Der Bundesgerichtshof hat das Landgericht angewiesen den Fall eines Fellbacher Beziehungsdramas neu zu bewerten. Foto: dpa/Uli Deck

Das Landgericht Stuttgart muss einen Fall, bei dem ein 41-Jähriger in Fellbach mit einem Messer auf eine junge Frau eingestochen hat, neu bewerten. Der Bundesgerichtshof sieht Revisionsgründe. Der Mann ist zu acht Jahren Haft verurteilt worden.

Stuttgart/Fellbach - Weil er seine Ex-Freundin in einem Casino in Fellbach mit einem Messer attackiert hat, ist ein heute 41-Jähriger im vergangenen September vor dem Stuttgarter Landgericht zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Die Erste Schwurgerichtskammer sah es nicht nur als erwiesen an, dass der Mann mehrfach mit dem Messer auf seine frühere Lebensgefährtin eingestochen hat, die Richter gingen in ihrem Urteil auch von einem Mordversuch aus.

BGH sieht Mord nicht hinreichend belegt

Genau an Letzterem aber zweifelt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Das oberste Gericht sieht die Tötungsabsicht im Detail nicht hinreichend belegt und hat das Landgericht aufgefordert, neu über die Rechtsfolgen der Tat zu befinden. Das will die Neunte Große Strafkammer nun in einem Revisionsprozess tun, der an diesem Mittwoch beginnt.

Auch wenn der Angeklagte sagt, dass er sich nicht mehr an die Tat erinnern könne, weil er betrunken gewesen sei, scheint die Rekonstruktion des Hergangs auch vom BGH nicht angezweifelt zu werden. Demnach hatte die heute 25-jährige Frau, mit dem der 16 Jahre ältere Mann rund zweieinhalb Monate liiert war, in dem Spielcasino hinter dem Tresen gestanden und telefoniert, als ihr Peiniger in das Casino kam. Weil sie sich wegen vorangegangener Streitigkeiten vor ihm fürchtete, kündigte sie an, die Polizei zu rufen und versuchte dies auch.

Doch so weit kam es nicht, weil der 41-Jährige ihr eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht sprühte, danach um den Tresen herum lief, die Frau an den Haaren packte und ihr mit der Faust ins Gesicht schlug. Dabei soll er geschrien haben, dass sie es nicht verdiene zu leben, wenn er sie nicht haben könne.

Das Opfer konnte sich entwinden und in die Herrentoilette flüchten. Doch dort stach der Mann insgesamt sieben Mal auf sie ein – so lange, bis die Klinge des Messers abbrach. Obwohl schwer verletzt, konnte die Frau ihm erneut entkommen und sich in einen Privatraum retten. Dort drückte sie sich gegen die Türe. Ihr Angreifer sprang noch vergeblich dagegen, bevor er schließlich aber flüchtete.

In dem Beschluss über die Aufhebung des Urteils durch den BGH wird das nicht in Abrede gestellt, allerdings hält nach Ansicht der Bundesrichter die vom Landgericht unterstellte Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke einer „sachlichrechtlichen Nachprüfung“ nicht stand. Im juristischen Sinne heimtückisch handle, wer eine Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst zur Tötung ausnutze, so der Fachjargon.

Bundesrichter: Frau hatte „Chance zum Entrinnen“

Für den konkreten Fall klingt das zynisch: Die Nebenklägerin sei „bereits vor dem Angriff mit dem Pfefferspray nicht mehr arglos“ gewesen, heißt es in dem Beschluss der Bundesrichter vom 4. März. Das Opfer habe noch ausreichend Zeit gehabt, „auf den Angriff wirkungsvoll zu reagieren“, heißt es in der Begründung. Statt vergeblich einen Notruf abzusetzen, hätte sie sich vom Tresen zur Flucht wenden können. „Sie hatte mithin die Chance zum Entrinnen“, so die Richter.

Die Neunte Große Strafkammer wird diesen Aspekt nun in ihr neuerliches Urteil einfließen lassen müssen. Am Strafmaß hingegen muss das letztlich nicht zwangsläufig etwas ändern.