AfD-Chef Jörg Meuthen mit seinem Südwest-Kollegen Foto: dpa

Die Umfragen für die Wahlen im Osten sehen gut aus für die AfD. Aber intern streitet die Partei um den Kurs und die Macht. Es geht um Hinterzimmerpolitik, illegale Mitschnitte und Strafanzeigen.

Berlin - Die Umfragen für die Wahlen im Osten sehen gut aus für die AfD. Aber intern wird um Kurs und Macht gerungen. Es geht um Hinterzimmerpolitik, illegale Mitschnitte und Strafanzeigen. Dieser Herbst wird zum Showdown. Ein Überblick über die Fronten.

Wo tobt der Machtkampf?

Vor allem in Landesverbänden im Westen. Ein Beispiel dafür ist Nordrhein-Westfalen, wo Anfang Juli bei einem chaotischen Parteitag die Fetzen flogen. Der Vorsitzende Helmut Seifen, der vor einer Unterwanderung durch die völkische Rechtsaußengruppierung „Flügel“ gewarnt hatte, trat zurück, mit ihm acht Vorstandsmitglieder. Der Co-Vorsitzende Thomas Röckemann, der als flügelnah gilt, blieb im Amt. Bis zum 6. Oktober muss der Vorstand des größten Landesverbandes neu gewählt werden.

Auch in Bayern zeigt sich eine Spaltung zwischen „Flügel“-Anhängern um die Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner und Mitgliedern, die keinen extrem rechten Kurs wollen. Zwei Abgeordnete haben die Fraktion verlassen. Wie an anderer Stelle auch, greifen die Kontrahenten zur Strafanzeige: In diesem Fall erstatteten mehrere Abgeordnete Anzeige gegen Ebner-Steiner, der sie vorwerfen E-Mails in einer Facebookgruppe geteilt zu haben. Auch hier müssen im Herbst Fraktions- und Landesvorstand gewählt werden.

Was ist der Hintergrund des Konflikts?

Mitglieder des Bundesvorstands betonen gern, es handele sich vor allem um Befindlichkeiten, oder die Medien trieben einen Spaltkeil in die Partei. Dabei trägt die AfD einen Richtungsstreit aus. Wenn die Partei wie zu erwarten im Osten stark abschneidet, verschiebt das Gewichte in der Gesamtpartei. Die Ost-AfD steht deutlich weiter rechts als die Mehrheit in den Landesverbänden im Westen. Nach den Wahlen wird sie auf ihre Erfolge verweisen. Die Spitzenleute Andreas Kalbitz und Björn Höcke gelten als Führungsfiguren des „Flügel“, der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird. Die Gruppierung versucht schon jetzt, ihren Einfluss auszudehnen. Dagegen regt sich Widerstand. Immer wieder verweisen Vertreter des Bundesvorstands darauf, dass der Kurs, der im Osten erfolgreich ist, bei rechtskonservativen Wählern im Westen Stimmen kosten könnte. Der „Spagat“, den Parteichef Alexander Gauland zwischen Ost- und West-AfD schon lange sieht, könnte von der Spreizung zur Spaltung führen. Wie ernst die Lage ist, konnte man am Vorschlag des baden-württembergischen Abgeordneten Marc Jongen sehen, der eine regionale Spaltung nach dem Vorbild von CSU und CDU vorschlug.

Wie verhält sich der „Flügel“?

Die ultrarechte Gruppierung kommt aus der Deckung und stellt sich demonstrativ gegen Mäßigungsappelle aus dem Parteivorstand. Ein Beispiel dafür ist eine mahnende Rede Gaulands, der sonst eher die „Flügler“ befeuert hatte. Kürzlich warnte er dagegen beim Kyffhäusertreffen des „Flügel“: Es sei nicht Ziel der AfD, „einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen kann.“ Man könne sich auch mal auf die Lippen beißen. Dagegen stand eine kulthafte Inszenierung des Auftritts von „Flügel“-Idol Höcke, den Anhänger als „Anführer“ bezeichneten. Höcke griff die Parteispitze frontal an und erklärte: „Ich kann Euch garantieren, dass dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird“, – eine Formulierung, die nahelegt, wie sicher er sich neu hinzugewonnener Mehrheiten ist. Bisher nämlich galt der Flügel zwar als wichtige, aber nicht mehrheitsfähige Strömung in der Gesamtpartei. Alarmiert reagierten dessen Gegner. Hundert Funktionäre vor allem aus dem Westen veröffentlichten einen „Appell der Mitte“, in dem sie Höcke kritisierten. Ihr Vorwurf: sein Personenkult und die Verletzung der innerparteilichen Solidarität.

Über den Kurs der Partei wird immer noch nicht offen diskutiert. Bisher kann niemand sagen, wie die Kräfteverhältnisse im Streit um eine weitere Radikalisierung sind. Es gibt Überraschungen wie die Ende Juni in Schleswig-Holstein: Dort wurde die Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein wiedergewählt – obwohl gegen die 64-jährige Höcke-Anhängerin ein Parteiausschlussverfahren läuft, weil sie einen rechtsextremen Verein unterstützt.

Spannend wird der Bundesparteitag Ende November mit den Vorstandswahlen. Gauland will sein Amt dem Vernehmen nach abgeben, Meuthen kandidieren. Wer aus den Reihen des „Flügel“ antreten könnte, ist unklar – Höcke scheint an dem Amt nicht gelegen, während seine Gegner ihn gerne mehr in die Verantwortung einbinden würden. Welche Fliehkräfte derzeit herrschen, zeigt auch die jüngste Affäre: Jemand veröffentlichte illegal einen Mitschnitt eines Hinterzimmergesprächs mit dem baden-württembergischen Landeschef Dirk Spaniel. In der Aufzeichnung geht es um Machtfragen – nicht ungewöhnlich für ein Gespräch unter Parteifreunden. Aber dass ein Mitschnitt davon an die Öffentlichkeit gerät, ist sehr ungewöhnlich.

Wie sieht es im Südwesten aus?

Mit Spaltungen hat die AfD in Baden-Württemberg schon Erfahrung, seit die Fraktion nach dem Einzug in den Landtag im Streit um die antisemitische Haltung des Abgeordneten Wolfgang Gedeon vorübergehend auseinanderfiel. Eine Konstante zeigt sich seitdem: eine belastbare Abgrenzung der Mehrheit gegen den äußeren rechten Rand gelingt nicht auf Dauer. Das erste Parteiausschlussverfahren gegen den mittlerweile fraktionslosen Gedeon beispielsweise scheiterte, ein zweites, das seit Februar läuft, ist immer noch nicht entschieden. Auch gegen den Abgeordneten Stefan Räpple, der den „Flügel“-Anhängern zugerechnet wird und Seite an Seite mit Rechtsextremisten in Chemnitz demonstrierte, läuft ein Ausschlussverfahren. Der Vorstand hatte es schon beschlossen, bevor Räpple und Gedeon im Landtag einen Eklat provozierten und von Polizisten hinausgeführt wurden. Wie gut die Strömung am äußeren rechten Rand Mehrheiten organisieren kann, zeigte sich kürzlich im Kreisverband Ortenau: „Flügel“-Anhänger versagten dem Bundesvorsitzenden Meuthen die Wahl zum Delegierten beim Bundesparteitag. Dafür wählten sie sowohl Räpple als auch den Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz. Ein deutlicher Wink an Meuthen, der sich zuvor in einer Rede ungewöhnlich klar gegen rassistische und antisemitische Aussagen positioniert hatte. Völlig ungeklärt ist auch die Machtfrage zwischen den beiden Landesvorsitzenden Bernd Gögel und dem eher dem „Flügel“ nahe stehenden Spaniel.