. Mai die Ergebnisse – rund 100 Skulpturen aus Porenbeton sind zu sehen

Althütte - Erst kommt die große Bügelsäge, dann die kleine Astsäge, gefolgt von Hammer, Meißel und Stechbeitel. Die Feile trägt auch ihren Teil dazu bei, dass aus dem rechteckigen Klotz aus Porenbeton langsam aber sicher eine runde Sache wird. Na ja –fast rund. Oval ist nämlich die Form, die den Künstler Jo Nagel schon seit langem beschäftigt. Warum? „Das Ei spiegelt eine Universalform des Lebens wider“, sagt Nagel, der seit zehn Jahren Bildhauerkurse für Kinder und Erwachsene anbietet, in denen das Ei eine wichtige Rolle spielt.

Denn die Ei-Form ist genial einfach und einfach genial: „Jeder weiß, wie ein Ei aussieht, die Form ist leicht vermittelbar“, schwärmt Nagel, der als freischaffender Künstler und Grafiker in Althütte lebt und außerdem als Jugendbegleiter an der Ganztagsgrundschule in Oberweissach tätig ist.

Obendrein stecke im Ei das pralle Leben, sagt Jo Nagel, – und es tauche als Form in vielen Dingen auf: in der Wölbung eines Autodachs, dem gebogenen Rücken eines Fischs, der Kuppel eines Zwiebelturms. Wer Ei kann, kann also auch vieles andere bildhauerisch umsetzen.

Vom Ei bis zum Autodach

Den Beweis dafür erbringt die Auswahl der Skulpturen, die ab Sonntag im Rathaus von Althütte zu sehen sind. Die Ausstellung „10 Jahre Riesen-Eier in Althütte“ zeigt, was die Kursteilnehmer, alles Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 16 Jahren, im Laufe von zehn Jahren aus dem weichen Beton herausgehämmert, gemeißelt und geschnitzt haben. Eier in Urform, die auf kunstvoll verzierten Sockeln wie in einem Nest thronen, Eier mit kunstvollen Intarsien und Durchbrüchen, aber auch Eier, aus denen Drachen, Nilpferde, Hund, Frosch und Katze „geschlüpft“ sind.

Die fast 100 Exponate hat Jo Nagel in den vergangenen Wochen zu Hause bei den ehemaligen Kursteilnehmern eingesammelt. Er ist ganz schön herumgekommen, ist durch den gesamten Rems-Murr-Kreis gegondelt, um die Ei-Familie für das große Treffen im Rathaus zu vereinen. Und er hat erfreut festgestellt, dass sämtliche Ei-Skulpturen über all die Jahre in Ehren gehalten worden sind. Jede hat ihre Geschichte: Da steht die Skulptur, die noch so blütenweiß wie am ersten Tag aussieht, und die Fischfigur, die am Sockel bereits grüne Algen angesetzt hat. „Sie hat ihren Platz normalerweise an einem Pool“, erklärt Jo Nagel. Dann zeigt er auf die Figur eines liegenden Drachens und sagt: „Auf seinem Rücken schläft immer eine Katze.“

In seinen Kursen gebe es viele Wiederholungstäter, erzählt der Mann aus Althütte. Beim ersten Treffen formen sie traditionell ein Ei aus dem Ytong-Stein, danach dürfen sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen und sich an andere Motive wagen. Nach dem Akt des (Er-)Schaffens seien die Bildhauer zufrieden, entspannt – und ein bisschen erledigt von der körperlichen Arbeit.

„Erdarbeiten“ als wichtiges Thema

„Mir ist das Ei noch nicht langweilig geworden, ich mache es noch immer gerne“, versichert Nagel. Derzeit widmet er sich allerdings verstärkt dem Thema Erde. „Mich fasziniert das Bodenständige, Erde ist eine Grundlage für uns.“ Im Atelier X-Fluss, das Jo Nagel mit den Künstlerinnen Daniela Lüdecke und Regine Ahrendt teilt, hängen einige von Nagels Arbeiten mit Erde an den Wänden. Das Material sammelt er an allen möglichen Orten, es schillert mal braun, mal grün, ja sogar lilafarben. „Die Erde trockne ich und mahle sie dann klein.“ Worin? „In einem Fleischwolf.“ Die feine Erde vermischt Jo Nagel mit Acrylbinder, drückt sie in Form und lässt sie trocknen. Dabei entstehen Risse und Furchen, eigenartige und faszinierende Strukturen, quasi ganz von selbst und ohne Säge, Hammer oder Meißel.