Hoffnungsträger Jörg Meuthen und die neue Parteichefin Frauke Petry Foto: dpa

Baden-Württembergs bisherigem AfD-Landeschef Bernd Kölmel ist die Partei zu rechts geworden. Am Montag kündigte er seinen Austritt an. Als neuer AfD-Hoffnungsträger im Südwesten gilt nun der frisch gewählte Bundesvize Jörg Meuthen aus Karlsruhe.

Essen/Stuttgart - Die AfD steht nach der Parteitagsniederlage ihres liberal-konservativen Flügels vor einer Austrittswelle. Zahlreiche Mitglieder haben in den Landesverbänden die Absicht geäußert, die Alternative für Deutschland (AfD) zu verlassen. Das berichteten mehrere Parteifunktionäre aus Bayern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am Montag.

Parteigründer Bernd Lucke und seine liberal-konservativen Mitstreiter wollen in diesen Tagen mit einer Umfrage unter den Mitgliedern des von ihnen gegründeten Vereins „Weckruf 2015“ herausfinden, welche Strategie bevorzugt wird. Die Europaparlamentarierin Ulrike Trebesius sagte, man werde die Vereinsmitglieder in den nächsten Tagen fragen, „ob wir gemeinsam austreten sollen aus der AfD“. Weitere Alternativen wären die Gründung einer neuen, eigenen Partei, „oder wir gehen in der AfD in den Winterschlaf“.

Bei der Vorsitzendenwahl hatte Luckes Gegenspielerin Frauke Petry am Samstag auf dem Parteitag in Essen dank der Unterstützung der Nationalkonservativen klar gewonnen. Lucke und seine Anhänger zeigten sich entsetzt über die Redebeiträge einiger Parteitagsbesucher, die von einer „Invasion von Asylanten“ sprachen und für Pauschalurteile über Muslime donnernden Applaus ernteten. Petry, die während dieser Reden nicht einschritt, bemühte sich in ihrer Abschlussrede und später auch in einer Mail an alle Mitglieder, den Eindruck zu vermeiden, die Partei sei nun weiter nach rechts gerückt. Sie schrieb: „Bitte lassen Sie sich nicht von den aktuellen Presseberichten irritieren, die uns einmal mehr ins politische Abseits stellen wollen.“ Petry forderte die Mitglieder auf: „Geben Sie uns bis Ende des Jahres Zeit, um den Nachweis zu erbringen, dass wir unsere AfD inhaltlich und organisatorisch auf Kurs halten werden.“

Sein Mandat in Straßburg will Kölmel behalten

Trebesius, die Vorsitzende des von Lucke im Mai gegründeten „Weckruf“-Vereins ist, kommentierte Petrys Strategie mit den Worten: „Wer sich mit den Rechten ins Bett legt, darf sich nicht wundern, wenn er mit ihnen aufwacht.“ Der Vorsitzende des bayerischen AfD-Landesverbands, Andre Wächter, sagte: „Im neuen Bundesvorstand befinden sich außer Herrn Professor Jörg Meuthen nun nur noch Nationalkonservative, das ist eine katastrophale Situation.“

Der Europaparlamentarier und AfD-Vorsitzende in Baden-Württemberg, Bernd Kölmel, hat am Montag wie mehrere andere seinen Austritt aus der Partei angekündigt. „Dieser Bundesparteitag hat gezeigt, dass sich die Koordinaten verschoben haben und noch weiter verschieben werden“, sagte Kölmel. „Mit diesem Stil und diesen politischen Schwerpunkten möchte ich mich so nicht identifizieren.“ Sein Mandat in Straßburg will Kölmel allerdings behalten.

Eigentlich wollte der baden-württembergische Landesverband auf einem Parteitag am übernächsten Wochenende in Pforzheim sein Programm für die Landtagswahl beschließen, die im März nächsten Jahres stattfinden wird. „Es gilt, Bilanz zu ziehen und dann geschlossen den Wahlkampf anzupacken“, forderte zum Beispiel Lars-Patrick Berg, der im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen kandidiert. Doch ob es so kommt? Wahrscheinlicher ist, dass in Pforzheim vor allem und wieder einmal über Führungsposten gestritten und abgestimmt werden wird. Denn nach Kölmels Abgang braucht es nun erst mal ein neues Führungsteam.

Wäre Kölmel nicht freiwillig gegangen, hätte er befürchten müssen, wie sein Förderer Lucke gestürzt zu werden. Für den Parteitag in Pforzheim hatten mehrere Kreisverbände einen Abwahlantrag eingereicht. Sie werfen Kölmel weniger seinen gemäßigten, fast schon unverbindlichen Kurs vor. Dafür bekam er auf den letzten Parteitagen immerhin noch eine Mehrheit von rund 60 Prozent. Was Kölmel ins Wanken brachte, war seine Unterstützung der Lucke-Initiative „Weckruf“. Selbst Wohlmeinende haben dies als undemokratischen Versuch der „Parteisäuberung“ betrachtet. Lucke und Kölmel wollten angesichts rechtsradikaler Umtriebe in der Partei alle Parteimitglieder auf ihren gemäßigten Kurs zwingen.

Hinter den Kulissen versuchen derzeit dem Vernehmen nach die gemäßigten Kräfte in der Partei, den neuen Bundes-Vize Jörg Meuthen davon zu überzeugen, das Amt des AfD-Landeschefs in Baden-Württemberg zu übernehmen. Auch Meuthen hatte gegen die „Weckruf“-Initiative aufbegehrt, gilt ansonsten aber als liberal-konservativ. Doch der neue Hoffnungsträger ziert sich, müsste er doch dann beruflich kürzertreten: Meuthen ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Hochschule Kehl und auch Studiendekan dort. Er lebt in Karlsruhe und hat fünf Kinder.