Der Tatort Endersbacher Bahnhof war für Ermittlungen abgesperrt. Foto: SDMG/Kohls

Im Juni 2021 hat ein 17-Jähriger am Bahnhof von Weinstadt-Endersbach einen Wohnsitzlosen getötet. Nun muss das Landgericht die Strafe für den jungen Mann neu festlegen, was mehrere Gründe hat.

Das Stuttgarter Landgericht wird sich von Mittwoch an zum zweiten Mal mit einem Totschlag aus dem Rems-Murr-Kreis beschäftigen. Die Tat am Bahnhof von Weinstadt-Endersbach hatte im vergangenen Sommer die ganze Region geschockt: Auf dem Bahnsteig war am 3. Juni ein Toter gefunden worden. Ein Zeuge hatte den leblosen Körper des Mannes entdeckt. Im Glauben, es handele sich um einen medizinischen Notfall, wurden Rettungskräfte hinzugerufen – diese stellten den Tod des 48-Jährigen fest. Einen gewaltsamen, was auch die Obduktion des Toten bestätigte.

Relativ rasch kamen die Ermittler auf die Spur eines damals 17-Jährigen, der bereits wegen anderer Delikte polizeibekannt war. Entsprechend schnell konnte das Landgericht Stuttgart in der Folge ein Urteil fällen. Im November verurteilte es den Jugendlichen zu fünf Jahren Jugendstrafe.

Der 17-Jährige und sein späteres Opfer, ein Wohnsitzloser aus dem Rems-Murr-Kreis, hatten sich am verhängnisvollen Abend zu später Stunde am Bahnhof getroffen. Sie tranken gemeinsam über mehrere Stunden hinweg Alkohol. Warum der 17-Jährige den Mann dann angriff und versuchte, ihn auf die Gleise zu ziehen, konnte das Gericht nicht klären. Fest steht nur, dass der Jugendliche auch dann noch auf das Opfer eintrat und schlug, als dieses schon am Boden lag. Einen Hinweis auf eine eingeschränkte Schuldfähigkeit fand das Gericht nicht.

Der BGH bemängelt das Urteil des Landgerichts Stuttgart

Warum eine zweite Verhandlung in der Sache? Gegen das damalige Urteil ist der inzwischen 19-Jährige in Revision gegangen. Tatsächlich lässt der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall neu verhandeln – allerdings nur teilweise. Denn an der Schuldfrage selbst ist auch aus der Sicht des BGH nichts zu rütteln. Allerdings sehen die dortigen Richter das Strafmaß nicht einwandfrei begründet. Sie bemängeln, dass das Landgericht in seinem Urteil nicht ausreichend behandelt habe, ob der alkoholsüchtige Angeklagte in Zukunft weitere schwere Straftaten verüben könnte. Zu dieser Ansicht sei das Landgericht auch aufgrund der eigenen Aussage des jungen Mannes und durch Einschätzungen dessen Freunde gelangt – die Einschätzung des psychiatrischen Gutachters sei nicht genügend beachtet worden.

Auf der anderen Seite bemängelt der BGH aber auch, das Stuttgarter Landgericht habe Punkte nicht genügend erörtert, die zu Gunsten des jungen Mannes sprächen. Immerhin habe dieser im Sommer 2021 seinen Realschulabschluss gemacht – „einen Teil der Prüfungsleistungen muss der Angeklagte aus der Haft heraus erbracht haben“, so der BGH. Das Stuttgarter Urteil lasse nicht erkennen, ob die Richter den Grundsatz des Jugendstrafrechts, erzieherische Gesichtspunkte gegenüber der Bestrafung vorrangig zu behandeln, genügend beachtet hätten.

Die genannten Punkte werden in der Neuauflage des Verfahrens also die größte Rolle spielen. Wie schon der erste Prozess wird auch dieser unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Dies ist für gewöhnlich dann der Fall, wenn Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch nicht erwachsen sind. Das Landgericht Stuttgart hat insgesamt fünf Termine für das zweite Verfahren in der Sache angesetzt. Bleibt es bei diesem Zeitplan, wird das Urteil voraussichtlich am 18. Januar 2023 gesprochen.