Auch wer Bach singt, darf zur Lockerung die Zunge rausstrecken. Foto: Martin Bernklau

Grundschüler aus den Stadtbezirken Riedenberg und Heumaden zeigen ihr Sing-Bach-Projekt.

Sillenbuch - Es war ein wunderschöner Nachklang zur Stuttgarter Bachwoche und überhaupt eine großartige Sache. Im Augustinum traten am Sonntagnachmittag rund hundert Drittklässler aus den Grundschulen in Riedenberg und Heumaden vor das heimische Publikum in einem überfüllten Stiftstheater, um vorzustellen, was sie in acht Wochen beim Sing-Bach-Projekt gelernt hatten.

Zum dritten Mal hat die Internationale Bachakademie so etwas angeboten, unterstützt von der Robert-Bosch- und der Ott-Goebel-Jugend-Stiftung. Es ging um nicht weniger, als mit der versierten Gesangspädagogin Friedhilde Trüün ein paar pfiffig betextete und bekannte Instrumentalstücke, diesmal aber vor allem Musik aus der majestätischen Messe in h-Moll zu erarbeiten.

„Hitverdächtig!“

Bei den vier Wochenendkonzerten mit insgesamt 500 singenden Kindern aus Schulen der Region war eine Jazz-Combo mit dabei, die der Münchener Professor Tilman Jäger, auch Arrangeur der Stücke, vom Flügel aus leitete. „Hitverdächtig“ nannte Organisator und Moderator Christian Zech die Nummern. Man sei diesmal nach Pop und Rock „mehr Richtung Jazz unterwegs“ mit der Vermittlung Bachscher Vokalmusik.

Das besondere am Riedenberger Konzert war, dass auch der Hauschor des Seniorenstifts bei einigen Stücken mitmachte. So verband Bachs große Musik nicht nur Nationen, Kulturen und Religionen – man sah einige Kopftücher bei den Kindern und den vielen Familien im Publikum – sondern auch die Generationen.

Die Zunge raus!

Nach einer ersten Bourrée stellte Friedhilde Trüün erst einmal die Grundlagen ihrer Arbeit vor. Sie müsse nicht verzwungenen Spaß machen, sondern sei eben auch Arbeit. Und vielleicht genau deshalb, ergänzte Christian Zach, hätten sich so viele Kinder „geradezu in diese Musik verliebt“. Es gab denn auch etwas gemeinsame Stimmbildung mit den Zuhörern und dem Augustinums-Chor. „Die Jalousien nach oben!“ hieß es da, Arme und Mienen hoben sich, und die Kinder sollten zur Lockerung mal ganz frech die Zunge herausstrecken. „Die Stimme lebt von der Stimmung“, erklärte Friedhilde Trüün. Nach der lockeren Vorstellung der Jazz-Musiker durften auch die Kinder laut ansagen, was Singen für sie bedeutet.

Vor der Messe versprühten sie mit dem alten Volkslied „Die Gedanken sind frei“ ihre ganze Begeisterung am Singen. Das erhaben ernste „Kyrie“ kam zunächst instrumental daher, auch in schräg jazziger und kubanischer Latino-Version. Das prächtige „Gloria“ aber sangen die Kinder im lateinischen Originaltext, begleitet nicht von Pauken, aber von Trommeln und Trompeten. Aus den sieben Tönen des gregorianischen „Credo“-Themas ließ die Dirigentin zwischen Chören, Band und Publikum eine „kanonische Klangwolke“ entstehen.

„Das war Kunst.“

Der ganze tiefe und traurige Ernst des „Crucifixus“ war vor dem jubelnden „Resurrexit“ spürbar, und im „Dona nobis pacem“ klang alle überreligiöse Friedenssehnsucht durch; freilich nicht nur getragen feierlich in Latein, sondern auch in einer fetzigen Version mit Jazz und auf Deutsch. „Das war Kunst“, bilanzierte die Gesangslehrerin das Konzert und die acht Wochen Vorbereitung und konnte dabei auf die Begeisterung und die Disziplin ebenso stolz sein wie auf die klangliche und rhythmische Präzision und auf eine Sprache, die sich am Schluss bei einem witzigen Text um Bach-Klingeltöne und Wecker besonders eindrucksvoll zeigte.

Natürlich mussten Zugaben sein. Der johlende, trampelnde und pfeifende Beifall war von Seiten der vielen Familien, Lehrer und Mitarbeiter auch stolz. Und das ganz zu Recht.