Akrobatik bei der WM in Stuttgart. Foto: Pressefoto Baumann

Enttäuschung nach der verpassten Olympia-Qualifikation, Kritik an den Wertungen und Verärgerung wegen des Zuschauerzuspruchs. Die WM-Verantwortlichen ziehen zwar eine positive Bilanz – Nachbesserungsbedarf gibt es aber dennoch. Eine Übersicht.

Der Sport:

„Wir sind alle etwas enttäuscht“, erklärte Wolfgang Willam, Sportdirektor des Deutschen Turner-Bunds (DTB). Denn weder die deutschen Einzelgymnastinnen noch die Gruppe sicherten sich bei der Weltmeisterschaft in Stuttgart das vorzeitige Ticket für die Olympischen Spiele in Rio im nächsten Jahr. Dabei war vor allem für die deutsche Gruppe mehr drin als Platz zehn im Mehrkampffinale. Denn in der eigentlich schwierigeren Übung mit drei Paar Keulen und zwei Reifen zeigte die deutsche Mannschaft eine starke Vorstellung, erreichte sogar das Finale. Doch ausgerechnet bei der Kür mit fünf Bändern patzten die ehrgeizigen Gymnastinnen. „Dabei waren wir darin zuletzt sehr stabil“, sagte Daniela Potapova mit Tränen in den Augen.

Zumindest gab es einen versöhnlichen Abschluss. Am Sonntag zeigte die deutsche Gruppe im Gerätefinale mit zwei Reifen und drei Paar Keulen noch einmal eine gute Leistung. „Wir haben alles gegeben, sauber geturnt und 17,000 Punkte bekommen“, freute sich Anastasia Khmelnytska, „darauf müssen wir aufbauen.“ Die Gruppe landete auf Platz sieben. Insgesamt dominierten bei der WM die Russinnen. Sie holten acht von neun möglichen Goldmedaillen. Nur am Sonntag zeigten die Italienerinnen mit fünf Bändern eine bessere Übung.

„Die Italienerinnen müssen unser Vorbild sein“, meinte die deutsche Cheftrainerin Katja Kleinveldt. Mit originellen Übungen haben sie sich in den vergangenen Jahren in die Weltspitze geturnt. „Unsere Ausrichtung wird langfristig auch gruppenorientiert bleiben“, kündigte Kleinveldt an. Denn in diesem Bereich rechnet sich der Deutsche Turner-Bund (DTB) die größeren Erfolgschancen aus als im Einzel.

Doch zunächst sollen die Olympia-Tickets her. Dafür muss die deutsche Gruppe nachsitzen. Genauso wie die beiden Einzelgymnastinnen Laura Jung und Jana Berezko-Marggrander, die als 19. im Mehrkampffinale ihre bisher beste WM-Platzierung erreichte. Bei einem Testturnier in Rio im nächsten Frühjahr werden die letzten Tickets vergeben. „Ich rechne uns dort gute Chancen aus“, sagte Katja Kleinveldt. Sowohl für die Gruppe als auch für die Solistinnen, die aber nur noch einen Startplatz holen können.

Die Regeln:

Als Diplomat ist Bruno Grandi nicht gerade bekannt. Auch bei der WM wurde er seinem Ruf gerecht. Am letzten Tag kritisierte der Präsident des Weltverbands FIG noch einmal scharf die Regeln der Rhythmischen Sportgymnastik (RSG). „Es ist ein wunderschöner Sport, aber er muss gerechter werden“, forderte Grandi. Es sei einfach zu kompliziert, die Übungen korrekt zu bewerten, schimpfte er. Die Kampfrichter könnten doch gar nicht alles erkennen, was gefordert ist. Deshalb verlangt Grandi neue Regeln. Nicht zum ersten Mal.

Am Wertungssystem gibt es immer wieder Kritik. Zum einen ist es für Zuschauer kaum nachzuvollziehen, wie die Wertungen zustanden kommen, zum anderen haben die Kampfrichter zu große Spielräume, was zu sehr unterschiedlichen Wertungen und sogar zu Manipulationen führen kann. Erst einen Tag vor dem WM-Startschuss waren vier Kampfrichterinnen wegen Bevorteilung gesperrt worden.

Vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wurde der Turn-Verband bereits verwarnt. Es geht um die Zukunft der Sportart. Ändert sich nicht bald etwas, wird es die RSG schwer haben, ihren Platz im Olympischen Programm zu verteidigen.

Die Zuschauer:

Es ist WM, doch keiner geht hin – an den ersten Tagen saßen selten mehr als 500 Zuschauer auf den Tribünen in der Porsche-Arena. Dank des Endspurts und einer ausverkauften Halle am Samstag waren es am Ende allerdings laut Veranstalter doch 35 000 verkaufte Tickets. „Das sind sensationelle Zahlen“, sagte Wolfgang Drexler, Präsident des Schwäbischen Turner-Bundes (STB). Denn auch die Turnwelt wurde von 10 000 Kindern besucht.

Kritik hagelte es dennoch. „Ich verstehe nicht, wie die Stadt eine Veranstaltung unterstützen kann, die kaum jemanden interessiert“, sagte zum Beispiel Bernhard Lobmüller. Das Geld wäre besser in der Förderung lokaler Vereine investiert gewesen, schimpfte der Manager der Bundesliga-Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart.

Eine Million Euro steuerte die Stadt Stuttgart für die WM bei. „Das ist gut investiertes Geld“, meinte Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann, „wir brauchen die Spitze und die Breite.“ Als Sportstadt müsse man sich, sein Publikum und die Hallen regelmäßig präsentieren. Außerdem würden auch die Stuttgarter Vereine jährlich mit insgesamt 15 Millionen Euro unterstützt.

Die Planungen für die nächste Turn-Veranstaltung in Stuttgart laufen übrigens schon. 2019 findet hier die WM der Kunstturner statt. Am Sonntag wurde der Vertrag unterschrieben. „Das war der Startschuss“, sagte Drexler, „auch die nächste WM wollen wir erfolgreich ausrichten.“